Gestern hat mich eine Kollegin in einem Forum mit Blick auf Geschichten in der Therapie mit Kindern gefragt: „Wie gehen Sie vor? Die Geschichten werden einfach erzählt, resp. vorgelesen und nicht kommentiert?“ Ich hab das mal so beantwortet:
Wenn die Geschichte gut zur Situation passt, kann sie einfach unkommentiert erzählt oder vorgelesen werden. Die Geschichte sollte analog zum Problem des Kindes strukturiert sein und metaphorisch oder beispielhaft eine erfolgreiche Lösung (Lösungsart, Lösungsstruktur) anbieten. Die Analogie zum Problem und das bereits bestehende Beratungssetting (das Kind weiß: wir sind hier zur Beratung wegen Problem XY) sorgen dafür, dass die Geschichte vom Unbewussten als Lösung identifiziert wird. Darum ist kein Kommentar nötig, der Kontext ist der Kommentar.
Wer sich mit der Wirkung von Metaphern nicht so genau auskennt, sollte meiner Ansicht nach nur Geschichten mit guten Lösungen verwenden. Katastrophengeschichten wie die aus dem Struwwelpeterbuch können auch nach hinten losgehen.
Normalerweise wird die vorgeschlagene Lösung oder Lösungsrichtung vom Kind anschließend umgesetzt. Eine deutliche Veränderung bis zur nächsten Therapiestunde ist die Regel. Verstärkt wird der Effekt, wenn mehrere Geschichten erzählt werden, die in die selbe Richtung weisen.
Eine Lösung muss in der Geschichte nicht genau inhaltlich beschrieben werden. Lösungen im weiteren Sinne sind auch Botschaften wie „Begib dich auf die Suche!“ (Da machte sich der Pinguin auf die Reise, watschelte die ganze Nacht durch, bis er im Morgengrauen auf einem großen Eisberg stand und von dort hinaussah auf das Meer und zwischen ihm und dem Meer eine goße Pinguinkolonie.) Um solche Geschichten zu erzählen, muss man sich nur fragen: Wie sähe es aus, wenn Löwen, Pinguine oder Engel ein ähnliches Problem hätten wie dieses Kind. Und wie sähen Lösungen, die ich mir für das Kind vorstellen kann, bei denen aus?
Der klassische Aufbau einer Geschichte ist: Der Protagonist und sein Problem (Konflikt) – misslingende Lösungen / verschlimmerung durch „mehr desselben“ – ein äußerer oder innerer Ratgeber tritt auf – die gute Lösung bewährt sich und wird gefeiert (vergleiche viele Märchen).
Gut kann man diese Geschichten im Dialog mit Kindern gestalten: „Und was meinst du, wen der traurige Drache dann getroffen hat, der ihm mit einer guten Idee weitergeholfen hat?“ Ein Kind, das gerade Seifenblasen blies, antwortete mir darauf: „Eine Seifenblase!“ Ich habe geantwortet: „Genau, und was hat die Seifenblase für eine gute Idee für den Drachen gehabt?“ Das Kind kann nun Lösungsideen für sein Problem äußern, ohne sich selbst vor den Erwachsenen zu kompromittieren. Hat das Kind keine Ideen, kann man selbst Vorschläge machen: „Denkst du, die Seifenblase hat zu dem traurigen Drachen gesagt: „Wenn du andere Tiere um dich hast, und Feuer spuckst, das tut ihnen weh. Da verbrennen sie sich. Aber wenn du den anderen Tieren einfach nicht mehr weh tust, dann kommt irgendwann das erste Tier wieder; und wenn sie merken, dass ihr Freunde seid, dann kommt irgendwann das nächste…“ Eine Lösung ist gesät, also kann man zur nächsten übergehen: „‚Und weißt du was‘, sagte die Seifenblase, ‚dein Feuer kann den anderen Tieren ja auch helfen!‘ Was meinst du, welche Ideen die Seifenblase noch hatte, und wie der Drache von da an den anderen Kindern Gutes getan hat?“ Sagt das Kind zum Beispiel „als Ofen für den Winter“, würde ich es loben und noch mehr erfragen. Sagt es „die Feinde verbrennen“, würde ich antworten: „Weißt du was? Die wussten die inzwischen alle schon, dass er anderen weh tun kann. Aber das brauchte er jetzt nicht mehr. Der Drache hat bemerkt, dass er den anderen Tieren warm machen kann, und das war wunderbar – was meinst du, wer sich darüber alles gefreut hat? … Und was meinst du, was der Drache und die Tiere von da an alles zusammen gemacht haben?“
Gegen Ende würde ich übrigens nicht mehr vom „traurigen“ Drachen reden, sondern zunehmend die Problembegriffe weglassen und durch Ressourcenbegriffe ersetzen.