“Melanie hat so viele Gesichter, ständig schaltet sie um und ist wie ein anderer Mensch. Ich weiß gar nicht, mit wem ich es zu tun habe!”
“Man redet ja manchmal von “Multiplen Persönlichkeiten”, und ich dachte immer, das ist etwas ganz Seltenes, was es fast nur in Lehrbüchern gibt. Aber vielleicht ist es auch etwas ganz Häufiges, so häufig, dass es in seiner unauffälligen Form fast schon normal ist. Stellen Sie sich einmal vor, viele von uns hätten viele Persönlichkeiten, und Melanie auch. Wenn es recht ist, machen Sie einmal eine Liste von allen Melanies, die Sie kennen. Was denken Sie, gibt es fünf oder zehn oder zwanzig oder mehr? Geben Sie jeder von ihnen einen Namen, liebevoll oder frech, nur nicht zu böse. Wenn Sie wollen, können Sie auch eine kurze Zeichnung anfertigen zu jeder Melanie, die Sie entdeckt haben. Hängen Sie die Liste in Ihren Schlafzimmerschrank und ergänzen Sie sie ab und zu. Und zwischendurch, wenn Melanie Sie wieder überrascht, überlegen Sie: Welche Melanie war das? Hat sie einen Namen? Kenne ich sie schon? Und dann antworten Sie genau dieser Melanie und keiner von den anderen… Ist für Sie das in Ordnung?”
Die Klientin begrüßte die Idee. Sie führte die Anweisung aus und fand sie sehr hilfreich, um ruhig und geordnet auf die verschiedenen “Melanies” zu reagieren, die ihr begegneten. Der Umgang zwischen Pflegemutter und Pflegetochter entspannte sich dabei.
Diese Geschichte stammt von Stefan Hammel und ist in dem Buch „Wie der Tiger lieben lernte. 120 Geschichten bei psychischem Trauma“ zu finden. Die Geschichte gehört zum Kapitel „Ein neuer Blick auf scheinbar schlechte Reaktionen„.