Langeweile? Vergeht die Zeit im Kriechtempo?
Bekannt ist, dass die empfundene Zeit sich von der gemessenen oft stark unterscheidet; sie kann langsamer oder schneller vergehen. Es macht einen Unterschied, ob man einen „langweiligen“ Vortrag hört oder ein „kurzweiliges“ Spiel spielt. Bekannt ist auch, dass Menschen in Trance ein ganz anderes Zeiterleben haben als im Wachzustand. Meistens unterschätzen sie die verstrichene Zeitspanne erheblich; man bezeichnet das Trancephänomen als „Zeitverzerrung“. Bekannt ist schließlich auch, dass Menschen während eines Unfalls oder bei einer anspruchsvollen schnellen Tätigkeit das Geschehen erleben, als verlaufe es in Zeitlupe. Vielleicht habt ihr aber auch schon einmel die Wolken, eine Schnecke, den Sonnenuntergang oder Mondaufgang so lange betrachtet, bis die Bewegungen euch immer schnellerzu werden schienen. Zeiterleben wird psychisch reguliert.
Heute hatte ich ein Gespräch mit einem Mann, der ganz langsam redete. Immerzu suchte er nach Worten und viele seiner Sätze kamen nie zu einem Ende. Der Mann konnte nichts dafür, aber ich wurde sehr ungeduldig beim Zuhören. Seine Langsamkeit machte mich rasend. So stellte ich mir einen Drehschalter vor, mit dem ich die Geschwindigkeit meines Zeiterlebens einstellen konnte. Innerhalb von kaum einer Minute schien mir der Mann in einer ganz normalen Geschwindigkeit zu sprechen. Er war überhaupt nicht mehr langsam, und meine Ungeduld war verflogen. Der Hypnotherapeut Milton Erickson hat auf diese Art rhythmisch auftretende Schmerzen wie etwa pulsierende Kopfschmerzen behandelt: Man übt den Gebrauch des Zeitschalters ein und stellt die Geschwindigkeit der Zeit in den Schmerzphasen auf „sehr schnell“ und in den angenehmen Zeiten auf „langsam“. Übrig bleiben überwiegend angenehme Zeiten.