Auf einem Parkplatz am Fluss übte ein Fahrlehrer mit seinem Schüler das Einparken. Der Fahrschüler stieß zurück, gab kräftig Gas – und Augenblicke später fanden sich beide auf dem Grund des Flusses wieder. „Ruhig bleiben!“ sagte der Lehrer. „Lass die Tür zu! Schnall dich ab! Drehe das Fenster nur ein ganz kleines bisschen herunter, so dass bloß wenig Wasser auf einmal hereinkommt!“ Langsam füllte sich die Fahrerkabine mit Wasser, während die beiden Menschen am Grund des Flusses warteten. Als ihnen das Wasser bis zum Hals stand, sagte der Lehrer: „Jetzt öffnen wir die Tür und schwimmen nach oben!“ Die Rettung gelang – Lehrer und Schüler überlebten.
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Von Oase zu Oase
Wenn die Beduinen auf ihren Kamelen von Oase zu Oase ziehen, dann freuen sie sich beim Aufbruch von einem grünen Ort schon auf die Ankunft beim nächsten grünen Flecken. Ein europäischer Reisender wurde einmal an einem Treffpunkt zwischen zwei Oasen zu ihnen gebracht. Er reiste einige Tage mit ihnen. Der Europäer ritt von Wüste zu Wüste und durchquerte auf dem Weg gelegentlich eine Oase. Ihn begleiteten die Sehnsucht nach Schatten und Wasser. Er bewunderte die Beduinen. Sie reiten von Oase zu Oase. Gelassenheit zeichnet sie aus. Die Freude auf die nächste Oase ist ihre stete Begleiterin auf dem Weg durch die Wüste.
Der Nagel
Als der Umzug bewältigt ist, schaue ich noch einmal zum Abschied durch all die leeren Räume. Im Schlafzimmer bleibe ich stehen und stutze. Da, wo vorher das Kopfende des Bettes gewesen ist, da starrt mich tatsächlich aus der Wand ein Nagel an. So will ich die Wohnung nicht übergeben. Den Nagel will ich schon entfernen. Doch die Wohnung ist leer, und ich habe keine Zange zur Hand. Ich gehe hin und ziehe an dem Nagel. Nichts geschieht. Ich rüttele daran. Nichts geschieht. Wirklich gar nichts? Zumindest scheinbar nichts. In meinem Kopf nämlich geschieht etwas: Ich beginne darüber nachzudenken, wie lange ich an diesem Nagel würde rütteln müssen, bis er, anstatt nach vorne, sich immerhin seitwärts bewegen würde. Tage, Monate, Jahre? So lange nicht! Ich tue nun so, als ob ich diesen Nagel seitlich bewegte, hin und her, hin und her. Ich brauche eine ganze Weile, eine Viertelstunde ungefähr. Dann meine ich eine kleine seitliche Veränderung wahrzunehmen. Nach einer weiteren Viertelstunde des seitlichen Bewegens bewegt sich der Nagel ganz deutlich zur Seite. Nach einer weiteren Viertelstunde macht er seinen ersten kleinen Ruck nach vorne. Nach einer Stunde habe ich ihn in der Hand. Er ist draußen. Ich nehme Spachtelmasse und verschließe das Loch.
Die Geschichte erzähle ich, um langjährige chronische körperliche, seelische oder soziale Symptome anzulösen. Sie dient dazu, selbst Nicht-Veränderung bzw. mikroskopische, noch nicht wahrnehmbare Verändrungen als den Beginn einer größeren Veränderung plausibel zu machen, die Zähigkeit der Klienten im Trainieren und Erhoffen von Veränderung zu erhöhen. Die Geschichte ist beispielsweise nützlich in der Schlaganfalltherapie und in der Therapie von Migräne.
Zwei Wege
Ganz plötzlich war es gekommen. Taub und pelzig fühlte sich die rechte Hälfte ihres Körpers an. Anna ging zum Arzt. Der runzelte zunächst die Stirn und sagte gar nichts. „Verdacht auf MS“ war sein Ergebnis, als er die Untersuchungen abgeschlossen hatte. Im Krankenhaus erhielt sie Cortison. Einige Wochen später traten Schwindelanfälle auf. Nochmals einige Monate darauf wurde ihre linke Körperhälfte taub, wie zuvor schon die rechte. Wieder einige Monate später begann sie verschwommen zu sehen. Als blickte sie durch eine Milchglasscheibe, sah sie Menschen und Gegenstände. Der Arzt sah die Diagnose bestätigt. Wie in einem Traum nahm sie ihren Behindertenausweis in Empfang. „50 %“ stand darauf. Fürs erste, dachte sie. „Die Kraft der Gedanken“ hieß der Vortrag, von dem Anna später erzählte. Um Krankheit ging es darin nicht. Es ging vielmehr darum, sich seine Wünsche für die Zukunft bildlich und anschaulich vorzustellen, und zwar als einen schon erreichten Endzustand. Intensiv sollte sie spüren, wie sich dieser Zustand anfühlte. Sie sah sich auf einer Wiese, unbeschwert und glücklich. Sie bewegte sich frei und fühlte sich leicht. Sie spürte eine ungeheure Energie. Sie war davon so aufgewühlt, dass sie heftig weinte – und doch war für sie das Erlebnis befreiend. Jeden Tag stellte sie sich nun vor, wie sie dann aussähe, was sie tun würde und wie sie sich selbst spüren würde. Sie richtete ihre Aufmerksamkeit auf diese glückliche Zukunft. Sie trennte sich von allem, wovon sie fand, dass es nicht dazu passte. Viel genauer als früher nahm sie wahr, was sie stärkte und was ihrer Seele die Kraft rauben wollte. Sie richtete ihr ganzes Leben nach dem aus, was sie stärkte. Nach einiger Zeit konnte sie die Medikamente absetzen. Neun Jahre ist dies her. Die Symptome sind verschwunden und nicht wiedergekehrt.
Thomas lebt in der Schweiz. „Diagnose MS“ haben die Ärzte gesagt. Mit Mentaltraining und Selbsthypnose hat er sich länger befasst. Er hat sich anschaulich vorgestellt, wie es wäre, gesund zu sein und hat es, so gut es ging, gefühlt. Weitere Schübe kamen und immer wieder weitere. Er sieht vor sich einen einzigen Weg. Es ist sein Weg. Er lernt, seine Seele stark zu machen für das, was kommt. Er lernt, einen Alltag zu bestehen, der härter ist als der aller Menschen, die er kennt. Er lernt, aufrecht zu sein, obwohl er liegt. Er lernt Würde zu leben, obwohl ihn andere bemitleiden. Er lernt Kraft zu spüren, obwohl sein Körper schwach ist. Er lernt aus einer Energie zu leben, die viele Gesunde nicht kennen.
Aus: S.Hammel, Der Grashalm in der Wüste, S. 58f.
Anna ist mir persönlich bekannt, Thomas ein Freund einer Freundin.
Das Unterrichtsfach „Glück“
An der Heidelberger Willy-Hellpach-Schule wird jetzt erstmals das Unterrichtsfach „Glück“ angeboten.
Der Schulleiter, Ernst Fritz-Schubert, hat das Unterrichtsfach erfunden und mit einer Arbeitsgruppe ein Unterrichtskonzept entworfen. Er hat das Kultusministerium Baden-Württemberg überzeugt, das aber lieber konservativ von „Lebenskompetenz“ spricht, statt von „Glück“. Das Fach wird sowohl an der zweijährigen Berufsfachschule als auch am Wirtschaftsgymnasium angeboten. Das Interesse am Unterrichtsfach „Glück“ ist groß, mehr als 50 Schüler und Schülerinnen haben sich bereits angemeldet. Der Lehrplan greift weit in die Abenteuer des Alltags hinein. Es geht um Sinnfindung, um Gesellschaft, Gemeinschaft und Umwelt, um Esskultur, Erfahrung der Leistungsgrenzen, Gruppenerlebnisse und Körpersprache. Der Unterricht des Fachs „Glück“ gestaltet sich anders als ein herkömmliches Fach. Es wird Theater gespielt, Betriebe werden besichtigt, Konzentrations- und Bewegungsübungen gelernt und Wunder am Wegesrand entdeckt. Schauspieler, Systemtherapeuten und Motivationstrainer gestalten den Unterricht mit. Mit einfachen Übungen werden die positiven Emotionen der Schüler verstärkt: Zwei Schüler sitzen Rücken an Rücken. Der eine nennt eine schlechte Eigenschaft an sich selbst, der andere soll sie positiv umformulieren. Zum Beispiel: „Ich bin faul.“ – „Du denkst an dich.“ Oder: „Ich trainiere nicht den linken Fuß“ – „Du hast einen starken rechten.“
„Es ist unser Ziel, starke, zuversichtliche Persönlichkeiten zu formen. Dazu gehört die Fähigkeit, sich zu freuen, zu reflektieren und sich wohlzufühlen, körperlich wie seelisch“, so Schubert. Die Botschaft lautet also: Glück ist erlernbar!
Quellen: www.ichp.de, www.whs.hd.bw.schule.de
Erickson-Geschichten IX
Erickson erzählt: Eine Patientin sagte zu mir: „Ich bin sehr neurotisch, aber ich kann weder mit Ihnen noch mit einem anderen sprechen. Ich kenne Sie durch einige Freunde, die Ihre Patienten sind. Ich habe nicht den Mut, Ihnen zu erzählen, worin mein Problem liegt. Wollen Sie mein Therapeut sein?“ Ich sagte: „Ja, wenn ich es irgendwie kann.“ Sie sagte: „Also, ich werde es folgendermaßen machen. Abends gegen elf Uhr werde ich rüberkommen und in Ihrer Auffahrt parken und mir vorstellen, Sie säßen bei mir im Wagen. Dann werde ich mein Problem durchdenken.“ Sie bezahlte für zwei Sitzungen. Ich weiß nicht, wie viele Nächte sie dort bis ungefähr vier Uhr verbrachte und in meiner Auffahrt an ihrem Problem arbeitete. Sie löste es und bezahlte mich nur für die zwei ersten Sitzungen. Sie erzählet mir: „Ich habe mein Problem bewältigt. Wenn Sie möchten, werde ich mich an den experimentellen Arbeiten bei Ihnen beteiligen.“ Und Linn Cooper und ich setzten sie bei Experimenten mit Zeitverschiebungen in Hypnose ein. Tatsächlich bezahlte sie also durch die uns zur Verfügung gestellte Zeit. Und ich schlug ihr vor, die Trance zu ihrem Vorteil zu nutzen, wenn Linn Cooper und ich mit ihr an Zeitverschiebungen arbeiteten. Wir waren zufrieden. Wir bekamen, was wir wollten. Ich glaube, auch sie bekam alles, was sie wollte. (Rosen, S. 106f.)
Bürgerkrieg und Bürgerfrieden
Diese Geschichte erzähle ich vorwiegend in der Therapie bei Allergien, Entzündungen und Autoimmunerkrankungen.
In Pampelonien gab es einstmals einen Bürgerkrieg. Und das kam so: Eines Abends hörten die Wächter auf der königlichen Burg Schüsse aus der Ferne. Am Horizont im Westen sahen sie eine Rauchsäule aufsteigen. „Revolution!“ riefen sie. „Das Land ist in Gefahr!“ Eine Einheit der königlichen Armee bewaffnete sich, sattelte ihre Pferde und ritt los. Sie folgten der Richtung der Rauchsäule. Der Weg führte sie in einen großen, tiefen Wald. Es war schon dunkel, als sie in der Gegend eintrafen, wo die Schüsse ertönt waren. Schließlich sahen sie auf einer Waldlichtung Weiterlesen
Erickson-Geschichten VII
Erickson erzählt: Ein Mann aus Philadelphia, dessen Kopfschmerzen ich geheilt hatte, schickte seine Tante und seinen Onkel zu mir. Er sagte: „Diese beiden haben sich an jedem Tag ihrer Ehe gestritten. Sie sind seit über dreißig Jahren verheiratet.“ Sie suchten mich auf, und ich sagte: „Habt ihr nicht genug vom Streit? Warum fangt ihr nicht an, das Leben zu genießen?“ Und sie hatten ein sehr angenehmes Leben. Und die Tante des Mannes versuchte, ihre Schwester zum Kommen zu überreden, da sie – die Mutter des Mannes – sehr unglücklich war. (Rosen, S. 65)
Erickson-Geschichten VI
Erickson erzählt: Ein Bauarbeiter stürzte aus dem 40. Stockwerk, und bis auf seine Arme war er am ganzen Körper gelähmt. Für immer. Für das ganze Leben. Er wollte wissen, was er in seiner schmerzlichen Situation tun könne. Ich sagte: „Viel ist es nicht, was Sie tun können. Sie können Schwielen an Ihren Schmerznerven entwickeln. Auf diese Weise werden Sie den Schmerz nicht so stark empfinden. Ihr Leben wird Ihnen nun sehr langweilig erscheinen. Lassen Sie sich daher von Ihren Freunden Cartoons mitbringen und Comics. Die Krankenschwester soll Ihnen Klebstoff und eine Schere geben. Machen Sie dann Alben aus den Cartoons, Witzen und komischen Aussprüchen. Sie können wirklich sehr viel Spaß dabei haben, wenn Sie solche Alben zusammenstellen. Jedesmal, wenn einer Ihrer Kollegen im Krankenhaus landet, schicken Sie ihm ein Album.“ Und so fertigte er ich weiß nicht wie viele hundert Alben an. (Rosen, 218)
Erickson-Geschichten IV
Erickson erzählt: Als meine Tochter Kristi Medizin studierte, las sie einen Aufsatz von Ernest Rossi und mir über Doppelbindung. Sie kam zu uns und sagte: „Also, so mache ich es!“ Rossi fragte: „Was machst du so?“ Sie sagte: „Jeder Patient hat das Recht, Bruchuntersuchungen und vaginale oder rektale Untersuchungen durch einen Medizinstudenten zu verweigern. Keine von den anderen Studentinnen hat solche Untersuchungen gemacht, aber ich habe bei jedem meiner Patienten eine Bruchuntersuchung sowie eine vaginale oder rektale Untersuchung durchgeführt.“ Ich fragte sie, wie sie das mache, da doch alle Patienten das Recht hätten, diese Untersuchungen zu verweigern. Sie sagte: „Wenn ich zu diesem Teil der Untersuchung kamm, lächelte ich freundlich und sagte sehr mitfühlend: ‚Ich weiß, Sie haben es satt, dass ich Ihnen in die Augen sehe und in die Ohren und in die Nase und in den Hals, Sie hier betaste und dort abklopfe. Sobald ich jetzt die rektale Untersuchung und die Bruchuntersuchung durchgeführt habe, können Sie mir Auf Wiedersehen sagen.‘ “ Und alle warteten geduldig, bis sie ihr Auf Wiedersehen sagen konnten. (Rosen, 107f.)