Im Januar möchte ich euch gerne das Buch meiner Kollegin Hanne Seemann, „Schmerzen – Notrufe aus dem Körper: Hypnosystemische Schmerztherapie„, empfehlen.
Klett-Cotta. Reihe: Leben Lernen 302, 2. Druckaufl., 2022, 280 Seiten, Broschiert
ISBN: 978-3-608-89225-3
Die Autorin beschreibt die Besonderheiten einer hypnosystemischen Schmerztherapie.
Psychosomatischer Schmerz wird in einer sich ständig optimierenden Gesellschaft störend empfunden. Gerade Kinder sind solchen Zwängen zunehmend unterworfen: von früh auf Förderung zur Steigerung der Leistungsfähigkeit. Schmerz kann jedoch auch als Notsignal des Körpers verstanden werden. So betrachtet geht es weniger darum, den Schmerz zu ergründen, als die gewohnte Lebensweise so zu ändern, dass der Körper nicht mehr mit Notsignalen reagieren muss. Dies dürfte wenig attraktiv erscheinen, denn Gewohnheiten ändern ist nicht einfach. Nicht selten gehen wir mit Maschinen achtsamer um als mit uns selbst. Der Körper erweist sich als unbestechliche Instanz, die ein unmittelbares Feedback gibt, wenn wir aus der Balance geraten. Selbstverständlich ist bei Schmerzproblematiken zuerst eine sehr sorgfältige organmedizinische Abklärung angebracht. Erst dann kann man sich damit beschäftigen, worauf der psychosomatische Schmerz hinweist.
Oft ist es eine Sehnsucht, anders zu leben: Der Körper spiegelt den Preis übertriebenen perfektionistischen Funktionierens. Wichtige andere Bedürfnisse wurden dafür geopfert. Der Körper wehrt sich gegen ständigen hohen Leistungsdruck zur Selbsterhaltung.
Grundbedürfnisse (Anerkennung, Selbstwert, Kompetenz, Zugehörigkeit, Autonomie, Sicherheit) werden über Leistung (die nie genug ist) außenabhängig befriedigt.
Die Natur kennt kein ständiges Mehr: Im Herbst fallen die Blätter, damit im Frühling neue blühen können. Es geht um achtsames Bemühen, um gesunde Balance zwischen Sein & Schaffen, Anspannung & Ruhe, Geben & Nehmen, Tun & Geschehen lassen. Dies stellt sich nicht durch Einsichten ein, sondern bedarf Training aktiver Selbstverantwortlichkeit. Es gilt, die Signale des Körpers möglichst früh zu bemerken und sich im Treiben lassen zu üben und dem Leben zu vertrauen. Im Umgang mit Patienten bedeutet dies, Schmerz nicht als Eindruck von „etwas falsch gemacht“ zu verstehen, sondern als schwere Beeinträchtigung wertschätzend ernst zu nehmen im Bemühen um mehr Balance.