Letzte Woche hatte ich eine Frau in Therapie, mit der ich im letzten Jahr an der Auflösung ihrer Depressionen gearbeitet hatte. Die letzen Monate war es ihr ausgezeichnet gegangen. Jetzt hatten familiäre und berufliche Belastungen dazu geführt, dass sie wieder ganz im Sumpf des Unglücklichseins steckte. Sie saß vor mir als ein Häufchen Elend, bewegte sich kaum und sprach ganz leise. Ihr Partner, der sie hergebracht hatte, saß ratlos neben ihr. „Wie kam denn das?“ fragte ich. Sie erzählte von ihrer Mutter, die nicht mehr mit ihr sprechen wollte, von Schwierigkeiten mit ihrer Tochter und davon, dass zuletzt der Hinweis eines Kunden, dass ihr Angebot „nicht das Richtige“ für ihn sei, genügt habe, um sie ganz zusammenbrechen zu lassen. Die Kritik, die sie darin empfunden habe, erinnere sie an die Art, wie ihr Vater sie früher kritisiert habe… Ich fragte die Frau, was ich für Sie tun könne, und sie antwortete, sie wisse es nicht. Was ihr Ziel sei? Das wisse sie auch nicht. Ob sie möchte, dass ich tue, was ich für sie für richtig halte? Ja, das sei gut, antwortete die Frau.
So sagte ich zu ihr: „Mir scheint, da ist etwas aus Ihrer Kindheit in Ihre aktuelle Zeit hereingeschwappt. Als erstes machen wir mal einen Korken auf das Loch, wo dieser Schlamm herausgeschwappt ist. Wissen Sie, in der Schweiz gibt es manchmal solche Erdrutsche, oft am Ende des Winters, wenn der Schnee schmilzt und alles ganz matschig ist. Manchmal gibt es auch hochwasser, und die Flüsse tragen den Schlamm durch ein ganzes Tal. Wenn dann der Erdrutsch oder die Schlammflut zu Ende ist, machen sich die Schweizer an die Arbeit. Die sind für sowas ausgefüstet, die haben Gerätschaften und Aufräumtrupps, um ihr Land wieder in Ordnung zu bringen. Stellen Sie sich einmal vor, wie das aussieht, wenn Ihr Aufräumtrupp den ganzen Schlamm, der da in Ihren Alltag geschwappt ist, beseitigt. Wie machen die das? Haben die Wasserschläuche oder leiten die einen Bach um?“ „Ja, die haben Schläuche. Damit machen die das sauber.“ „Gucken Sie mal, wie sorgfältig und akkurat die arbeiten. Wo spülen die denn den ganzen Schlamm hin?“ „Da hinten ist ein Loch, wie so eine Höhle, da spülen die das rein.“ „Ja, und da fließt das auch alles ab, und ist weg, oder?“`“Ja.“ „Ich glaube, da gibt es zwei Trupps: Einen für das Entschlammen und den anderen für die Feinheiten. Damit das wieder richtig glänzt. Gucken Sie mal, wie der zweite Trupp arbeitet, der da hinterherkommt. Wie der die Farben wieder rausbringt.“ „Das ist schön.“ „Das wird wieder richtig bunt hier. Die machen das gut!“ „Wie weit ist denn der erste Trupp mit seiner Arbeit?“ „Na, die haben schon noch was zu tun. Die haben jetzt vielleicht drei Viertel entschlammt.“ „Ja, die arbeiten jetzt weiter, während wir uns etwas anderem zuwenden, und nachher gucken wir wieder, wie weit die inzwischen sind.“
Ich machte einige andere Übungen mit ihr. Zum Beispiel ließ ich sie sich vorstellen, dass sie alles, was sie belastete, in einem Korb sammelte. „Wie voll ist der jetzt?“ „Der quillt über. Das passt gar nicht alles rein.“ „Machen Sie den Korb so groß, bis es reinpasst. Das hier ist Kopfkino. Was machen wir jetzt damit? Bringen wir es zum Wertstoffhof oder in die Vergangenheit, aus der es stammt?“ „Nein.“ „Wo möchten Sie es denn gerne hintun?“ „In das Loch.“ „Ah, Sie meinen, wo der Schlamm reingespült wird?“ „Ja, dahin.“ „Das ist eine gute Idee. Da passt das ja ausgezeichnet hin. Schauen Sie mal, wie die Einsatzkräfte das wegspülen.“
Ich spielte dann noch „Der Platz neben dir“ mit ihr, nur dass ich als Zweit-Persönlichkeit von ihr die Frau auf den Platz neben sie setzte, die sie sein wird, wenn sie in einiger Zeit glücklicher sein wird, als sie es jetzt noch für möglich hält. Ich bat sie, mir die Frau, die sie dann ist, genau zu beschreiben, ihren Atem, ihre Muskelspannung, ihre Körperhaltung, ihre Stimme und ihre Emotionen zu beschreiben. Danach setzte ich sie auf den Platz, wo die von ihr beschriebene Zweit-Persönlichkeit von sich gesessen hatte und ließ sie nochmals beschreiben, wie es ist, auf deren Platz zu sitzen. Alles Positive verstärkte ich, alles eher Schwächende erklärte ich als Einwurf von der Frau, als die sie eben noch auf einem anderen Platz gesessen hatte.
„Wie weit sind denn jetzt die Einsatzkräfte?“, fragte ich. „Ziemlich weit. Die machen jetzt den Rest noch sauber.“ „Dann kann ich Sie ja jetzt gehen lassen, oder?“ „Ja, das können sie.“ Fröhlich lachend verließ sie mit ihrem Partner die Praxis.
mir ist eben eine ganz nette geschichte eingefallen:
die schnecke fühlte sich unglücklich.
weshalb und seit wann wusste sie nicht, es war wohl schon immer so gewesen. sie fühlte sich anders… anders als alle anderen schnecken. sie hatte in ihrem leben schon vieles versucht, um endlich ein wenig glück zu empfinden, sie hatte mehr gegessen, weniger gegessen, war vom wald in den garten gezogen, vom garten in den park, vom park an den see, hatte birkenblätter geknabbert, salat, äpfel und sogar schokolade gegessen, doch das ungück in ihr wollte nicht weniger werden. im gegenteil – nach jedem versuch, den sie unternahm, wurde das leid in ihrem inneren immer größer.
gerade eben wollte sie mal wieder ihre alte heimat verlassen und eine neue unterkunft für sich suchen, da raschelte etwas im gras. erschrocken blickte sie sich um, ob vielleicht ein fressfeind ihrer gewahr geworden wäre.
das gras teilte sich und vor ihr stand ein stattlicher käfer. er trug ein großes geweih auf seinem kopf. bewundernd und doch ein wenig ängstlich musterte die schnecke den käfer, der sie mit dreistem blick von oben bis unten begutachtete. die schnecke wusste nicht, was sie von diese tier zu halten habe und wollte sich gerade eben von ihm abwenden, um so eilig wie möglich mit ihrem umzug fortzufahren, da sprach der käfer zu ihr:
„warum kriechst du so seltsam über den boden?“
die schnecke schaute ihn erstaunt an und antwortete: „na, schnecken krieche nun mal so!“
da lachte der käfer laut auf und sprach: „das weiß ich wohl, doch wieso kriechst du so seltsam?“
die schnecke vermutete, der käfer sei verrückt geworden, antwortete aber trotzdem: „weil ich eine schnecke bin!!!“
„du bist eine schnecke???“
„ja, das siehst du doch!“, langsam wurde es der schnecke zu bunt, sie wollte sich endlich weiter um ihren umzug kümmern.
doch da stellte sich der käfer vor sie und sprach mit fester stimme: „komm doch mal kurz mit mir mit!“
da die schnecke nicht wagte sich dem käfer zu widersetzen, folgte sie ihm, brummte dabei aber mürrisch vor sich hin. das war mal wieder typisch, dachte sie sich: „nicht mal ein umzug klappt bei mir so, wie ich das gerne hätte.“
der käfer führte sie zu einem glänzenden gegenstand und sprach: „schau! das ist ein spiegel, schau hinein und sage mir, was du darin siehst!“
die schnecke tat wie ihr geheißen und blickte in die scherbe eines spiegels.
„ich sehe zwei solche käfer wie dich! doch einer von ihnen bewegt sich ganz seltsam über den boden“, sagte sie schließlich. der andere käfer lächelte und sprach: „so, siehst du wohl, dass du keine schnecke bist? du bist ein hirschkäfer, genau wie ich!“
da fiel alles unglück von der schnecke, die eine käfer war und sie begriff endlich, weshalb sie nie glücklich gewesen ist.