„Die Würde des Menschen ist unantastbar“, so heißt es in den ersten Worten des Grundgesetzes. Unscharf bleibt, ob gemeint ist, sie dürfe nicht angetastet werden, oder sie könne gar nicht angetastet werden, denn sie bleibe im Innersten eines Menschen unversehrt erhalten, egal, was er erlebt. Würde als etwas dem Menschen Innewohnendes, von Menschen nicht Entziehbares, ist ein versteckt theologischer Begriff.
Der Begriff hat einen Vorläufer in dem jüdischen und später christlichen und muslimischen Gedanken, der Mensch sei als „Gottes Ebenbild“ geschaffen, als ein Abbild der Schöpferkraft, der Heiligkeit, Ehrwürdigkeit und auch der erschütternden Macht des Großen, Ganzen, aus dem alles geworden ist.
Wenn wir behaupten, dass jeder Mensch, weil er Mensch ist, eine unverlierbare Würde hat, fordert das von uns, dass wir jedem Menschen Respekt entgegenbringen. Gleich, wie sehr uns ein Mensch als Täter oder auch als Opfer entgegentritt, hat er einen Anspruch auf Achtung und Wertschätzung. Wenn es uns nicht gelingt, ihm diese entgegenzubringen, betrachten wir das als unsere Grenze, und nicht als Begrenzung seiner Person.
Jeden Menschen unter dem Blickwinkel seiner Würde zu sehen und ihm Achtung entgegenzubringen, bedeutet, dass wir die Menschen unter dem Blickwinkel sehen, welches gute Potential in ihnen auf seine Entfaltung wartet – vielleicht jetzt noch verschüttet und versteckt – und welche Vision es für ihre Entwicklung gibt. Weiterlesen