Angenommen, du wärst gestorben und fändest vor, dass es dort noch ein anderes Leben gäbe, und dass es da eine Art Himmel und eine Art Hölle gäbe, doch dazwischen noch so viele andere Orte, so viele, wie es Menschen gibt, nur alles ganz anders, als die Bilder aus alter Zeit es uns erzählen…
und angenommen, dieser Himmel und die Hölle und die vielen anderen Orte bestünden aus nichts anderem, als, dass du bist, der du geworden bist und so bleibst, und dass du unentwegt mit der Liebe lebst, die du verbreitet hast, oder auch mit deiner Gleichgültigkeit und deiner Bitterkeit und deinem Zorn…
und angenommen, die ganze Ewigkeit wäre nichts anderes, als dass du in deinem Leben, das du hattest, spazieren gehen könntest und es dir von allen Seiten ganz genau betrachten könntest… oder dürftest… oder müsstest…
und angenommen, du würdest deine ganze Existenz nur damit verbringen, zu bedenken und zu betrachten: wer du warst… wer du wurdest… was du empfingst… und was du gabst…
einmal angenommen, dass es so wäre und du davon wüsstest – was würde das für dein Leben hier und heute bedeuten?
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Webtipp: Schneckenrennen
Zum Thema „Schneckenrennen“ gibt es in diesem Blog ja bereits zwei Beiträge und eine Audiodatei. Das fünfminütige Video „a snail’s dream“aus der Reihe „minuscule“ zeigt, wie man von der schnöden Wirklichkeit zu seiner Vision findet, und wie von der unerreichbaren Vision zur schönen neuen Wirklichkeit. Das Video könnte als Impuls in Coaching und Therapie durchaus nützlich sein, wenn es um Themen geht wie: Erfolg, Geschwindigkeit, Entwicklung und Umsetzung von Visionen. Schaut euch das Video doch einmal an, es ist allerliebst! (Ein weiterer minuscule-Film, bei dem eine Schnecke an einem Rennen teilnimmt, ist hier zu finden.) Reale Schneckenrennen werden übrigens in Heckelberg in der Schweiz veranstaltet. Einzelheiten dazu findet ihr hier.
Ziele
Ziele bestehen darin, dass wir darum kämpfen, etwas zu erreichen. Wir mögen aber den Kampf oft nicht; wir mögen den Sieg. So möchten wir siegen, ohne zu kämpfen. Wir mögen aber im Rückblick auch nicht einen Sieg, ohne gekämpft zu haben; ein solcher Sieg gilt uns nichts. Manchmal wollen wir für ein Ziel wenig leisten, doch viel geleistet haben.
Ohne Ziele kann kein Mensch leben. Wer kein Ziel hat, verfällt.
Balance
„Mit dir zu wippen, ist langweilig“, sagte die Ameise zum Elefanten.
Worte Epikurs I
„Man soll nicht das Vorhandene beschmutzen durch die Begierde nach dem Nichtvorhandenen, sondern bedenken, daß auch das Vorhandene zu dem Wünschenswerten gehörte.“
Gnädig
Wir unterhielten uns über Musik. „Das Ohr ist gnädig“, sagte sie. „Es hört das, was gemeint ist und nicht das, was tatsächlich gespielt wird.“ Die Dame, die das sagte, war Klavierlehrerin. Seit Jahrzehnten unterrichtete sie Schüler und hatte sich ihre Gedanken gemacht, wie Ohr und Gehirn die Musik verarbeiten. „Das Ohr ist gnädig“, wiederholte ich. „Wie meinen Sie das?“ Sie sagte: „Wenn wir als Publikum Musik hören, blenden wir meistens die Fehler aus. Wir hören, was gemeint ist. Was im Bewusstsein ankommt, ist dann die vollkommene Melodie. Die Künstler und die Lehrer achten auf die Fehler, aber das Publikum hört die Musik.“
Ich erzähle diese Geschichte Menschen, die sich selbst oder anderen nicht leicht verzeihen, Perfektionisten der Ästhetik, des Wissens, des Erfolgs und der Moral wie überhaupt Menschen, die auf das Fehlende leichter als auf das Erreichte schauen.
Der Karteischrank
Ich hatte früher in meinem Büro einen Karteischrank mit vielen Schubladen. Als ich meinen Karteischrank kennenlernte, dachte ich zuerst, etwas an ihm sei kaputt: Es war nicht möglich, zwei seiner Schubladen gleichzeitig zu öffnen. War eine Lade herausgezogen, so waren alle anderen verschlossen. Sie ließen sich rütteln, aber öffnen ließen sie sich nicht. So lange, bis die Schublade zurückgeschoben hatte; dann konnte ich eine andere Lade herausziehen.
Wenn ich Menschen begegne, die sich mit vielen Problemen gleichzeitig beschäftigen, mit so vielen Problemen, dass sie sich davon überfordert fühlen, dann bitte ich sie manchmal, sich einen Karteischrank vorzustellen. Ich bitte sie, die oberste Schublade zu öffnen, das erste Problem hineinzulegen, sich den Inhalt noch einmal anzuschauen, die Lade mit einem Etikett zu versehen und sie wieder zu verschließen. Ebenso bitte ich sie mit den weiteren Problemen und den übrigen Schubladen umzugehen. Ich sage ihnen: „Sie können den Schrank nun geschlossen halten und werden ihre Probleme, wenn sie sie geordnet angehen wollen darin wiederfinden. Sie werden aber nicht alle Schubladen gleichzeitig öffnen können, sondern nur eine auf einmal. Sollten Sie mehrere Probleme gleichzeitig behandeln wollen, müssen Sie den Inhalt einer Schublade für eine kurze Zeit herausnehmen und ihn später wieder hineinlegen. In den meisten Fällen bewährt es sich aber, die Dinge in den Schubladen zu lassen, in die sie hineingehören. So haben Sie Ordnung und können sich auch den Dingen zuwenden, die Ihnen mehr Spaß machen und Ihnen Kraft geben.“
Der Duft des Brotes
„Frau“, sprach der Bäcker, „ich werde älter und meine Kräfte lassen nach. Ein Leben lang habe ich Brot für dieses Dorf gebacken. Ja, von weither sind die Leute gekommen, um meine Brötchen zu kaufen. Wenn jetzt der Tag kommt, dass ich die Teigschüssel aus der Hand legen muss, wer wird dann das Geschäft weiterführen?“ Die beiden hatten keine Kinder. „Geh hin“, sprach die Frau, „such dir einen jungen Mann, der dir zur Hand geht, und den du alles lehren kannst von deiner Kunst. Wenn du alt bist und nicht mehr arbeiten kannst, soll er den Laden weiterführen und du sollst stolz auf ihn sein wie auf einen Sohn.“ Der Bäcker ließ also in den umliegenden Dörfern verbreiten, er suche jemand, der gerne Brot bäckt und der dieses Handwerk bei ihm lernen möchte. In den kommenden Tagen stellten sich bei ihm vier junge Männer vor, und er hatte die Qual der Wahl. Und da ihm die Entscheidung schwer wurde, ging er zu seiner Frau und fragte sie. Sie sagte: „Hol alle noch einmal her. Ich will dir sagen, welchen du nehmen sollst.“ Weiterlesen
Brombeeren pflücken
Als Kind half ich oft meinen Eltern im Garten. Ich erinnere mich, wie mein Vater mich anwies, Brombeeren zu ernten: „Nimm eine Brombeere in die Hand und zupfe ein bisschen daran. Nicht fest, nur ganz leicht. Wenn sie reif ist, fällt sie dir von selbst in die Hand. Wenn sie nicht von selbst abgeht, lass sie los. Sie schmeckt noch sauer.“
Die Brombeeren-Geschichte erzähle ich Menschen, die wegen einer anstehenden Entscheidung hin- und hergerissen sind: Eine Partnerschaft zu beginnen, eine berufliche Veränderung anzugehen oder sonst etwas Neues anzufangen. Oder Leuten, die mit aller Kraft etwas erreichen wollen, was nicht – oder nicht allein – in ihrer Macht steht.
Die Geschichte von den Brombeeren stammt aus dem Buch „Der Grashalm in der Wüste“ (S. 64). Sie findet sich auch im Hörbuch „Der Grashalm in der Wüste – Die Taggeschichten.“ Eine Audiodatei der Brombeerengeschichte aus dem Hörbuch ist hier kostenlos downloadbar.
Sprechende Namen
Viele Menschen, die einen sprechenden Nachnamen haben, machen aus dem Namen ein Lebenskonzept. Das geschieht wohl oft unbewusst. In der Beratung kann es Sinn machen, zu überlegen, wie man einen Namen ressourcenorientiert deutet, wie man seine Chancen nutzt bzw. naheliegende Risiken seiner Deutung vermeidet. (Ich heiße zum Beispiel Hammel und hielt mich früher für ungeschickt.)
Um das Phänomen zu illustrieren: Meine Tante namens Hammel hat einen Mann namens Schäfer geheiratet. Eine Frau namens Nagel hat einen Mann namens Hammer geheiratet. Des weiteren stieß ich auf folgende Personen, die ihren Namen in ihre Biographie verwoben haben:
Brillen Brill, Buchhandlung Bücher, Bestattungsinstitut Drangsal, Schuhhaus Schug, zahlreiche Fachgeschäfte der Familie Profit, die Zahnärzte Dr. Bohr, Dr. Fleischer, Dr. Weh und Dr. Reißer, die Gynäkologen Dr. Rohr, Dr. Bitsch, Dr. Decker und Dr. Stierle, den Urologen Dr. Rüssel, die Chirurgen Weiterlesen