Wertvolle Beratung: Liebe

„Liebe kann vieles heißen – von Diakonie bis Puff.“ So hörte ich einen Pfarrer vor einiger Zeit sagen. Recht hat er: Es ist ein arg geschundenes Wort, und äußerst ungenau zudem. Bei der Diskussion der Frage, welche Werte ein guter Therapeut oder eine gute Therapeutin für die Arbeit mit den Klienten benötigt, möchte ich diesen Begriff trotzdem an die erste Stelle setzen. In der Kirche wird von Nächstenliebe gesprochen. Ich nenne es Liebe zu den Menschen, mit denen wir es zu tun haben, und Sorgfalt im Umgang mit ihren Anliegen.

Ich habe den Eindruck, dass für Psychotherapeuten ein fachkundiger, sachkundiger Umgang mit Störungsbildern (Krankheiten, problema-tischen Mustern) von Klienten im Vordergrund steht. Ich denke zwar, dass Sachkompetenz sehr wichtig ist, meine aber auch, dass jeder Mensch ein Individuum ist und es darum einen sachgerechten Umgang mit Menschen und ihren Problemen nicht gibt. Ich denke, dass Liebe zu Menschen die Hälfte von guter Psychotherapie ausmacht. Weiterlesen

Wertvolle Beratung

„Die Einstellungen, die für die Therapie wichtig sind, lassen sich nur mit Worten ausdrücken, die leider außer Gebrauch gekommen sind und für viele Leute eher mit der Kirche in Verbindung gebracht werden“ – so äußerte sich vor Jahren der Therapeut Gunthard Weber bei einem Gespräch auf einem Kongress. Ich überlegte mir, an welche Wertbegriffe er wohl dachte, die für die Therapie so wichtig seien und die – halb vergessen und halb verkirchlicht – es wert seien, für die Beratung wieder neu entdeckt zu werden. Ich weiß nicht, welche Werte Gunthard Weber hier nennen würde. Ich möchte aber in den folgenden Artikeln meine eigenen Vorschläge dazu unterbreiten. Bis dahin bitte ich euch, liebe Leser, euch eure eigenen Gedanken zu machen: Welchen kurzen Begriffe beschreiben die Haltungen des Therapeuten oder der Therapeutin, die die Beratung für die Klienten wertvoll machen?

Gesagt – getan?

Im Büro einer Freundin las ich vor vielen Jahren einen Spruch, der mir nicht mehr aus dem Kopf ging, obwohl ich mir den genauen Wortlaut gar nicht hatte merken können. Seinem Sinn nach aber beschäftigte mich der Spruch weiter. Wir hatten beide pädagogisch mit Kindern und Jugendlichen zu tun. Uns beschäftigte, was wir als lehrende oder begleitende Personen dazu beitragen können, dass sich Menschen gut entwickeln. Heute habe ich die Worte in einer Notiz aus früheren Jahren wiedergefunden. Sie lauten so:

Gesagt ist noch nicht gehört.
Gehört ist noch nicht verstanden.
Verstanden ist noch nicht akzeptiert.
Akzeptiert ist noch nicht gewollt.
Gewollt ist noch nicht getan.
Getan ist noch nicht beibehalten.

Webtipp: Die Anstalt der Kuscheltiere

Ein schönes psychotherapeutisches Spiel, bei dem auch Hypnose zur Anwendung kommt, ist „Die Anstalt der Kuscheltiere“ auf der Seite von „Paraplüsch“. Bei dem Spiel geht es darum, von ihren Besitzern traumatisierte Plüschtiere zu therapieren. Dazu wird ein aufdeckender Ansatz gewählt. Wenn die Spieler den Tieren eine geeignete Therapie anbieten, können diese immer mehr bisher verdrängte traumatische Erinnerungen zulassen und verarbeiten. Am Ende sind Ursprung und Wirkung ihrer posttraumatischen Belastungsstörung geklärt, und die Tiere können dank dem Engagement der Spieler wieder ein normales Leben führen. Das Spiel orientiert sich an einem freudianisch-psychoanalytischen und methodisch integrativen Ansatz. Das Wichtigste aber ist: Es macht Spaß! Vielen Dank an meine Kollegin Alexandra Spitzbarth, die mich auf dieses Spiel hingewiesen hat!

Privatpraxis-Gründungs-Seminar in Bingen

In Bingen halte ich am 20. Mai 2009 mit zwei Kollegen (ein Arzt und ein Steuerberater und Betriebswirt) einen Workshop für Ärzte zu der Frage: „Wie gründe ich eine erfolgreiche Privatpraxis?“ Das eintägige Seminar ist ein Vor-Kongress-Workshop zur Jahrestagung des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte (DZVhÄ). Der Workshop ist auch für externe Teilnehmer offen. Bisher haben wir ihn als Intensivseminar im Sinne eines 1:1-Coaching mit drei Teilnehmenden und drei Beratern gehalten. Das schlüssige Konzept haben wir jetzt auf ein größeres Seminar übertragen. Ich gebe euch einmal hier den Ausschreibungstext und die wesentlichen Daten zu dem Workshop weiter…

Sie planen die Gründung einer Privatpraxis und wollen das nötige Know-how in einem Tages-Intensivseminar erwerben? Sie haben bereits eine Privatpraxis und wollen deren Effizienz und Ihre Zufriedenheit steigern? Sie sind Kassenarzt und planen den Umstieg zum Privatarzt?

Viele Kollegen wünschen sich eine höhere Arbeits- und Lebensqualität bei zuverlässig stabilen Honorarbedingungen. Sie möchten Spielräume für ausführliche Untersuchungen und schlüssige Behandlungskonzepte, für Anamnese- und Beratungsgespräche, auch um die Zufriedenheit der Patienten und deren Praxisbindung zu erhöhen. Gleichzeitig gilt es sichere Alternativen zum Auslaufmodell der normalen Kassenpraxis zu entwickeln.
Dieses praxisorientierte Beratungsseminar wurde von Kollegen für Kollegen entwickelt mit dem Ziel, alle wesentlichen wirtschaftlichen, juristischen, fachlichen und persönlichen Faktoren zur Umstrukturierung Ihrer Praxis zu vermitteln. Unter kompetenter Anleitung entwickeln Sie ein anwendbares, individuelles Praxiskonzept mit einzelnen Umsetzungsschritten. Ausgehend von der aktuellen Situationsanalyse über die Nutzung rechtlicher Rahmenbedingungen und Möglichkeiten bis zum Erstellen eines tragfähigen Businessplans sowie einer Konzeption zur Außendarstellung und Vernetzung der Praxis erlernen Sie alle relevanten Aspekte privater Praxisführung.

Kursort: Kongresszentrum Bingen
Kursleitung/Referenten: Dr. med. Eugen Schippers, FA Allgemeinmedizin, Inhaber einer Kassenpraxis und einer Privatpraxis. Patrick Weber, Dipl.-Betriebswirt, Wirtschafts- und Steuerberater. Stefan Hammel, Trainer, Systemischer Berater.
Kursgebühren:  120 € zzgl. MwSt.
Termin: Mittwoch, 20. Mai 2009
Kurszeit: 10.00 – 17.00 Uhr

Anmeldung:
Dipl.-BW (FH) Patrick Weber | Nahestr. 58 | 55593 Rüdesheim
Tel: 06 71 / 92 89 95 10 | Fax: 06 71 / 92 89 95 11
www.steuerberater-nahe.de | info@steuerberater-nahe.de

Webtipp: Das Reich der Möglichkeiten

Ich könnte mir vorstellen, dass diejenigen, die den Film „Validation“ gemocht haben, auch das Video vom „Reich der Möglichkeiten“ schätzen werden. Das ist nun ein ganz anderer Film. Es handelt sich um eine Demonstration des Bostoner Philharmonie-Dirigenten und Cellisten Benjamin Zander, der seine lebensfreundliche Weltanschauung erklärt und sie demonstriert, indem er einen jungen Cellisten unterrichtet. Eine Hommage nicht nur an die Musik, sondern an das Leben und an die Liebe zu den Menschen und zu sich selbst…

Zu finden ist das Video im Blog des systemagazin, das mein geschätzter systemischer Kollege Tom Levold herausgibt.

Ich wünsche euch viel Spaß beim Anschauen!

Die Fremde

Die Geschichte vom „Antidepressivum“, die ich am Wochenende erzählt habe, hat eine Vorgeschichte, die ich euch nicht vorenthalten möchte. Ich denke nicht, dass ich mit der Frau aus dem Tessin, mit Gott oder dem Schicksal schon quitt wäre. Ich schulde der Menschheit noch einen Gefallen. Aber ich habe versucht, einen Anfang zu machen…

Im vergangenen Sommer machte ich eine Reise rheinaufwärts durch die Schweiz. Ich war allein und war noch nie in der Gegend gewesen. Ich kannte hier keinen Menschen. An einem späten Abend – es war dunkel, regnerisch und sehr neblig – da fuhr ich, vom Norden her kommend, über den Berninapass. Ich hatte Hunger und hoffte, das Gasthaus auf der Passhöhe würde geöffnet sein. Doch dem war nicht so. Nun fuhr ich in unzähligen Kehrwenden auf der anderen Seite die Passstraße hinunter auf der Suche nach einem gastlichen Plätzchen. Tatsächlich fand ich, noch vor der ersten Ortschaft, ein Gasthaus am Straßenrand. Ich trat ein. Das Personal sprach nur italienisch und wir hatten Mühe, uns zu verständigen. Eine Frau um die Fünfzig bot sich als Übersetzerin an. Sie fragte mich, wer ich sei und woher ich komme, und was mich bei Nacht und Nebel hierher führte. „Sie müssen mit mir einen Sekt trinken… Sie müssen diesen Wein hier probieren… die Rechnung bezahle ich…“ Ich verwies auf den Nebel und die ungesicherte Straße. „Sie sind über den Pass gekommen? Das ist zu gefährlich. Es gibt doch einen Tunnel. Ich erkläre Ihnen, wie Sie fahren. Und jetzt trinken Sie mit mir.“ Nach einer Weile des Gesprächs fragte sie: „Möchten Sie nicht etwas essen?“ Und sie bestellte mir ein dreigängiges Menü. „Möchten Sie noch einen Wein dazu?“ „Vielleicht lieber ein Wasser.“ „Un aqua, per favore.“ Die Wirtsleute diskutierten mit ihr, sie schienen sich in irgendeiner Sache uneinig zu sein. Die Frau bestand darauf, auch das Essen und das Wasser für mich zu bezahlen, und zwar noch, bevor es serviert wurde.

„Sehen Sie“, sagte sie dann zu mir. „Ich will nichts von Ihnen. Sie sind ein sympatischer Mensch. Ich mag Sie. Sie kennen meinen Namen nicht und wissen nicht, wo ich wohne. Ich habe Ihnen keine Karte von mir gegeben. Sie wissen nicht, wer ich bin. Ich werde jetzt gehen. Alles was ich von Ihnen möchte, ist, dass Sie im nächsten Jahr einem Menschen das tun, was ich jetzt getan habe.“ Mit diesen Worten verabschiedete sie sich und verließ das Lokal. „Ist Architektin vom Meraner See, sehr reich“, sagten die Wirtsleute mit abschätziger Miene. „Ihr irrt euch“, dachte ich bei mir. „Das Geld ist euer Thema und nicht ihres. Diese Frau hat andere Gründe.“

Der Lüstling

Vor einiger Zeit war ich bei einer Kollegin zu Besuch. „Ich hab jetzt eine Therapiestunde mit so einem komischen Typen“, sagte sie. „Ich weiß gar nicht, was sein Auftrag an mich ist. Er hat kein richtiges Anliegen und redet immer nur von Frauen. Bleib doch einfach mal bei der Therapiestunde dabei.“ Sie stellte mich dem Mann als einen interessierten Kollegen vor und erbat seine Erlaubnis, dass ich bei der Therapie dabei sein dürfe. Ich saß etwas abseits zwischen den beiden und hörte zu. Der Mann setzte sich seiner Therapeutin gegenüber. Er sah sie sich an, öffnete die Beine betont breit und legte die Hände auf seine Oberschenkel. Die Geste wirkte auf mich machistisch, herablassend und vulgär.

Nach einer Weile des Zuschauens wandte ich mich dem Mann zu, öffnete meine Beine ebenso breit mit Zielrichtung auf ihn,  legte meine Hände auf die Oberschenkel, blickte zwischen seine Beine und stellte mir vor, wie wohl jemand schaut, der ein Begehren für diesen Mann entwickelt.

Nach kurzer Zeit verschränkte der Mann seine Beine, und dabei blieb es für den Rest der Stunde. Wenn die Therapeutin den Effekt in kommenden Stunden wiederholen wollte, bräuchte sie nur auf die Stelle zu deuten, wo ich gesessen hatte und sagen: „Herr Hammel würde Ihnen da jetzt voll und ganz zustimmen. Herr Hammel schätzt Menschen wie Sie und ist der Meinung…“

Der Platz neben dir

Diese Woche habe ich eine neue Therapiemethode ausgedacht, die außerordentlich gut funktioniert hat. Nacheinander habe ich sie bei drei Klienten mit jeweils unterschiedlichen Problemen ausprobiert. Es war jedesmal erstaunlich….

Also, da war eine Klientin, nennen wir sie Frau Goldschmitt, die erzählte mir, wie schlecht und unfähig sie sich fühle und dass sie kein Selbstbewusstsein habe, und dass sie sich selbst dafür noch Vorwürfe mache. „Ich habe Sie aber auch anders kennen gelernt“, sagte ich zu ihr. „Ich habe den Eindruck, Sie haben einen faszinierenden Beruf erlernt und Sie füllen ihr kompetent aus. Sie haben eine Tochter, die Sie offenbar gut erzogen haben und die sehr liebevoll ist, und Sie scheinen Freunde zu haben, die viel von Ihnen halten. Da scheint es zwei Frau Goldschmitts zu geben: Eine die hier sitzt und nicht viel von sich hält, und die sich selber schlecht macht, und eine andere, die stelle ich mir neben Ihnen auf dem Sofa vor: Diese Frau Goldschmitt hat viel erreicht und wird sehr geschätzt, und sie weiß das auch.“ Und wir sprachen eine Weile über die eine und über die andere Frau Goldschmitt. Ich fragte, welche Körperhaltung die andere Frau Goldschmitt wohl habe, was ihr wichtig sei, und wie sie mit sich und mit anderen umgehe. Wir verglichen ihr Erleben und Verhalten mit dem der unsicheren Frau Goldschmitt, die da vor mir saß. Als sie mir genügend über beide erzählt hatte, sagte ich: „Dürfte ich Sie bitten, sich auf den Platz neben Ihnen zu setzen, auf den Platz der anderen Frau Goldschmitt?“ Meine Gesprächspartnerin war etwas verdutzt, aber sie tat es.

„Auf diesem Platz sind Sie ja die Frau Goldschmitt, die ihren Erfolg, ihre Freunde und den Wert ihres Lebens kennt“, fuhr ich fort. „Erzählen Sie mir noch etwas über Sie und die andere Frau Goldschmitt auf dem Platz neben Ihnen, die so unsicher ist.“ Es war verblüffend. Es schien, als ob ich mit einem anderen Menschen spräche. Vor mir saß eine starke Frau. „Bemerken Sie, wie sich Ihre Körperhaltung jetzt unterscheidet von derjenigen der unsicheren Frau Goldschmitt?“, fragte ich sie. „Merken Sie, dass Ihre Stimme ganz anders klingt? Haben Sie schon bemerkt, dass Sie jetzt ganz andere Worte gebrauchen?“ Und ich beendete die Stunde mit der starken Frau Goldschmitt.

„Wann immer Sie in Ihrem Alltag der unsicheren Frau Goldschmitt begegnen, schlage ich Ihnen vor, Plätze zu tauschen“, sagte ich zu ihr. „Sie machen das, indem Sie sich die Starke einen Schritt neben sich vorstellen, einen Schritt zur Seite treten und die Unsichere an dem vorherigen Platz lassen.“