Streichelpädagogik

Beim Weitergehen finde ich ein Schild mit der Aufschrift:

„Man kann in ein Kind nichts hineinprügeln, aber vieles herausstreicheln.“ (Astrid Lindgren)

So viele Türen mit so vielen Botschaften… Sehr gerne möchte ich mich unterhalten mit den Menschen, die dahinter wohnen. Nun frage ich euch: Welche Botschaft könnte an eurer Tür zu lesen sein…?

Das Symptom wegsingen

Neulich hat mir ein Freund die folgende Geschichte erzählt…

„Wir gingen spazieren. Meine Frau Carola hatte einen starken Schluckauf. Ich fing an, im Rhythmus zu unseren Schritten zu singen und bat sie darum, ihren Schluckauf in das Lied einzubringen, indem sie ihn rhythmisch zwischen den Liedzeilen einfügte. Beim ersten Mal kam der Schluckauf genau an der richtigen Stelle. Ich lobte sie und forderte sie auf, so weiter zu machen. Beim zweiten Mal musste ich warten, bis sie ihren Schluckauf eingefügt hatte. Ich bat sie um eine korrekte Beachtung des Taktes. Innerhalb von weniger als einer Minute verschwand der Schluckauf.“

Die Geschichte illustriert eine  Interventionsform aus der systemischen Therapie (wie auch aus der Hypnotherapie Milton Ericksons), die Symptomverschreibung. In diesem Beispiel wird das Symptom nicht nur gefordert, sondern außerdem noch instrumentalisiert und ritualisiert. Dabei wird das zunächst unwillkürlich auftretende Symptom in den Dienst absichtsvollen Handelns gestellt. Weil es nicht möglich ist, einen Schluckauf bewusst zu gestalten, kollabiert das Symptom.

Der Stilleaufzug

Mit einem Tinnituspatienten, den ich zur Zeit begleite, mache ich eine Wahrnehmungsübung. Oder sollte ich eher sagen: Ausblendungsübung? Ich nenne sie den Stilleaufzug. Diese Übung geht so…

Stell dir einmal vor, du stehst vor einem Aufzug der Stille. Das Haus hier hat zehn Stockwerke, und mit jedem Stockwerk, das du höher fährst, wird der Grad der Stille leiser, mit jedem Stock leiser und leiser… Ich weiß nicht, in welchem Stockwerk dieses zehnstöckigen Gebäudes du die Fahrt nach oben in das Reich der Stille gleich beginnst, aber ich bin ganz sicher, dass du es weißt…
Stell dir vor, das ist wie ein innerer Zeichentrickfilm, und in diesem Film geschieht alles, wie du es möchtest, denn dieser Aufzug gehört dir, und du kannst dir dazu alles vorstellen, was dir gefällt. Es ist dein Stilleaufzug, den dein Gehirn produziert, und dein Gehirn gehört dir, und du bist der Produzent dieses Films, den dein Gehirn jetzt für dich exklusiv produziert, und du siehst diesen ganz besonderen Film zum ersten mal, und dieser Film zeigt dir etwas ganz Außergewöhnliches…
Sonst sieht dieser Aufzug ja wie ein normaler Aufzug aus. Aber dann drückst du den Knopf in das nächste Stockwerk. Der Aufzug setzt sich in Bewegung, er kommt wieder zur Ruhe. Schau einmal: In welchem Stockwerk befindest du dich? Bist du schon im Zehnten oder möchtest du vielleicht gerne dorthin? Besichtige doch nun einmal den zehnten Stock. Genau… Du kannst dich dort ganz kurz oder lange aufhalten. Du kannst nur hineinschnuppern oder kannst dich dort in Ruhe umsehen. Und während ein Teil von dir, wenn es möchte, hier noch ein wenig verweilen kann, möchte ich ein anderer Teil von dir auf eine Eigenart dieses Gebäudes aufmerksam machen.
Dieses Haus hat nämlich eine Dachterrasse. Schaue sie dir einmal an! Während du nämlich den Blick von dieser Dachterrasse genießt, bemerkst du etwas sehr Erstaunliches. Dieses Haus hat nämlich in seinen Kellerstockwerken eine besondere Mechanik. Und dieses Haus beginnt sich nun ganz sanft und angenehm abzusenken, so dass die Dachterrasse der Stille bald ebenerdig sein wird, so dass du die Stille des elften Stocks, wenn du aus deinem Traum erwachst, gleich auch auf der ebenen Erde genießen kannst. Und in dieser völligen Stille wirst du genau das in vollkommener Klarheit hören, was auch andere Menschen hören, und einige bestimmte Dinge, die du nicht mehr brauchst, weil andere Menschen sie auch nicht brauchen, die bleiben in dieser vollkommenen Stille, weil du den elften Stock der Stille gleich auch auf ebener Erde haben wirst. Und dein Gehirn wird alles so für dich regeln, wie es am besten für dich ist und äußerst angenehm… Du kommst nun auf der ebenen Erde an. Du verlässt die Plattform und begibst dich auf einen schönen kleinen Rundgang, auf dem sich alles für dich vervollkommnet, so wie du es brauchst.

Eine Hypno-MP3 mit verschiedenen Übungen zum Thema, unter anderem auch dem Stilleaufzug, findet ihr übrigens hier.

Die Ahnungslosen

„Ich habe oft Jugendliche vor mir sitzen, die auf jede Frage, die ich ihnen stelle, antworten: ‚Keine Ahnung‘. Was kann man mit denen machen?“ fragte mich eine Beraterin.

„Erzähle ihnen vom Stamm der Ahnungslosen“, sagte ich. „Sie leben im Dschungel der Unwissenheit und haben echt keine Ahnung. Als sie sich Hütten bauen wollten, haben sie am Anfang Gras genommen. Das hat aber nicht geklappt, dann haben sie Blätter genommen. Danach haben sie es mit Lianen probiert, das war auch nicht so gut. Rindenstücke waren zwar besser, aber auch nicht überzeugend. Sie haben alles mögliche versucht, es war alles nichts. Die Holzhütten haben dann schließlich gehalten. Dann wollten sie sich Kleider machen. Und sie hatten echt keine Ahnung. Sie haben mit Schlamm experimentiert, den sie auf der Haut haben trocknen lassen, und danach mit Büffelmist, den sie zu breiten Fladen ausgerollt haben und nach dem Trocknen um die Hüften gelegt haben. Das war zwar besser, hat aber bei Regen nicht mehr funktioniert. Kleider aus Dornengestrüpp waren auch nicht das Richtige. Irgendwann haben sie dann Flechtröcke und Lederstücke verwendet, von da an ging es besser. Die waren so blöd, die waren echt ahnungslos. Einmal wollten sie ein Boot bauen. Da haben sie Wasserpflanzen verwendet. Auch die Boote aus Stein waren nicht gut. Die Ahnungslosen haben alles Mögliche probiert. Sie waren so ahnungslos, dass sie noch nicht mal ans Aufgeben gedacht haben. Das ist schon eine Leistung. So haben sie halt immer weitergemacht. Irgendwann hat mal einer einen Baum ausgehöhlt. Das hat funktioniert, das haben sie beibehalten. Dann wollten sie Fischen fahren. Erst wollten sie die Fische vergiften, aber das war nicht so gut… und so weiter…

Erzähle den Jugendlichen so lange von den Ahnungslosen, bis sie es überdrüssig werden und von ‚keine Ahnung‘ nichts mehr wissen wollen. Erzähle ihnen so lange, wie die Ahnungslosen ‚keine Ahnung‘ hatten, bis die Jugendlichen zwischen Amüsiertheit und zunehmend genervter Ungeduld schwanken. Dann erzähl ihnen eine Lösung und ziehe die nächste Etappe wieder in die Länge. Nimm dir Zeit. Lass die Ahnungslosen so doof sein, wie es nur geht, und noch viel unfähiger, als die Jugendlichen sich fühlen. Lass sie so bescheuert sein, dass die Jugendlichen nur über sie lächeln können. Die Ahnungslosen sind maximal blöd. Das Gute ist nur, dass sie immer weiter machen und immer Erfolg haben. Wer den Stamm der Ahnungslosen kennt, für den ist, ‚keine Ahnung‘ zu haben, nicht mehr cool und auch nicht mehr egal. Aber es ist auch keine Tragödie. Man kann etwas daraus machen.“

Armdrücken

Manchmal, wenn ich ein Glas mit einem sehr festsitzenden Schraubverschluss zu öffnen habe, stelle ich mir vor, ich sei eine Maschine mit einem speziellen Greifarm, der dafür konstruiert ist, unwiderstehlich alle Gläser zu öffnen. Auf diese Art habe ich die maximale Kraft und den besten Halt am Deckel, gleichzeitig bin ich weitgehend unempfindlich gegen das Druckgefühl und etwaige Schmerzempfindungen. Man kann es natürlich auch übertreiben. Ich erinnere mich an eine Szene aus der Zeit, als ich noch an einer Schule unterrichtete.

„Hol‘ mal den Timo!“ riefen alle Schüler. Bis dahin war das Armdrücken mit meinen Sechstklässlern ein Vergnügen gewesen. Doch Timo, der aus der Parallelklasse herbeigerufen wurde, war von ganz anderer Statur als die übrigen Schüler seines Jahrgangs. Mit freundlichen Augen schaute er mich durch seine dicke Brille an, setzte sich mir gegenüber und hielt mir seine Pranke entgegen. Die Vorstellung, als Lehrer von einem Sechstklässler niedergerungen zu werden, war mir äußerst unangenehm.  Ich fragte mich: War dieser Kampf überhaupt zu gewinnen? Ich wollte nicht unterliegen. Doch hier war sein Arm, es gab kein Entrinnen. Was tun? Ich malte mir aus, mein Arm sei ein großer Stahlwinkel, verschweißt und verschraubt wie die gewaltige Konstruktion einer Bahnhofshalle, deren Dach von großen Stahlträgern zusammen gehalten wird. Ich sah nicht mehr den Arm, ich sah nur noch den Träger, der starr unter seinem Dach die Stellung hielt. Lange, lange Zeit drückte Timo seine Hand gegen den Stahlträger. Als sein Arm schließlich zitterte, ließ ich den Träger ganz langsam kippen und unter der Last eines schweren Gewichtes umstürzen. Das Bahnhofsdach begrub Timos Arm unter sich. Ich hatte gewonnen.

Und während der nächsten drei Wochen hatte ich Zeit, meine Muskelfaserrisse heilen zu lassen.

Aus: Stefan Hammel, Handbuch des therapeutischen Erzählens, Klett-Cotta 2009

Das Zölibat

Es war irgendwann in der Zukunft. Eines Morgens erwachte ein Papst mit einem seltsamen Traum. Im Traum hatte er vor Tausenden von Priestern gesprochen. Aus einer Eingebung heraus hatte er gerufen: „Mit dem heutigen Tag ist das Zölibat aufgehoben. Priester dürfen ab jetzt wieder heiraten.“ Die Priester aber jubelten nicht. Sie schauten ihn an und schwiegen still. Da hörte er hinter sich eine Stimme: „So viele Jahre lang habe ich mir viele Freuden versagt und mein Leben nach der rechten Lehre ausgerichtet. Soll das alles umsonst gewesen sein?“ Er drehte sich um und sah in einen Spiegel. Da hörte er einen Chor von Priestern, die sangen in Psalm und Antiphon: „Soll das umsonst gewesen sein?“ „Bitte nicht, bitte nicht, bitte nicht!“ Später an jenem Morgen traf der Papst einen Kardinal und fragte ihn: „Was würde passieren, wenn ich das Zölibat aufhöbe?“ „Du hättest ein Leben lang vieles umsonst getan und unterlassen. Du wärest umgeben von Menschen, die ein Leben lang vieles umsonst getan und unterlassen haben. Wir müssten unser Leben neu ausrichten. Es gäbe eine Krise. Bedenke, was du tust.“ „Ja“, sagte der Papst, „das ist ein wirklich mutiger Schritt“

Die Geschichte vom Zölibat habe ich gestern im Zusammenhang eines Mannes erwähnt, der eine längere Zeit der Depression durchlitten hatte und sich davon in relativ kurzer Zeit erholt hatte. Ich habe die Geschichte zuerst im „Handbuch des therapeutischen Erzählens“ aufgeschrieben. Als Anwendung für die Geschichten habe ich dort notiert:

Die Therapie von Zwangshandlungen oder Wahnvorstellungen, die für die Biographie eines Menschen bereits prägend sind, weil sie über eine längere Zeit unter Einbeziehung der Familie und der Öffentlichkeit ausgelebt wurden, oder weil sie mit großen Opfern verbunden waren, kann erschwert werden durch die Notwendigkeit, die Vergangenheit  neu zu interpretieren. Es ist eine große Leistung, die Vergangenheit umzuschreiben und persönlich und öffentlich hinter der neu gefundenen Lebensdeutung und Lebensgestaltung zu stehen. Um dem Klienten den Schritt in ein solches neues Leben zu ermöglichen, kann es sinnvoll sein, auf den Preis hinzuweisen, der dafür zu zahlen ist. Zu diesem Preis gehört oft auch die Trauer verpasste Chancen in der Vergangenheit. Wer einen solchen Schritt tut, hat Respekt und Bewunderung verdient.

Vom Problem, ohne Problem zu sein

Gestern hatte ich hier eine Therapiestunde mit einem 19-jährigen jungen Mann, der etwa ein Dreivierteljahr unter Depressionen gelitten hatte und zuletzt zunehmend suizidal gewesen war. Die Therapie war sehr gut verlaufen, wir hatten innerhalb weniger Sitzungen die Depression weitgehend auflösen können. In der gestrigen Therapiestunde, etwa drei Monate bzw. sechs Sitzungen nach dem Höhepunkt der Depression, sagte er: „Mir geht es richtig gut. Allerdings… ich habe eine Sendung gesehen, wo berichtet wurde über Leute, die die Diagnose AIDS bekommen haben und dann nach einem Vierteljahr erfahren haben, dass sie die Krankheit doch nicht haben. Sie haben daraufhin eine Identitätskrise bekommen und richtig Probleme gehabt, mit der neuen Situation fertig zu werden. Sie hatten sich schon so mit ihrer Krankheit identifiziert, dass es schwierig war, sich plötzlich als gesund zu sehen. So ähnlich geht es mir. Ich merke, dass ich ins Schwimmen komme und erst herausfinden muss, wer ich ohne Depression bin.“

Vielleicht hätte ich ihm die Geschichte vom Zölibat erzählen sollen. Ich habe sie für mich behalten und mit ihm vereinbart, dass er das Problem, ohne Problem zu sein ohne mich lösen wird. Wir haben die Therapie beendet. Gerade stelle ich fest, dass ich die Geschichte vom Zölibat hier im Blog noch gar nicht erzählt habe. Ich erzähle sie euch also morgen. Bis dann also…

Bespitzelung?

In diesen Tagen habe ich die folgende E-mail erhalten.

Sehr geehrter Herr Stefan Hammel,

ich habe Sie neulich im Fernsehen gesehen und war sehr beeindruckt von Ihrer Arbeitsweise im therapeutischem Bereich. Da stellt sich mir zunächst erst einmal eine grundlegende Frage. Kann man mit Ihrem Konzept des therapeutischen Vorlesens wirklich alle “ Probleme “ lösen?
Ich habe schon, als Privatperson einiges über therapeutisches Arbeiten bzw. eben solche Konzepte gelesen (…) und an mir selbst erlebt, wie heilsam ( … ) das ein oder andere Buch sein kann.
Aber das Beispiel von welchem ich Ihnen berichten will, kennt sicher  bzw. leider keine Lösung, die sich mit  therapeutischen Büchern auflösen lässt. Und zwar geht es darum, dass ich schon seit einigen Jahren bespitzelt werde und zwar “ 24 Stunden “ am Tag, auch jetzt wo ich gerade diese Mail an Sie schreibe. Ich habe mich auch schon an die Polizei gewand, an den weißen Ring und an andere mehr, aber ohne ersichtliche Beweise, glaubt mir das sowie so kaum jemand ( selbst für mich ist und bleibt es abstrakt, aber wirklich).!!!? Und aus dieser Perspektive, ist es wohl auch nicht zu lösen. (Ich habe der Polizei nur abschließend eins versichert, dass ich es so transparent wie irgend möglich machen werde und davon lasse ich erst ab, wenn sich ein Lösungsansatz ergibt (die die das Tag ein Tag aus und auch in der Nacht für notwendig halten mir (und bestimmt auch anderen in diesem Lande, sind mir in den meisten Fällen wohl bekannt, auch persönlich, Le Bon beschreibt sie in seinem Buch; Massenpsychologie als psychisch kriminelle (ich finde das als sehr milde ausgedrückt ) ) so .

Mit freundlichen Grüßen 🙂

S.K.

Ich habe folgendermaßen geantwortet:

Sehr geehrte Frau S.K.,

wenn Sie bespitzelt werden, kann natürlich kein Psychotherapeut die Bespitzelung unterbinden. Möglich ist es, den Umgang damit zu verändern, also beispielsweise mit Psychotherapie dafür zu sorgen, dass Ihnen die Bespitzelung fast so gleichgültig wird, als fände sie gar nicht statt.
Denn was haben Sie bisher davon, dass Sie sich über die Spitzel aufregen oder beunruhigen – wahrscheinlich weitaus mehr Unannehmlichkeiten, als wenn Sie zwar von ihnen wissen, aber sich nicht mehr für sie interessieren. Zumal Sie den Spitzeln, die wohl daran interessiert sein werden, Sie zu verunsichern, durch größtmögliche Gleichgültigkeit am ehesten „eins auswischen“ können.
Ich schlage Ihnen vor, dass Sie einen Systemischen Therapeuten/in oder Hypnotherapeuten/in (z.B. Verfahren nach Milton Erickson) aufsuchen und ihn / sie darum bitten, Ihnen nicht – wie sicher manche Leute – die Tatsache der Bespitzelung ausreden zu wollen, sondern nur mit Ihnen daran zu arbeiten, dass Ihnen die Spitzel mehr und mehr egal werden. (Gerne können Sie meine Mail dabei mitnehmen, falls der Therapeut an dem Vorschlag interessiert ist.)
Wenn Sie tatsächlich bespitzelt werden, wird das die Spitzel zumindest frustrieren und Ihnen ein leichteres Leben schenken. Sie können denen durch Nicht-beeindruckt sein am ehesten eine Nase drehen.
Und selbst falls diejenigen Leute recht haben sollten, die behaupten, es gäbe keine Bespitzelung, wird das Problem dabei reduziert.

Viele Grüße, Stefan Hammel

Flug- und Brückenphobie

Diese Woche habe ich eine Mail erhalten von einem Klienten, der wegen einer generalisierten Angststörung, wegen einer Brücken- und Flugphobie und der Angst, in fremder Umgebung allein unterwegs zu sein, bei mir in Behandlung war. Wir trafen uns innerhalb einer Woche gleich dreimal für eine Stunde, da er in der folgenden Woche eine weite Autofahrt mit vielen Brücken und im Folgemonat eine Flugreise vor sich hatte. Etwa anderthalb Wochen nach dem letzten Treffen habe ich nun diese Zeilen erhalten, die ich mit seiner Erlaubnis hier weitergebe. Vielleicht dienen Sie ja jemand anderem zur Ermutigung, um an neue Lösungsmöglichkeiten zu glauben und sich auf den Weg zu machen…

Hallo Hr. Hammel,

wie besprochen möchte ich Ihnen gerne ein Feedback geben was meine Ängste betrifft.
Es war auf jeden Fall sehr gut und ich glaube auch wichtig, dass wir uns an dem Samstag vor Pfingsten nochmal getroffen haben. Zumindest kann ich berichten das meine Motorradfahrt nach Koblenz, inklusive Autobahn (ca. 60km und eine halbe Stunde) eigentlich sehr positiv verlaufen ist.
Ich hatte nur 1-2 kurze Momente der Angst, aber weniger panische Angst, sondern eher ein kürzeres, weniger starkes Angstgefühl beim Überfahren einer relativ langen Brücke.
Nach ca. 20 Minuten nur Autobahn und nur Geradeaus überkam mich ein beklemmendes Gefühl. ich hatte „es“ aber jederzeit im Griff und konnte den restlichen Tag genießen.

Insgesamt geht es mir seit den Therapiestunden sehr viel besser, ich habe kaum noch Angst (70-80% weniger als zuvor) und kann mein Leben viel leicher und besser leben.
Meine Phantasie kann ich nun auch endlich besser „steuern“. Nicht sie bestimmt meinen „Film“, sondern ich.

Gelegentlich empfinde ich noch einiges an Negativgedanken, die ich im Moment nicht zu beschreiben weiß. Wahrscheinlich einfach „Unwohlsein“, vor allem morgens nach dem Aufwachen. Was könnte das sein? Vielleicht träume ich schlecht und erinnere mich nicht dran. Eventuell denke ich daran, dass das Leben endlich ist?! – Muss ich mal weiter analysieren.

Vor meinem bevorstehenden Flug habe ich kaum Angst, aber ich würde lügen, wenn ich mich bedingungslos darauf freuen würde. Zumindest hat die Nachricht über das Flugzeug der Air France, das bei Brasilien abgestürzt ist, kaum weitere Angst geschürt.

Ich möchte Ihnen von ganzem Herzen danken für Ihre Hilfe, für Ihre Denkanstösse, für eine aussergewöhnliche Art der Therapie, die ich jedem bedenkenlos weiterempfehlen werde und freue mich über eine Antwort.

Viele Grüße,

K. M.

Dem Löwen ins Auge blicken

Das hier hat mir ein Afrikaner erzählt, Mr. Mniyka aus Kenia.

„Wenn du einem Löwen begegnest“, so erzählte er, „dann musst du ihm unverwandt in die Augen blicken. Ein einziger kurzer Blick zur Seite, eine Zehntel Sekunde nur, und der Löwe greift an. Er springt schneller als du dich bewegen oder reden oder auch nur denken kannst. Darum, wenn du einem Löwen begegnest, dann schau ihm unentwegt in die Augen. Schaue ihn an, schaue ihn einfach nur an, unentwegt – so lange, bis er geht!“

(Hammel, Der Grashalm in der Wüste, S. 76)