„Die Leute hatten kein Geld. Wie konnte ich wissen, dass das Kind etwas Besonderes werden sollte… ein König oder so… es stand den Eltern ja nicht auf die Stirn geschrieben…
Seien Sie mal ehrlich, das ist doch bei Ihnen nicht anders: Geschäft ist Geschäft. Klar hatte ich Räume. Ich wollte das dann aber auch nicht so sagen: „Wir wollen Sie nicht!“ Da sagt man dann lieber: „Wir sind leider belegt.“ Jetzt gucken Sie mich nicht so an. Als wäre das bei Ihnen anders. Was würden Sie denn machen, wenn so ein paar zerlumpte Gestalten zu Ihnen an die Rezeption kommen und ihnen sagen: „Wir möchten ein Zimmer, aber wir haben kein Geld.“ Würden Sie die nehmen? Die ortsüblichen Preise konnten sie jedenfalls nicht zahlen. Das waren auch Ausländer, oder jedenfalls kamen sie nicht hier aus der Gegend. Irgendwie haben sie mir ja dann auch leid getan. Die waren fertig.
Ich hab dann gesagt: „Für den halben Denar kann ich Ihnen höchstens mal den Stall anbieten.“ Jetzt gucken Sie schon wieder so. Bei Ihnen ist das auch nicht anders. Schauen Sie sich doch mal um…
Lesen Sie eigentlich Zeitung? Da müssen Sie doch wissen, was los ist. Die Bahnhofsmissionen werden geschlossen, die Aussiedlerwohnheime sind schon lange zu, ein Asylrecht gibt’s nicht mehr. Für Frauenhäuser ist kein Geld mehr da… meinen Sie denn, die Armen und Wohnsitzlosen hätten irgendwo etwas zu lachen?
Aber jetzt werde ich dafür schlecht gemacht. Jahr für Jahr, in allen Krippenspielen, in tausend Varianten. Wie stehen wir denn nun da, meine Frau und ich? Wie Monster werden wir hingestellt: Hochschwangere Frau trifft niederträchtige Wirtsleute. Der Erlöser der Welt schläft auf pieksendem Stroh. Was meinen Sie denn, was hätten Sie gemacht? Ich sag’ Ihnen, die waren dreckig. Hätten Sie die genommen? Die haben gestunken! Wahrscheinlich hatten sie noch Flöhe.
Das mit den Engeln konnten wir nicht wissen. Dass die dann kamen und sagten, der Christus sei geboren worden, der Frieden bringt für die Welt. Was für einen Frieden eigentlich?
Ich bin auch für den Frieden. Aber Frieden muss sich auch rechnen. Wir können nicht jeden Dahergelaufenen bei uns aufnehmen. Da sage ich lieber: Die Herberge ist voll. Man kann das ja auch ganz höflich sagen.
Und das mit den Engeln noch mal: Werbemäßig war das auch schlecht gemacht. Insgesamt, meine ich. Zum Beispiel, dass die den Hirten erschienen sind, die genauso verlumpt daherkamen, wie dieses Paar. Wenn die Frieden ankündigen wollten, hätten sie das ganz anders aufziehen müssen. Frieden kommt von oben oder gar nicht. Wenn die das vorher mal angekündigt hätten, dass da der Retter der Welt kommt! Wir Leute von Bethlehem sind ja auch keine Unmenschen. Wir sind Leute wie du und ich. Wenn wir das mal gewusst hätten, so wie Sie das jetzt wissen, dass da der König der Welt kommt – wir hätten die schon recht empfangen wie eine königliche Familie. Wir hätten uns nicht lumpen lassen. Als erstes hätten wir ihnen mal ordentliche Kleider angezogen. Nicht diese komische galiläische Tracht mit den Kopftüchern, was die da hatten. So läuft ja hier keiner rum. Ein König, der Frieden bringt, das muss anders rübergebracht werden. Da muss auch das Umfeld stimmen. Das muss einer sein wie du und ich. Einer, mit dem die Leute sich identifizieren. Dem sie zujubeln können.
Wahrscheinlich war es sowieso ein Riesenfehler, dass er bei diesen ärmlichen Leuten zur Welt gekommen ist. Wer glaubt denn denen?
Aber darauf wollte ich noch mal zurückkommen; das verstehe ich immer noch nicht: Was für einen Frieden die Engel meinten. Ich sehe nämlich keinen. Da würde mich mal Ihre Meinung interessieren: Was für einen Frieden sollte dieser Jesus denn bringen?“
1. Jesu Eltern waren nicht arm, sondern hatten ihr Auskommen.
2. Die Herbergen waren tatsächlich überfüllt, weil sie alle wegen der Volkszählung nach Jerusalem unterwegs waren. (Bethlehem ist ein Vorort von Jerusalem)
3. Was die Engel im Einzelnen wirklich sagten und wie genau es gemeint war bleibt dahingestellt, denn diejenigen die es gehört haben, haben es nicht aufgeschrieben. Sicherlich ist es aber nicht wörtlich zu nehmen, da man niemanden Frieden bringen kann, der diesen Frieden nicht auch wirklich selber will und sucht… also gegen seinen Willen.
4. Gemeint dürfte wohl „die Chance auf Frieden“ sein, dass so-und-soviele nun die Möglichkeit bekommen, den inneren Frieden (Voraussetzung für äusseren Frieden) zu finden, die Möglichkeit insofern, daß Jesus ihnen die Wege und den Willen Gottes eröffnet hat.
So jeder nach den Ratschlägen Jesu handelt, findet er seinen inneren Frieden und den Frieden mit anderen (sofern sie guten Willens sind).