Das wirklich gute Weihnachtsfest

Seit ein paar Jahren wohnten sie zusammen. Sie verstanden sich wirklich gut. Nur jedes Jahr an Weihnachten verstanden sie sich wirklich schlecht. Sie kam aus einer wirklich guten Hamburger Familie und er aus einer wirklich guten Heidelberger Familie. Sie hatte mit ihren Eltern bis dahin jedes Jahr ein wirklich, wirklich gutes Hamburger Weihnachtsfest verbracht. Er hatte bis dahin mit seiner Familie ein wirklich, wirklich gutes Heidelberger Weihnachtsfest gefeiert. Nun wohnten sie in Darmstadt. Im ersten Jahr feierten sie dort ein wirklich, wirklich schlechtes Heidelberger Weihnachtsfest. Im zweiten Jahr feierten sie dort ein Hamburger Weihnachtsfest. Das war auch wirklich, wirklich schlecht. Im dritten Jahr versuchten sie ein Heidelberger Hamburger Weihnachtsfest. Das war das wirklich, wirklich schlechteste Weihnachten von allen. Nun saßen sie da und überlegten, was sie dieses Jahr wohl feiern könnten. Sie entschieden sich für ein Darmstädter Weihnachtsfest. Es wurde ein wirklich, wirklich gutes Fest.[1]

„Das wirklich gute Weihnachtsfest“ kann etwa erzählt werden, wenn im Raum steht, dass ein Paar möglicherweise glücklicher wäre, wenn sie, anstatt ihren jeweiligen Familientraditionen und hergebrachten Überzeugungen zu folgen, etwas Neues entwickelten.


Aus: S. Hammel, Handbuch des Therapeutischen Erzählens

[1]       Für die Geschichte danke ich Sabine Müller-Löw aus Mainz. Sie beruht auf der Erzählung einer Kollegin.

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