Vor ein paar Tagen hat mir eine Kollegin entgegengeschleudert, ich hätte keine Meinung, eiere herum wie ein Weichei und sei überhaupt nicht auf Inhalte festzulegen. Das hat mich verwundert, da ich mich im Umgang mit anderen Menschen meistens als sicher und entschlossen empfinde. So habe ich natürlich protestiert. Später fiel mir ein, dass mir vor Jahren ein anderer Kollege ganz ähnliche Vorwürfe gemacht hat.
Was beide Kollegen gemeinsam haben, ist dass sie Wert auf Fakten legen, auf „Professionalität“ und Abgrenzung vom minder professionellen Verhalten einiger Kollegen und Nicht-Fachleute. Nach einigem Nachdenken stellte ich fest, dass ich mich tatsächlich meistens wenig für die Inhalte interessiere, die diese Kollegen als unumstößlich und essentiell wichtig empfinden. Stattdessen interessieren mich die Muster, die das Denken, Sprechen, Tun und die Beziehungen prägen. Gerne spreche ich von diesen Mustern in Beispielen, aber es sind eben nur Beispiele, die die Muster anschaulich machen.
Um nun wirklich anschaulich zu reden – wenn etwa Jesus sagt: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“, benennt er damit ein Muster für Glück bringendes Verhalten. Würde er stattdessen sagen: „Schenke deinem Nächsten zehn Denare“, wäre das ein Inhalt. Sagt er: „Dein Glaube hat dir geholfen“, benennt er ein Muster. Würde er sagen: „Weil du gedacht hast: ‚Jesus macht mich gesund‘, bist du gesund geworden“, dann würde er in Inhalten sprechen. Gibt er eine Beispielgeschichte wie die vom barmherzigen Samariter, ist dies die Veranschaulichung eines Musters und nicht eine inhaltliche Anleitung zur exakten Nachahmung. Erzählt er ein Gleichnis, beschreibt er ein Muster für eine neue Denk- und Verhaltensweise. Sagt er dagegen: „Gehe zum Priester, zeige dich ihm als gesunden Menschen und bringe Gott ein Dankopfer“, spricht er in Inhalten. Inhaltlich redet er, wenn er sagt: „Gehe in das Dorf Betfage. Am ersten Haus ist ein Esel angebunden. Binde ihn los und bring ihn her.“ Von einem Muster spricht er, wenn er sagt: „Sie werden euch verfolgen, wie sie mich verfolgt haben.“
Während die Denk- und Verhaltensmuster eines Menschen bzw. eines sozialen Systems meist sehr stabil sind und wiederkehren, wechseln die Inhalte immerzu: Die Konfliktstoffe sind beispielsweise täglich verschieden, die Konfliktstile sind immerzu gleich.
Wer seine Umgebung gestalten will, muss die Wechselwirkungen betrachten, die Beziehungen, die statischen und dynamischen Gleichgewichte, die sich überall zwischen Menschen und Dingen eingependelt haben. Er muss anstelle der täglich wechselnden Inhalte die beständigen Muster beachten und gestalten. Wer das tut, kann viel verändern – vielleicht allerdings um den Preis, als profillos zu gelten, weil er sich für „wichtige“ Dinge nicht interessiert, die andere diskutieren und stattdessen „unwichtige“ Dinge anschaut, die andere nicht wahrnehmen.