Kennen Sie diese French Press Kaffeemaschinen? Das sind Glaszylinder in die man Kaffeepulver und kochendes Wasser füllt. Solange der Kaffee noch nicht mit Wasser durchtränkt wird, schwimmt er oben. Von oben setzt man ein stabiles, an den Seiten fest schließendes Sieb in das Glas und drückt es herunter. Das heiße Wasser wird durch den oben schwimmenden Kaffee und das Sieb hindurchgedrückt, das sich langsam nach unten bewegt. Ich habe oft versucht, das Sieb etwas schneller nach unten zu drücken, aber es ist fast unmöglich, es über Schneckentempo hinaus zu beschleunigen. Fast scheint es, als ob es langsamer ginge, wenn man versucht, schneller zu werden. Zumindest aber wird es sehr viel anstrengender. Ich glaube, die Kaffeepartikel setzen sich in die Sieblöcher, und je schneller man das Sieb herunter zu drücken versucht, desto fester verstopfen sie sie. Wenn man das Sieb aber zwischendurch immer wieder kurz um einen Zentimeter nach oben zieht und dann weiter herunterdrückt, werden die Partikel aufgewirbelt, die Sieblöcher werden für eine Weile frei und man kann den Kolben schneller nach unten drücken. Es klingt paradox, aber wenn man ab und zu diese Rückwärtsbewegung macht, dann geht es schneller vorwärts.
Die Metapher kann eingesetzt werden, um Menschen zu ermutigen, Zeit, Geld, Energie und andere Ressourcen in ihre eigene Entwicklung oder in ein Projekt einzubringen und dadurch eine Zeitlang scheinbar rückwärts zu gehen oder auf der Stelle zu treten, wenn die begründete Hoffnung besteht, dass es später, wenn sich die Wirkung der Maßnahmen entfaltet, vorangeht. Das Bild kann auch verwendet werden, um Menschen mit Burnouttendenzen dafür zu gewinnen, sich zunächst zu schonen und die Ursachen ihrer Erschöpfung anzugehen, bevor sie versuchen, an ihrem Arbeitsplatz Leistungen „wie früher“ zu erbringen. Ähnliches gilt für Menschen mit möglicherweise stressbedingten Symptomen und Erkrankungen, wie Bluthochdruck, Herzrasen, Arhythmien des Herzschlags, Migräne, nervösem Zucken, Reizdarmsyndrom, Schwindel ohne medizinischen Befund, etc.
In Organisationen kann die Metapher verwendet werden, um den Wert einer soliden Analyse bestehender Defizite und Ressourcen intern – ebenso wie auf dem Markt bzw. in der öffentlichen Diskussion – als Grundlage für weiterführende Maßnahmen zu verdeutlichen bzw., um zum beherzten und gezielten Einsatz von Ressourcen einzuladen, um gesetzte Ziele einige Zeit später umso sichrer zu erreichen.
Mit Blick auf die Balance zwischen ökonomischen und ökologischen Interessen in der öffentlichen Wahrnehmung verweist die Metapher darauf, dass scheinbare Vorwärtsbewegungen rückwärts führen können und scheinbare Rückwärtsbewegungen vorwärts.
Diese Geschichte stammt von Stefan Hammel und ist in dem Buch „Wie das Nashorn Freiheit fand. 120 Geschichten zu Krise und Entwicklung.“ zu finden. Die Geschichte gehört zum Kapitel “ I Der Einzelne: Bewältigung individueller Krisen und Entwicklung der Persönlichkeit“.