Gestern schrieb mir eine Teilnehmerin der Otterberger Hypnotherapie-Ausbildung die folgende Geschichte, die sie für einen (oder mehrere?) ihrer Patienten geschrieben hat:
„Als ich die Beduinen auf ihrer Reise durch die Wüste begleitete lagerten wir manchmal mitten in der Wüste und manchmal in Oasen. Aber immer wurden an den Feuern alte Lieder gesungen und Geschichten erzählt. Als ich einmal über die Beschwernisse der Wüste klagte, lachte unserer Führer und erzählte uns die alte Geschichte vom Lied der Wüste…
Während eines Sandsturmes hatte sich ein Kamel in einer Oase losgerissen und war kopflos in die Wüste gerannt. Als der Sturm sich gelegt hatte, merkte es, dass es sich verirrt hatte.
Von einer Oase oder Menschen war nichts mehr zu sehen. Die Hufspuren hatte der Wind verweht.
Tapfer machte sich das Kamel auf, um an sicheren Platz zu kommen. So lief es Tag ein, Tag aus und ruhte in der Nacht.
Doch mit jedem Tag erschien es ihm, als ob die Sonne heißer vom Himmel brenne, die Hufe bei jedem Schritt tiefer in den Sand einsinken und die Nächte immer kälter werden.
Jeden Morgen dachte das Kamel, heute ist der Tag an dem ich meinen Platz finde, und jeden abend schloss das Kamel immer enttäuschter die Augen.
Und dann kam dieser eine Tag…
Das Kamel war nur noch wenig gelaufen, seine Höcker hingen zu beiden Seiten leer und schlaff herab, und es war müde, so müde.
Daher legte es sich früh nieder, schloss die Augen und dachte: Ach Wüste,ich kann nicht mehr, ich gebe auf, Du hast gewonnen, Du bist stärker als ich, niemals werde ich dich überwinden.
Vielleicht war das Kamel eingeschlafen und träumte, vielleicht war es aber auch wach. Aber ihm war als ob es eine feine Melodie hören würde. Erstaunt öffnete es die Augen, sah sich um und sah zunächst nichts. Doch als es genauer hinsah traute es seinen Augen nicht:
Zum ersten Mal nahm es die Schönheit der Wüste war, die unendliche Weite und Offenheit in wellenförmigen Dünen bis zum Horizont. Der noch warme Sand erschien ihm jetzt so weich und angenehm wie eine Decke. Der Wind strich sanft über sein Fell und verhieß Freiheit. Es blickte zum Himmel und sah ein schützendes Zelt aus dunklem Samt bestickt mit abertausenden von Diamanten. Und das Licht der Sterne und des Mondes tauchten die Wüste in ein blau schimmerndes Licht.
Während das Kamel immer mehr die Schönheit der Wüste wahrnahm und andächtig in den Anblick versank, hörte es immer deutlicher die Melodie, bis aus dieser ein Lied wurde und das Kamel die Worte verstand:
Schon ewig bin ich da und werde ewig sein. Ewig und ewig.
Doch bin ich dein Freund und nicht dein Feind. Ewig und ewig
Immer schon half ich Reisenden auf ihrem Weg. Ewig und ewig
Sie hörten mein Lied und fanden ihren Weg und ihre Stärke. Ewig und ewig
Deine Vorfahren lehrte ich, was sie tun müssen, um mit mir zu reisen. Sie gaben dieses Wissen weiter von Generation zu Generation. Ewig und ewigAuch Du hast all diese Fähigkeiten bekommen. Deine Hufe sind so ausgerichtet, dass du nicht im Sand einsinkst. Du kannst wochenlang ohne Nahrung und Wasser auskommen, und deine Nüstern vor dem heißen Wind verschließen.
Kraftvoll und stark bist Du ewig und ewigKomm und reise mit mir. Ewig und ewig
Am nächsten Morgen erwachte das Kamel und hatte immer noch das Lied im Herzen.
Immer noch war die Wüste schön, Da schritt es aus im Takt der Melodie und lies sich vertrauensvoll von dem Lied der Wüste führen.
Da wurde dem Kamel bewusst, dass es seinen Weg gefunden hat, der es zu seinem Platz führt.
Der alte Beduine schaute mich an und lächelte: „Wenn Du das Lied der Wüste hören kannst, ist die Reise nicht mehr beschwerlich, sondern sie erfüllt dich mit wundervollen Gaben. Reise mit der Wüste.“
(Alexandra Spitzbarth, Ärztin, Würzburg)