Zwang

Die Bilder verfolgten ihn. Sie waren wie aus einem schlechten Film, den er sich nicht bewusst ausgesucht hatte, sondern in den er unversehens hineingeraten war. Wenn er an einem Kinderwagen vorbeiging, so sah er sich selbst das Kind aus dem Wagen zerren und auf dem Boden zertrampeln. Wenn er an einer schönen Frau vorbei ging, so sah er sich ihr die Kleider vom Leib reißen und sie vergewaltigen. War er mit seiner Familie zusammen, so fürchtete er sich davor, er könne plötzlich ein Messer nehmen und jemanden erstechen. War er allein zuhause, so sah er sich die Gardinen anstecken. War er im Urlaub, so fürchtete er eine Stimme Gottes zu hören, die zu ihm sagte: „Brich heute auf, gehe weg von hier, ohne Hab und Gut und verlasse dich ab heute nur noch auf mich.“ Es war eine Qual. Je mehr er die grausamen Bilder und Gedanken zu unterdrücken versuchte, desto mehr bedrängten sie ihn. Schließlich sagte er zu sich im Zorn: „Du Dummkopf hast es doch nicht anders verdient.“ Und er begann es sich in allen Einzelheiten möglichst ausführlich auszumalen: Wie er ein Kind zertrampelte. Wie er eine Frau vergewaltigte. Wie er seine Familie erstach. Wie er sein Elternhaus anzündete. Wie er sich ohne Besitz auf eine weite Reise machte. An diesem Tag verloren die Bilder ihre Kraft. Sie wurden blasser und blasser und blasser. Die Reste des alten Zwangs zeigten sich nur noch selten und schwach. Wenn sie kamen, wusste er, wie er sie begrüßte. (Nach: Der Grashalm in der Wüste, 75.)

Die authentische Fallgeschichte verwende ich als Beispiel, um Klienten zu illustrieren, wie sie Zwangsgedanken überwinden können.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert