Geschichten in der Kindertherapie

Gestern hat mich eine Kollegin in einem Forum mit Blick auf Geschichten in der Therapie mit Kindern gefragt: „Wie gehen Sie vor? Die Geschichten werden einfach erzählt, resp. vorgelesen und nicht kommentiert?“ Ich hab das mal so beantwortet:

Wenn die Geschichte gut zur Situation passt, kann sie einfach unkommentiert erzählt oder vorgelesen werden. Die Geschichte sollte analog zum Problem des Kindes strukturiert sein und metaphorisch oder beispielhaft eine erfolgreiche Lösung (Lösungsart, Lösungsstruktur) anbieten. Die Analogie zum Problem und das bereits bestehende Beratungssetting (das Kind weiß: wir sind hier zur Beratung wegen Problem XY) sorgen dafür, dass die Geschichte vom Unbewussten als Lösung identifiziert wird. Darum ist kein Kommentar nötig, der Kontext ist der Kommentar.

Weiterlesen

Das Ziel hinterm Ziel

„Wenn ich eine Aufgabe fast zu Ende gebracht habe“, so hat mir am Samstag jemand erzählt, „dann lässt mein Interesse nach, und das letzte bisschen bleibt lange fast-fertig liegen.“

„Ich bin einmal morgens aufgewacht mit einer Magen-Darm-Grippe“, habe ich gesagt. „Mir war schlecht, und wahrscheinlich müsste ich mich irgendwann übergeben. Solange ich im Bett lag, war relative Ruhe. Als ich mich dann entschloss, zur Toilette zu gehen, musste ich laufen, weil es schneller herannahte, und je schneller ich lief, desto schneller kam es. Ich machte einen Wettlauf mit der Übelkeit, und die Übelkeit gewann. Eine Stunde später war es wieder soweit. Um das Debakel vom vorigen Mal zu vermeiden, malte ich mir aus, die Toilette sei zehn Meter hinter ihrem eigentlichen Ort und ging betont langsam. Als ich ankam, hatte ich noch Zeit übrig.

Ein Karatekünstler, der einen Ziegelstein durchschlägt, wird sich vorstellen, der Stein sei hinter dem Ort, wo er ihn sieht; und ein Läufer wird gut daran tun, sein persönliches Ziel hinter der Ziellinie anzusetzen, damit er die Linie mit der größtmöglichen Geschwindigkeit durchläuft.“

Der Archivar

Sucht ihr manchmal nach einem Namen, und er fällt euch nicht ein? Und dann tut ihr irgendetwas anderes und denkt gar nicht mehr daran, und plötzlich – Poff! – habt ihr den Namen! Ohne dass ihr gerade daran dachtet… Ist es nicht seltsam, dass man die Lösung beim Suchen nicht findet, nach dem Suchen aber wohl? Wie kann denn das sein? Es gibt nur eine Antwort… Weiterlesen

Schlafapnoe

Jemand fragte mich nach Schlafapnoe. Ich habe ihm gesagt: So bin ich sie losgeworden…

Dem Stillstand des Atems gingen bei mir schwache Atmer voraus. Diese habe ich mit mir als Signal (Anker) vereinbart für tiefes Atmen. Möglich wäre jedes beliebige andere „erste Anzeichen“. Ich habe mit mir vor dem Einschlafen abgesprochen: Immer wenn der Atem schwach wird, ist das mein Signal, um einmal tief durchzuatmen und danach normal weiter zu atmen. Das hat ab der ersten Nacht funktioniert. Jetzt werde ich manchmal davon wach, dass ich nach einigen schwachen Atemzügen sehr tief atme. Ich lobe mich und schlafe weiter. Weiterlesen

Prüfungsvorbereitung

Hier ist eine Geschichte für Leute, die eine Prüfung vor sich haben.

Um sich auf eine wichtige Examensprüfung vorzubereiten, hatte ein Mensch fünf Monate Zeit. Er wusste, dass die meisten anderen Studenten sich für die selbe Arbeit ein bis anderthalb Jahre vorbereiteten. Ein großer Teil der Studenten fiel dennoch immer wieder durch und musste die Prüfung wiederholen. Wie sollte er diese Arbeit in so kurzer Zeit bewältigen? Weiterlesen

Wie finde ich eine passende Geschichte II

Noch eine E-mail, die mich beschäftigt hat. Letzte Woche hat mir eine Kollegin geschrieben:

Könnten Sie mir vielleicht mit einer Geschichte persönlich auf die Sprünge helfen, meine Scheu zu überwinden, Geschichten in die Therapie mit einzubauen? Als meine Tochter klein war, hat sie mir drei Dinge genannt, aus denen ich dann ad hoc (im Erzählen) Geschichten erfand: langweilige, interessante, lustige, traurige… Als Therapeutin habe ich da irgendwie eine Blockade.

Woran hängt’s? Ich glaube ja, wir erzählen den ganzen Tag Geschichten, langweilige, interessante, lustige, traurige, und wir merken es gar nicht. Weiterlesen

Schuppen

Gestern bat mich jemand: „Hypnotisiere mich doch einmal gegen Schuppen.“ Nach einer kurzen Tranceinduktion erzählte ich ihm die folgende Geschichte:

Ich bin in einer afrikanischen Trommelgruppe. Der Leiter, ein Kongolese, übte mit uns ein Trommelstück ein, das am Ende immer leiser und leiser wird, bis die Musik schließlich ganz verstummt. Am Schluss lag seine Hand regungslos auf der Trommel. Ohne einen Laut hob er sie auf. Wir taten es ihm nach. Bei jedem von uns gab es ein deutlich hörbares Schmatzen vom Schweiß und Fett auf der Handfläche. Immer wieder probierten wir es, Weiterlesen

Sozialgeräusche

Diese Kollegin fragte also, „Gib mir mal eine Geschichte für Leute vom Werksdienst, die genervt sind von Besuchern, die sie beleidigen und beschimpfen, nur weil sie nicht in die gesperrten Bereiche gelassen werden.“ Ich war gerade im Schuhgeschäft, als sie anrief, und ich sagte: „Ich ruf dich gleich zurück…“ Als ich meine Schuhe gekauft hatte, erklärte die Kollegin: „Ich weiß schon, was ich ihnen sage. Ich erzähle ihnen ‚Was man hört‘ (Stefan Hammel, Der Grashalm in der Wüste, S. 29).“ Ich sagte: „Das ist gut. Ich schlage dir noch Folgendes vor. Erzähle den Leuten vom Werksdienst, dass es in der Natur ja vielfältige interessante Geräusche gibt, zum Beispiel das Schnauben von Wasserbüffeln an einem Flussufer, das Grunzen von Warzenschweinen, die an einem Gestrüpp reiben, Weiterlesen

Was ist Hypnotherapie?

„Das ist aber nicht mit Hypnose, oder so?“, hat mich neulich wieder jemand gefragt, nachdem ich sagte: „Ich bin Hypnotherapeut.“ „Ja, so richtig mit Hypnose?“, fragen andere. Wieder andere fragen: „Machst du auch Rückführungen?“, und meinen, dass ich jemanden in ein früheres Leben zurückführen könnte. „Nein, das mache ich nicht“, sage ich, und ich beginne, zu erklären:

Mit Hypnotherapie werden Therapieformen zusammengefasst, die das vorhandene Wissen über die Wirkung von Trance und Suggestionen therapeutisch nutzen. Man will Heilungs-, Such- und Lernprozesse fördern. Dazu wird entweder Hypnose im mehr formalen Sinn praktiziert Weiterlesen

Wecker mit Schlummertaste

Jemand hat gefragt, was man einem siebenjährigen Mädchen erzählen soll, das Angst vor der Narkose habe, vor dem Zu-früh-erwachen und auch vor dem Nicht-mehr-erwachen.

Mein Vorschlag ist, dem Mädchen folgende Geschichte zu erzählen:

„Mein Körper hat einen inneren Wecker“, erzählte mir ein Mädchen, das ich kenne. „Ich sage mir immer vor dem Einschlafen: Morgen früh wache ich um Zehn vor sieben auf, und dann wache ich genau um Zehn vor sieben. Allerdings, neulich bin ich, um Zehn vor sieben aufgewacht und nicht gleich aufgestanden. Dann bin ich noch einmal eingeschlafen und habe die erste Schulstunde verschlafen. Ich wache zwar dann auf, wenn ich es mir vornehme, aber wenn ich dann wieder einschlafe, verschlafe ich komplett.“ „Das kann mir nicht passieren“, sagte ihre große Schwester, die ihr zuhörte. „Mein innerer Wecker hat eine Schlummertaste. Ich sage mir vor dem Einschlafen: Morgen früh wache ich genau um Zehn nach Sechs auf und danach alle fünf Minuten wieder. Und ich wache genau so auf, wie ich es mir vornehme – und dann weiter so, genau wie ich es mir vor dem Einschlafen vorgenommen habe.“ „Daran sieht man“, sagte ihre Mutter, dass der Kopf sogar im Schlaf weiß, was er zu tun hat, und genau das richtige tut.“