Kapillarität

Quelle: Pixabay (https://pixabay.com/de/photos/landschaft-sommer-sonnenaufgang-1192669/)

Haben Sie sich schon einmal gefragt, wie ein Baum das Wasser aus dem Boden bis in die höchsten Äste und Blätter bekommt? 

Wenn dort oben die Sonne auf die Blätter scheint, verdunstet dort Wasser aus den Blättern. Dadurch entsteht dort ein Wassermangel, ein Vakuum sozusagen, die Zellen ziehen sich zusammen. Um den Druckunterschied auszugleichen, wird Wasser aus den dahinter- oder darunterliegenden Zellen aufgesogen, und wenn die nun einen Unterdruck im Vergleich zu den Zellen hinter ihnen haben, saugen sie wiederum Wasser aus den tiefergelegenen Zellen an. So setzt sich das in einer langen Reihe fort, bis zu den Wurzeln, die das Wasser aus dem Erdreich aufsaugen – und wenn der Boden um die Wurzeln herum trockener wird als der in der Umgebung, so wird auch in der Erde um das Wurzelwerk herum das Wasser von den feuchteren zu den trockeneren Zonen streben. Mit dem Wasser werden Nährstoffe aufgenommen und verteilt. Auch Hormone, Abwehrstoffe, Reparaturmaterial und andere Substanzen, die der Baum produziert, werden mit ihm dorthin gebracht, wo sie gebraucht werden. 

Kapillarität sagt die Physik dazu – es ist das Prinzip, nach dem Löschblatt einen Tintenklecks in sich aufsaugt – oder auch, wenn man eine Ecke des Blatts in ein Gefäß mit Wasser taucht, die Flüssigkeit über den Wasserspiegel im Gefäß nach oben gezogen wird. 

Auch in unserem Körper gibt es Kapillarität. Sie trägt dazu bei, dass die Flüssigkeit in unserem Körper tendenziell gleichmäßig verteilt ist, so dass nach Möglichkeit alle Zellen gut mit Wasser versorgt werden.  

Wer weiß, wo dieses Phänomen womöglich noch am Wirken ist? 

Vielleicht, so stelle ich mir vor, gibt es etwas Ähnliches auch in der Welt der Werte und Bedürfnisse… vielleicht kann es etwas Ähnliches auch in Gruppen geben, in Familien oder Teams, in der Gesellschaft… und wenn es nicht von Natur aus so wäre, dann könnte womöglich doch die Vorstellung einen Unterschied machen: Wenn meine Zeit, mein Geld, meine Energie, meine Aufmerksamkeit unwillkürlich von da, wo sie zur Genüge vorhanden sind, dorthin wanderten, wo etwas mehr davon benötigt wird – wo wandern sie dann hin? Was verändert sich dann? Was kommt dann in Bewegung, und was ist die Folge für das Große, Ganze? 

Diese Geschichte stammt von Stefan Hammel und ist in dem Buch Wie das Nashorn Freiheit fand. 120 Geschichten zu Krise und Entwicklung.“ zu finden. Die Geschichte gehört zum Kapitel “ I Der Einzelne: Bewältigung individueller Krisen und Entwicklung der Persönlichkeit“.

Der Nachbar und der Hund

Diese Geschichte stammt von meiner geschätzten Kollegin Lisa Cappel-Herhammer.

Quelle: https://pixabay.com/de/vectors/hund-tier-haustier-h%c3%bcndchen-1728494/

Wir hatten uns aus dem Tierheim einen sehr alten Hund geholt, der in der Nachbarschaft stark polarisierte, da er auf dem Rücken schon ein Glätzchen hatte und über und über mit kleinen Warzen übersät war. Die einen fanden ihn total süß, die anderen ekelten sich.  Als unser kahlköpfiger Nachbar, dessen Glatze ein Wärzchen zierte, ihn zum ersten Mal sah, rief er angewidert aus: „Was HAT denn der Hund???“ – Ich schaute ihn nachdenklich an und sagte: „Eine Glatze und ein paar Wärzchen.“

Veranstaltungstipp im März

Ich möchte euch auf ein Angebot von Peter Stimpfle aufmerksam machen, der die HypnoSystemische Kompetenz Werkstatt Eichstätt leitet.

15.03.2023 Online Appetizer Kurz- Workshop mit Michael Nigitz-Arch

Die Dialektik ver-rückter Wahrheiten – oder: wie lassen sich die digitalen Welten der Kinder & Jugendlichen in der hypnosystemischen Arbeit nutzen?

Datum: 15. März 2023
Seminarzeit: Mittwoch 19:30 – 21:15 Uhr

Kosten 40 €

Anmeldungen unter psychoprax-stimpfle@t-online.de

Weitere Online Seminare und nähere Informationen über das Angebot der HypnoSystemischen Kompetenz Werkstatt Eichstätt findet ihr in der Homepage von Peter.

WORKSHOPS – SEMINARE 2023

23.-24.06.2023 Dr. Peter Hain: Humor und Provokation in Therapie und Beratung. 14:00-21:00 Uhr, 9:00-17:00 Uhr. Ort: Eichstätt.

16.02.24 Frauke Niehues: Impact Techniken – Therapie mit allen Sinnen. Online Workshop. 9 FP. 9:00-16:30 Uhr. 125 – 150 €.

15.-16.11.24 Dr. Cornelie C. Schweizer: Hypnotherapeutische Konzepte bei Angststörungen. Ort: Eichstätt. 275-295 €.

Liebe Grüße

Stefan

Buchtipp März

Der Buchtipp vom Monat März richtet sich an die Autorengemeinschaft, Wilhelm-Gößling / Schweizer / Dürr / Fuhr und Revenstorf mit ihrem Buch:

Hypnotherapie bei Depressionen. Ein Manual für Psychotherapeuten.

Kohlhammer, 2020. 210 Seiten mit 7 Abb., 2 Tab., kartoniert, 233mm x 155mm x 10mm. ISBN 978-3-17-036256-7. Reihe: Störungsspezifische Psychotherapie

Die Milton Erickson Gesellschaft für klinische Hypnose (M.E.G.) hat zu ihrem 40. Geburtstag eine groß angelegte empirische Studie zur Wirksamkeit der Hypnotherapie in der Therapie von Depressionen von dem Tübinger Prof. Batra in Auftrag gegeben. Im Vergleich zur hochwirksamen Kognitiven Verhaltenstherapie zeigte sich dabei eine gleich hohe Effizienz. In diesem Buch sind die der Studie zugrunde liegenden manualisierten, empirisch überprüften, hypnotherapeutischen Interventionen (30 Module) von verschiedenen in Praxis, Supervision und Ausbildung ausgewiesenen M.E.G. Referenten wiedergegeben. In den Vorworten äußern sich Gründer der deutschen M.E.G.: Burkhard Peter weist darauf hin, dass dieses Manual sowohl praxisrelevant, als auch theoretisch fundiert und wissenschaftlich evaluiert sei. Gunther Schmidt macht darauf aufmerksam, dass sich damit die Seriosität der modernen Hypnotherapie enorm erhöht habe und es durch die stringente Systematik ein logisch präzise aufbereitetes praktisches Vorgehen darstellt, das die wesentlichen Grundaspekte moderner Hypnotherapie beinhalte. Bernhard Trenkle, der derzeitige Präsident der International Society of Hypnosis ISH, merkt an, dass es in der Studie darum ging, ein eigenständiges hypnotherapeutisches Manual zusammenzustellen und zu evaluieren, was gelungen sei, und eine wirkliche Pionierarbeit darstelle, denn bislang habe man Hypnose eher als Ergänzung zu anderen Verfahren erforscht. Kristina Fuhr setzt sich einleitend mit den der Studien zugrundeliegenden diagnostischen Leitlinien auseinander, sowie dem Stellenwert der Hypnotherapie (es wurden insgesamt 152 Patienten randomisiert zugeteilt). Dirk Revenstorf stellt wesentliche Grundlagen der Hypnotherapie dar, v. a. die Haltung des Therapeuten, hypnotherapeutische Basisstrategien, Überschneidungen zur Kognitiven VT und die explizite Nutzung von therapeutischen Geschichten und Metaphern. Claudia Wilhelm-Gößling widmet sich dem psychotherapeutischen Hintergrund der hypnotherapeutischen Depressionstherapie und benennt Therapieziele, beschreibt die hypnotherapeutischen Techniken des Manuals und nötige Anpassungen an die Ich-Struktur (OPD) des Patienten. Weiter wird gezeigt, wie depressive Symptome genutzt werden können und die Module phasenorientiert zum Einsatz kommen können. Einen Überblick über die Module gibt ein Ablaufschema, das an individuelle Besonderheiten angepasst werden kann.

Im Teil B wird der Ablauf einer hypnotherapeutischen Depressionstherapie detailliert beschrieben: Vom „Anfang der Therapie“ (Motivierung, Basisinformationen, erste Tranceerfahrungen, Sicherer Ort) zu „Entlastung, Stärkung und Ressourcenaktivierung“ (Ballonfahrt, Einflechten, Kompetenzstärkung, Loslassen, Lösungserfahrungen, Zukunftsprojektion, Lösungsvision Kinotechnik, Ziele verwirklichen) hin zu „Depressionsspezifische Techniken“ (Paradiesort, Grübeln, Wieder einschlafen, Kindheitserfahrungen, Ballonfahrt, Kompetenzerfahrung, Stellvertreter-Technik, Genug-Ort, Interaktionsmuster, vom Grübeln zum Handeln, Sinnfindung, Suizidalität, Neutralisieren lebensfeindlicher Botschaften, Kriseninterventionen bei akuter Suizidalität) bis zu „Zwischenstand“ und „Abschluss der Therapie“ (Rückfallprophylaxe, Utilisieren von Symptomen, Zeitprogression, Abschluss).

Die Kapitel sind von verschiedenen erfahrenen Ausbildern der M.E.G. geschrieben, u. a. Dirk Revenstorf, Bernhard Trenkle, Cornelie Schweizer, Kristina Fuhr, Claudia Wilhelm-Gößling, Martin Braun, Clemens Krause, Heinz-Wilhelm Gößling, Ortwin Meiss, Wolfram Dorrmann.

Das Buch beinhaltet auch umfangreiche Online-Materialien (Karteikarten, Arbeitsblätter, Metaphern).

Bislang gibt es keine derart strukturierte manualisierte Zusammenfassung hypnotherapeutischer Depressionstherapie. Milton Erickson betonte bekanntlich sehr stark den individuellen Charakter einer Therapie, was einer Manualisierung entgegensteht. Die Fülle der beschriebenen Interventionen ermöglicht jedoch gerade dieses, nämlich je nach Situation des Patienten das passende Manual auszuwählen. Alles das macht dieses Buch einmalig.

Segway fahren

Quelle: https://pixabay.com/de/photos/segway-elektrofahrzeug-gras-rasen-6298533/

Kennen Sie diese seltsamen Fahrzeuge: Ein Brett zwischen zwei Rädern, darauf steht ein Mensch und fährt mit einem Elektroantrieb entspannt und leise vor sich hin? Und man wundert sich, warum der nicht nach vorne oder hinten kippt. “Segway” heißen die Dinger. Der Erfinder dieser seltsamen Gefährte hatte die folgende Idee: Wenn das Brett, auf dem der Fahrer steht, ein ganz wenig zu weit nach vorne kippt – vielleicht nur ein Viertel Grad – dann erzeugt das ein elektronisches Signal, um es nach hinten zu drehen, und wenn es ein winzig kleines bisschen nach hinten kippt, erzeugt das ein Signal, um das Brett wieder nach vorn zu drehen. Weil sich diese Prozesse in hundertstel Sekunden abspielen, braucht das System gar nicht so viel Energie, um die Stabilisierung herzustellen. 

Interessanterweise kann die Elektronik auch erkennen, wann das Brett kippt, weil es ein bisschen wackelig ist und wann es kippt, weil ein Mensch sich absichtlich ein wenig nach vorne oder hinten lehnt. Wenn sich ein Mensch nach vorne lehnt, wird es schneller, lehnt er sich nach hinten bremst er ab. Und natürlich kann er sich auch nach rechts und links lehnen um mit dem Gefährt in die Kurve zu gehen. 

Was, wenn wir unser vorbewusstes Erleben bitten könnten, für uns zu handeln, noch bevor wir bemerken, dass uns etwas zu viel wird – oder auch zu wenig? Unser Gehirn kann doch in tausendstel Sekunden Dinge erkennen, die unserem bewussten Denken erst nach einer Sekunde oder noch viel später und womöglich überhaupt nie bewusst werden… 

Auf diese Weise ließen sich vielleicht Erkältungen und Überhitzungen vermeiden, Verletzungen, Retraumatisierungen, Jähzornsausbrüche, Panikattacken – in einer Partnerschaft oder einem Team aber womöglich auch Eskalationsspiralen, die zwischen mehreren Personen stattfinden. 

Was, wenn es möglich wäre? Was, wenn es möglich ist? Wie können wir da hinkommen? 

Diese Geschichte stammt von Stefan Hammel und ist in dem Buch Wie das Nashorn Freiheit fand. 120 Geschichten zu Krise und Entwicklung.“ zu finden. Die Geschichte gehört zum Kapitel “ I Der Einzelne: Bewältigung individueller Krisen und Entwicklung der Persönlichkeit“.

Friendly Reminder: Fr, 24.02.2023, 18- 21 Uhr Vortrag, Demonstration und Gespräch

Für alle meine Blog- Lesenden, die im Umkreis von Kaiserslautern wohnen.

Es sind noch wenige Plätze verfügbar in dem Vortrag, Demonstration und Gespräch –

WAS DIE ANGST TRANSFORMIERT – wachhypnotische Arbeit mit dem „Therapeutischen Modellieren“

bei Andreas Hesch im Praxiszentrum KUEHOF, Kühbörncheshof 20, 67734 Katzweiler/ bei Kaiserslautern.

Nächsten Freitag, 24.02.2023 um 18 – 21 Uhr.

Ich freue mich auf die Veranstaltung.

Liebe Grüße euer Stefan

Veranstaltungstipp Februar

Den Veranstaltungstipp für den Monat Februar widme ich meiner geschätzten Kollegin Sonja Pichler aus Ober-Österreich und ihrer Ausbildung

Hypnosystemische Konzepte für Coaches, Trainerinnen, Berater, Supervisorinnen, Pädagogen und Führungskräfte.

Die Herausforderungen, die der (Berufs-)Alltag für uns Menschen bringt, nehmen kontinuierlich zu. Diese vielen Anforderungen spiegeln sich auch im Alltag Coaches, Trainerinnen, Berater, Supervisorinnen, Pädagogen und Führungskräften wieder.

Einzelpersonen oder Teams und Gruppen am Weg zu ihrer Lösung zu begleiten, fordert neben viel Energie auch besondere Werkzeuge. Hypnosystemische Konzepte leisten hier einen wesentlichen Beitrag, die Menschen von der belasteten Problemzone in die Welt der Lösung zu begleiten.

Hypnosystemische Konzepte leisten hier einen wesentlichen Beitrag, die Menschen von der belasteten Problemzone in die Welt der Lösungen zu begleiten: „Darunter werden Gesprächsformen bezeichnet, die Elemente von Systemischer Therapie, Erickson’scher Hypnotherapie und oft auch von Teilearbeit und Strukturaufstellungen in einem wachen Dialog verbinden.“ (vgl. Hammel, S. (2022): Hypnosystemische Therapie. Das Hand –
buch für die Praxis. Stuttgart: Klett-Cotta, S. 19)

Es handelt sich bei dieser Form des Arbeitens mit Menschen jedoch nicht um eine bestimmte Methode, sondern um eine gewisse Haltung mit einem breiten Methoden-spektrum.

Die Ausbildung findet in 4 vier Präsenz-Modulen statt. Zwischen den Modulen erfolgt der Austausch der Teilnehmer:innen in Arbeitsgruppen (online oder in Präsenz). Nach dem dritten Modul gibt es einen gemeinsamen 4-stündigen Online-Übungstermin.

Themen & Termine

Modul I von 10.- 11. November 2023: Geschichten als Basis der Lösung
Modul II von 1.- 2. Dezember 2023: Gesagtes UND Nicht-Gesagtes zur Lösung nutzen
Modul III von 19.- 20. Januar 2024: Lebensmöglichkeiten neu modellieren
Online-Übungstermin 2. Februar 2024
Modul IV von 1.- 2. März 2024: Kurzinterventionen mit großer Wirkung

Seminarort

Die Ausbildung findet nördlich von Linz, in der Hoftaverne Atzmüller in Waxenberg (Ober-Österreich), statt.

Kosten

Die Teilnahmegebühr pro Person beträgt 2.700 € + 20% USt.

Kontakt und Anmeldemöglichkeit

TEl. +43 664 424 8381
office@sonja-pichler.at
www.sonja-pichler.at

Die Hypnosystemische Weiterbildung in Linz ist ein Kooperationsprojekt mit dem Institut für
Hypnosystemische Beratung Kaiserslautern (www.hsb-westpfalz.de).

Für Fragen nehmt gerne den Kontakt mit Sonja Pichler auf.

Liebe Grüße,

Stefan

Von Bienen und Blumen

Quelle: Pixabay

Eine Frau, um die 35 Jahre alt, die bis dahin einen nicht ganz einfachen Lebensweg gehabt hatte, kam in Therapie. In den letzten Wochen sei ihr immer klarer geworden, dass sie Kinder haben möchte, den passenden Partner habe sie allerdings bisher nicht gefunden, erklärte sie. Der Therapeut schaute sie an und sagte:

„Ein Forscherteam fragte sich vor einiger Zeit: Die Blumen kostet es doch viel Energie, zuckerhaltigen Nektar für die Bienen zu produzieren. Machen die das die ganze Zeit? Wäre es nicht sinnvoller, wenn sie den Zucker dann produzieren, wenn auch Bienen da sind? Man hat dann einer großen Zahl Nachtkerzen Tonaufnahmen von Bienen vorgespielt. Eine Blumen-Vergleichsgruppe hat elektrische Töne mit Bienensummfrequenz vorgespielt bekommen, eine dritte Gruppe einen hohen Ton. Die Blumen, die Bienenaufnahmen tiefe Töne vorgespielt bekamen, haben sofort angefangen, mehr Zucker zu produzieren. Die Forscher haben auch herausgefunden, wie die Blumen hören. Ihre Blütenblätter gehen mit dem Summton in Resonanz und geben seine Schwingung an den Blütenkelch weiter, der die Information verarbeitet. Die Blütenblätter dienen als Schalltrichter, genau wie ein Ohr. Ich weiß nicht, ob das irgendetwas für Sie bedeutet“, sinnierte ich. „Es fiel mir nur so ein.“ „Ich werde einmal darüber nachdenken“, erwiderte die Frau und lächelte…

Vielen Menschen, die belastende Vorerfahrungen aus der Kindheit oder einer früheren Partnerschaft mitbringen, fällt es schwer, sich fest an einen Partner zu binden. Manche machen sich Sorgen oder Vorwürfe beim Nachdenken über ihr Single-sein oder ihre vielen kurzen und vielleicht flüchtigen Partnerschaften. Die Geschichte kann dem Thema die Schwere nehmen und die Erwartung wecken, dass die Biologie alles vorbereitet hat, damit sie einen Partner finden, der zu ihnen passt. (Die zitierte Studie ist unter www.biorxiv.org/content/10.1101/507319v1 zu finden.)

Diese Geschichte stammt von Stefan Hammel und ist in dem Buch „Wie der Tiger lieben lernte. 120 Geschichten bei psychischem Trauma“ zu finden. Die Geschichte gehört zum Kapitel „Zugehörigkeit erleben lassen„.

Buchtipp Februar

Der heutige Buchtipp, für den Monat Februar, gilt meinem Kollegen, Andreas Steiner, mit seinem Buch „Die Kunst der Familienaufstellung. Ein Praxislehrbuch der Empirischen Psychotherapie„.

Quelle: https://shop.kohlhammer.de/die-kunst-der-familienaufstellung-35821.html#147=19

Kohlhammer, 2019. 398 Seiten mit 219 Abb., 8 Tab., kartoniert, 232mm x 155mm x 20mm, ISBN 978-3-17-035821-8

Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dieser Methode tut not, insbesondere da die Systemische Therapie die sozialrechtliche Anerkennung bekommen hat. Oft hoffen von Leid betroffene Menschen auf schnelle Hilfe, und leider wurde dieses Verfahren häufig dafür verwendet. Dabei besteht die Gefahr, dass an Symptomen herumkuriert wird, aufrechterhaltende Muster jedoch weiter bestehen. Diese zu ändern erfordert eine Veränderung des Lebensstils und der dahinterstehenden Einstellungen. Dies erfordert Zeit, Eigenaktivität, Umgewöhnung und Übung. Steiner plädiert für ein in einen therapeutischen Prozess integriertes Vorgehen, das Auswirkungen achtsam berücksichtigt. Er beschreibt die Entstehungsgeschichte des Familienstellens, wobei es vor allem um das Verändern verinnerlichter Konzepte (Lebensskript) geht, was ohne Zeit, Achtung und Empathie nicht möglich ist Steiner zeigt Lösungen, die Aussöhnung, Demut und Dankbarkeit erfordern, auf und stellt den Nutzen narrativer Interventionen dar. Weiterhin findet man Anleitungen zur Skript-Diagnostik und kreative Interviews zur Lebensgeschichte.

Die seriöse Form der Aufstellung und ihre Rahmenbedingungen werden konkret erläutert, (Setting, Raum, Teilnehmerzahl, Ablauf) Fallbeispiele zu konkreten Krankheitsbildern wie Ängste, Depression, Süchte, Zwänge, Schizophrenie, Persönlichkeitsstörungen, Essstörungen, ADHS, Autismus, Psychosomatik bis hin zu Inzest, Gewalt und Mord und praktische Anleitungen, wie Workshops konzeptionell aufgebaut werden können, geben einen tiefen Einblick in die Aufstellungsarbeit.

Besonders beachtenswert sind die Kapitel über Fallstricke und Irrwege und darüber, wie Aufstellungsarbeit seriös erlernt werden kann. Problematische Fallstricke können etwa Erschaffen „falscher“ Wirklichkeiten, episches Ausweiten der Aufstellung, Fehler einer durchgängigen Linie, Nebelhaftigkeit, Apodiktisches Dirigieren, dysfunktionale Bündnisse, egozentrisches Ausblenden sowie Mogelpackungen sein. Das seriöse Erlernen dieser Methodik erfordert mit Sicherheit Wissen, Beobachtung, Einüben und Erfahrung.

Getrennte Freunde

Quelle: Pixabay

Ich weiß nicht, was den Geißbock an jenem Tage geritten hat. Stundenlang hat er seinen Freund, den Tiger, gestupst und gestoßen. Vielleicht wollte er nur sagen: “So machen wir das, wir Geißböcke. Wenn wir jemanden mögen, dann kabbeln wir uns mit ihm. Wir messen ein bisschen unsere Kräfte aneinander.” Vielleicht wollte der Tiger nur sagen: “So machen wir das bei den Tigern, wenn ein Junges übermütig wird. Wir weisen ihm seinen Platz zu.” Irgendwann jedenfalls ist der Tiger aufgestanden, hat den Geißbock am Nacken gepackt, ihn ein bisschen geschüttelt und ihn auf die Seite geworfen. Der Geißbock kam in eine Tierklinik, aus der er einige Wochen später geheilt entlassen werden konnte. Und dann? Sollte man den Geißbock zum Tiger zurückbringen? Würde er ihn diesmal fressen? Oder würden die beiden wieder Freunde sein? Die Zooleitung entschied sich, dem Geißbock ein eigenes Gehege zu geben und eine Geiß an seine Seite zu stellen, mit der er noch einige Zicklein zeugte. Vielleicht hat der Geißbock ihnen öfter von seinem Freund, dem Tiger, erzählt. Ich stelle mir vor, dass der Tiger manchmal in lauen Mondnächten an seinen Geißbock dachte und sich fragte, was aus ihm geworden war. Vielleicht haben sich ihre Gedanken irgendwo zwischen den Sternen getroffen. Das Ende ihrer Freundschaft war vielleicht nicht das Ende ihrer Freundschaft.

Die Geschichte kann man Menschen erzählen, die Sehnsucht haben nach einem Partner, von dem sie sich getrennt haben oder der sich von ihnen getrennt hat, vielleicht wegen eines anderen Partners. Die Geschichte nimmt die Verletzung und Gefährdung durch eine traumatisierende Partnerschaft ernst, würdigt, was gut war, erlaubt manchmal mit Sehnsucht an früher zu denken, anerkennt die trennende Verschiedenheit der Partner und stellt bei alledem doch fest, dass die Trennung endgültig und unwiderruflich vollzogen ist (www.schweizerbauer.ch/vermischtes/allerlei/grosse-tierfreundschaft-vor-dem-aus-47296).

Diese Geschichte stammt von Stefan Hammel und ist in dem Buch „Wie der Tiger lieben lernte. 120 Geschichten bei psychischem Trauma“ zu finden. Die Geschichte gehört zum Kapitel „Aussöhnung, Güte, Selbstversöhnung“.