In China lebte ein Mann, der den Wind in einem Einmachglas gefangen hatte. Allen Besuchern sagte er: „Ich hab ihn. Da ist er drin.“ Viele kamen und gingen kopfschüttelnd wieder. Sie hatten keinen frischen Wind gespürt. Manche fragten ihn: „Was willst du denn mit dem leeren Glas?“ Und er erklärte stolz: „Wenn ich mal Wind brauche, mach ich einfach das Glas auf, und schwupp, geht ein kühler Luftzug durch den Raum. Zum Beispiel, wenn ich im Sommer Gäste in meiner Dachwohnung empfange: ‚Uff, ist es hier heiß’, stöhnen sie, und ich sage „Moment, das hätten wir gleich’. Ein Handgriff – und eine frische Brise durchzieht den Raum. Oder beim Kochen ist etwas angebrannt: Mit einem Glas Wind werden schnell alle Gerüche weggefegt.“
Einige sagten: „Mach doch das Glas mal auf!“ Doch er antwortete: „Um Gottes Willen! Dann ist der ganze Wind doch weg. Und was soll ich dann noch mit dem Glas?“
Die Fenster hielt der Mann verschlossen, dass nicht ein rascher Windzug das Gefäß mit dem Wind zu Boden werfen konnte. Nach seinem Tode öffnete man das Glas. Darin war nichts als abgestandene Luft. Man öffnete die Fenster. Zum ersten Mal durchzog den Raum ein frischer Wind.
Diese Geschichte stammt von Stefan Hammel und ist in dem Buch „Der Grashalm in der Wüste – 100 Geschichten aus Beratung, Therapie und Seelsorge“ nachzulesen.