Diese Geschichte hat meine geschätzte Kollegin Bettina Betz aus Mainz beigetragen… Man kann die Anekdote zum Beispiel verwenden, um in beliebigen Situationen beim Hörer eine Suche zu stimulieren, um ihm zu signalisieren: „Was du darfst, entscheidet sich mehr in dir als im Kopf der anderen“ oder um zu illustrieren, wie manchmal eine nicht-anknüpfende Antwort günstiger ist, als eine, die mit klaren Reaktionsoptionen arbeitet. Paul Watzlawick nennt diese Alternative zu „Ja“ oder „Nein“ Nicht-Anknüpfung (disconfirmation). Milton Erickson sagt dazu: „Lass ihn durch irgendeine unwichtige Bemerkung entgleisen, zum Beispiel: ‚Ich weiß, was du denkst, ich mag Züge auch.'“
Einmal hatte mein Nachbar beruflich in Wien zu tun. Seine Frau begleitete ihn, um sich die Stadt anzusehen. Mittags trafen sie sich und gingen gemeinsam essen.
Sie waren sehr hungrig und schon länger auf der Suche nach einem Restaurant mit freien Plätzen und einer halbwegs ansprechenden Speisekarte. Da blieben sie vor dem Eingang eines Gasthofs stehen, dessen Angebot sich besonders appetitlich las. Die hohen Preise waren sie bereit zu verschmerzen. Vorsichtig schauten sie durch die Tür und stellten mit Überraschung fest, dass der einladend gestaltete Raum fast leer war. Sie traten ein und wurden sofort höflich empfangen: „Grüß Gott! Sie haben reserviert?“ Nach einem kurzen Blick über die leeren Tische und auf die wenigen, offenbar gut situierten Gäste sah mein Nachbar der Kellnerin prüfend ins Gesicht: „Kennen Sie mich nicht?“
„Ach … entschuldigen Sie bitte vielmals! Bittschön, nehmen Sie doch Platz, wo immer Sie mögen. Ich bring Ihnen gleich die Karte“, antwortete die junge Servicekraft verwirrt. Amüsiert schauten sich meine Nachbarn an, wählten einen Tisch am Fenster und machten es sich bequem. Man brachte nicht nur die Karte, sondern auch einen vorzüglichen Aperitif.
Nachdem sie bestellt hatten ging meine Nachbarin zur Toilette. Auf dem Rückweg zum Tisch fing die freundliche Bedienung sie ab und fragte mit verlegenem Gesichtsausdruck: „Ach bitte erlauben Sie mir eine Frage, es ist mir ja sehr unangenehm, aber: Wer ist denn der Herr, mit dem Sie gekommen sind?“
Da lachte meine Nachbarin herzlich und gab Auskunft: „Das ist mein Mann.“