Und Folge sechs…
Der Geschichtenerzähler sagte:
„Es lebte in unserer Stadt ein bekannter Mann, der sollte einst vor vielen Menschen und gar vor dem König eine Rede halten. Nun sah er sich in der Runde um und fand dort eine solche Übermacht an klugen und gelehrten Menschen, dass er sich gar nicht mehr klug zu sein dünkte und vergaß, wie er sich sonst selbst zu helfen wusste und sich am liebsten in den Erdboden verkrochen hätte. Doch das war nicht möglich. Was tat dieser Mann?“
Mit diesen Worten verstummte der Alte. Verzweifelt fragend blickte er seinen Lehrling an und schwieg. Der junge Mann ergriff das Wort und sprach:
„Er verfiel in Schweigen. Er ließ seinen Schüler für sich reden. Der richtete dem König und jener Übermacht an gelehrten Leuten alles aus, was sein Meister ihnen sagen würde, hätte es ihm nur nicht die Stimme verschlagen. Der Schüler sagte: ‚Mein Lehrer lässt euch um Entschuldigung bitten, dass er die Worte, die ihr zu hören wünscht, nun leider nicht selbst an euch richten kann. Doch lässt er mich für ihn sprechen. Es tut meinem Meister sehr leid.’ Die Leute hörten den Schüler für seinen Meister reden. Keiner konnte sagen, ob dieser in Wahrheit die Worte wiedergab, die sein Meister an jene Übermacht hatte richten wollen, doch keiner konnte es auch bestreiten, da jener Meister weder ein Zeichen der Zustimmung noch des Widerspruchs von sich gab.“
Der Schüler hatte seine Rede beendet. Die Menge der Leute blickte ihn und seinen Lehrer verwirrt an. Dann lachten einige, andere klatschten, und es herrschte eine merkwürdige Spannung im Raum. Der Bürgermeister ließ die nächsten Redner aufrufen. So verging der Tag mit weiteren Festlichkeiten, und schließlich gingen alle auseinander. Der König aber ließ noch an demselben Tag Eilboten in den Palast und in alle Städte des Landes schicken mit der Nachricht: „Morgen Mittag um zwölf Uhr wird der König aus gesundheitlichen Gründen abdanken und seinen Sohn als Nachfolger einsetzen. Die traditionelle Rede des Königs zur Übergabe von Zepter und Krone entfällt wegen seiner augenblicklichen Erkrankung. Sein Sohn wird für ihn sprechen und wahrheitsgemäß alles ausrichten, was sein Vater ganz bestimmt sagen würde, wenn er selbst im Stande wäre, nun noch ein letztes Mal als König des Landes zu sprechen.“ Der König wusste wohl: Die Leute am Hof würden sehr verwundert sein über diese merkwürdige Botschaft. Doch auch der Herrscher seines Nachbarlandes würde nicht wohl entscheiden können, wer nun am Ende was gesagt, geschweige denn, gemeint hätte.
Und morgen geht’s weiter.