Bespitzelung?

In diesen Tagen habe ich die folgende E-mail erhalten.

Sehr geehrter Herr Stefan Hammel,

ich habe Sie neulich im Fernsehen gesehen und war sehr beeindruckt von Ihrer Arbeitsweise im therapeutischem Bereich. Da stellt sich mir zunächst erst einmal eine grundlegende Frage. Kann man mit Ihrem Konzept des therapeutischen Vorlesens wirklich alle “ Probleme “ lösen?
Ich habe schon, als Privatperson einiges über therapeutisches Arbeiten bzw. eben solche Konzepte gelesen (…) und an mir selbst erlebt, wie heilsam ( … ) das ein oder andere Buch sein kann.
Aber das Beispiel von welchem ich Ihnen berichten will, kennt sicher  bzw. leider keine Lösung, die sich mit  therapeutischen Büchern auflösen lässt. Und zwar geht es darum, dass ich schon seit einigen Jahren bespitzelt werde und zwar “ 24 Stunden “ am Tag, auch jetzt wo ich gerade diese Mail an Sie schreibe. Ich habe mich auch schon an die Polizei gewand, an den weißen Ring und an andere mehr, aber ohne ersichtliche Beweise, glaubt mir das sowie so kaum jemand ( selbst für mich ist und bleibt es abstrakt, aber wirklich).!!!? Und aus dieser Perspektive, ist es wohl auch nicht zu lösen. (Ich habe der Polizei nur abschließend eins versichert, dass ich es so transparent wie irgend möglich machen werde und davon lasse ich erst ab, wenn sich ein Lösungsansatz ergibt (die die das Tag ein Tag aus und auch in der Nacht für notwendig halten mir (und bestimmt auch anderen in diesem Lande, sind mir in den meisten Fällen wohl bekannt, auch persönlich, Le Bon beschreibt sie in seinem Buch; Massenpsychologie als psychisch kriminelle (ich finde das als sehr milde ausgedrückt ) ) so .

Mit freundlichen Grüßen 🙂

S.K.

Ich habe folgendermaßen geantwortet:

Sehr geehrte Frau S.K.,

wenn Sie bespitzelt werden, kann natürlich kein Psychotherapeut die Bespitzelung unterbinden. Möglich ist es, den Umgang damit zu verändern, also beispielsweise mit Psychotherapie dafür zu sorgen, dass Ihnen die Bespitzelung fast so gleichgültig wird, als fände sie gar nicht statt.
Denn was haben Sie bisher davon, dass Sie sich über die Spitzel aufregen oder beunruhigen – wahrscheinlich weitaus mehr Unannehmlichkeiten, als wenn Sie zwar von ihnen wissen, aber sich nicht mehr für sie interessieren. Zumal Sie den Spitzeln, die wohl daran interessiert sein werden, Sie zu verunsichern, durch größtmögliche Gleichgültigkeit am ehesten „eins auswischen“ können.
Ich schlage Ihnen vor, dass Sie einen Systemischen Therapeuten/in oder Hypnotherapeuten/in (z.B. Verfahren nach Milton Erickson) aufsuchen und ihn / sie darum bitten, Ihnen nicht – wie sicher manche Leute – die Tatsache der Bespitzelung ausreden zu wollen, sondern nur mit Ihnen daran zu arbeiten, dass Ihnen die Spitzel mehr und mehr egal werden. (Gerne können Sie meine Mail dabei mitnehmen, falls der Therapeut an dem Vorschlag interessiert ist.)
Wenn Sie tatsächlich bespitzelt werden, wird das die Spitzel zumindest frustrieren und Ihnen ein leichteres Leben schenken. Sie können denen durch Nicht-beeindruckt sein am ehesten eine Nase drehen.
Und selbst falls diejenigen Leute recht haben sollten, die behaupten, es gäbe keine Bespitzelung, wird das Problem dabei reduziert.

Viele Grüße, Stefan Hammel

Wertvolle Beratung: Demut

Demut ist ein Begriff, der ganz außer Gebrauch gekommen ist. Früher bedeutete er in etwa: Sich nicht über andere stellen, sich nicht in den Vordergrund rücken, neidlos das Glück anderer betrachten können, sich als Teil von etwas Größerem sehen, Gott und den Menschen, denen sie gebührt, die Ehre geben.

In der Therapie ist dieser Wert von großer Bedeutung: Wenn beispielsweise eine Therapie nicht, wie gewünscht, voran kommt, sind Therapeuten leicht in Versuchung, dem Klienten zu erklären, was er falsch mache. Insgeheim befürchten sie, sie selbst könnten etwas versäumt oder übersehen haben – ausdrücklich aber erklären sie den Klienten das Geschehen mit irgendeinem Modell der „Verdrängung“, „Übertragung“, „Projektion“, „Introjektion“, oder als „Widerstand“, Hauptsache, mit etwas, was im Verantwortungsbereich des Klienten liegt. Möglich wäre es aber auch, offen mitzuteilen, dass man einen anderen Verlauf vermutet hatte, und mit dem Klienten ins Gespräch darüber zu kommen, was zu einer Verbesserung beitragen könnte. Ist ein Klient über irgendein Wort oder Verhalten des Therapeuten gekränkt, kommt der Therapeut leicht in Versuchung, ihm vermitteln, das sei Teil der Therapie, und er habe daran etwas zu lernen. Möglich wäre es aber auch, sich beim Klienten höflich zu entschuldigen, und herauszufinden, wie solche Kränkungen zukünftig vermieden werden können.  

Überhaupt ist es möglich, die Klienten als gleichrangige Gesprächspartner anzusehen, ihre Ziele als maßgeblich für die therapeutische Arbeit anzusehen, und ihre Werte als ein Heiligtum, das nicht verletzt werden darf. Dann bedeutet der „Widerstand“ des Klienten, dass der Therapeut nicht gut genug verstanden und berücksichtigt hat, was die Ziele des Klienten sind und welche Wege dorthin für ihn akzeptabel sind.

Demut bedeutet, dass der Therapeut nicht über den Klienten steht, dass er die Klienten als Fac hleute für ihr eigenes Leben respektiert, dass er von ihnen lernt, dass er ihre Ziele über die seinen stellt und seine Werte nicht gegen ihre ausspielt, also nicht „für sie“ (und dabei womöglich „gegen sie“) weiß, was gut für sie ist.

Demut als Wert in der Therapie bedeutet, nicht zu genau zu wissen, was im Leben eines Klienten los ist, was er „hat“ und braucht. Es kann bedeuten, sich nicht über seine Schwächen zu erheben (und auch nicht über die vermeintlichen Schwächen seiner Eltern, seines Partners, seiner Kollegen, usw.) Demut kann bedeuten, allenfalls provisorisch und niemals abschließend über den Klienten zu urteilen; es kann auch bedeuten, ihm keine Prognose für sein kommendes Leben zu geben, insbesondere keine von der Art: „Dieses Problem wird Sie immer begleiten, damit werden Sie leben müssen.“

Demut kann auch bedeuten, die Therapie in den Dienst von etwas Größerem zu stellen, sei es, um Glück unter die Menschen zu bringen, zur Ehre Gottes oder zu sonst einem Ziel, das die Grenzen des eigenen Lebens überschreitet.

Die kleine Torte

Gestern habe ich in der Klinik eine Frau getroffen, die zeigte mir nach der Begrüßung einen Butterkeks auf ihrem Nachttisch. „Das ist meine Torte. Ich habe eine Torte bestellt und habe das hier bekommen. Jetzt habe ich beschlossen: Das ist meine Torte.“ Ich war von diesen Sätzen merkwürdig berührt. Mir gefiel die Torte der Frau. Vor meinem inneren Auge sah ich eine kleine Kerze darauf brennen. Erst zuhause fiel mir ein, was mir die Frau danach an erlittenem Unrecht berichtet hatte, und ich verstand, dass sie nicht über das Gebäck, sondern über ihr Leben gesprochen hatte.

Körper, Psyche, Geist

Ein Theologe hat mich vor ein paar Tagen nach psychosomatischen Krankheiten gefragt. Was ist der Unterschied zwischen Körper und Psyche und Geist? Zu unterscheiden ist ja zwischen einem spirituellen und einem medizinisch-psychologischen Geistbegriff. Aber letztlich könnte sogar beides zusammenfallen. Ich habe dem Kollegen sinngemäß geantwortet:

Alle Psyche ist Teil des Körpers. Sie beruht auf der Wahrnehmung mit Augen, Ohren, Körpergefühl und allen Sinnen und auf der Verknüpfung der wahrgenommenen Inhalte zu einem komplexen System. Sie beruht auf einem Wechsel der Aufmerksamkeitsfokussierung zwischen aktueller, erinnerter und vorgestellter Wahrnehmung, das heißt, zwischen außen und innen, Wachheit und Trance, momentan erzeugter, erinnerter, erwarteter und beliebig konstruierter Wahrnehmung. Emotionen sind eine Verschmelzung von Körpergefühl mit imaginativen Wahrnehmungen und deren gedanklicher Verknüpfung.

Man kann aber auch umgekehrt sagen: Aller Körper ist Teil der Psyche, oder vielleicht sollte man hier sagen: des Geistes. (Allerdings ist es schwer möglich, hier zwischen Psyche und Geist zu unterscheiden.) Was wir vom Körper wissen, wissen wir durch den Geist. Wenn der Geist sich irrt, gibt es den Körper nicht, oder es gibt ihn ganz anders, als wir ihn erleben. Und wenn die Konstruktion, die der Geist vom Körper schafft, nur eine von Millionen Möglichkeiten ist, dann ist auch das, was wir über unsere körperliche Existenz meinen, nur eine von Millionen Arten möglicher Wirklichkeit.

Das Vermächtnis

Zum Schmerz der Trauer gehört es, dass Vergangenes verloren erscheint, und dass es nicht mehr möglich scheint, dem Verstorbenen etwas an Liebe zurückzuschenken. Der bis dahin stetig sich fortsetzende Kreis von Geben und Nehmen ist unterbrochen; die Hinterbliebenen bleiben gewissermaßen auf ihrer Liebe (und auf ihren Versäumnissen) sitzen und können das empfangene Gute, wie es scheint, nicht mehr erwidern. In diesen Zusammenhang gehört die Vermächtnisintervention. Der Therapeut oder die Therapeutin sagt sinngemäß zu den Trauernden:

Sie haben mir viel Gutes über Ihren verstorbenen Bruder erzählt. Er ist bestimmt ein sehr liebevoller Mensch gewesen. Verstanden habe ich, dass er sehr gut zuhören konnte, dass er geduldig war, dass er sich rührend um seine Angehörigen gekümmert hat, dass er einen besonderen Humor hatte…

Ich habe den Eindruck, dass diese Begabungen auch bei Ihnen vorhanden sind. Vielleicht hat er Sie damit angesteckt. Ganz sicher hat er Ihnen viel gegeben, was Ihnen bleibt. Das ist ein Geschenk, so wie ein Vermächtnis, von dem Sie etwas an einander weiter geben können – jetzt ganz besonders an die anderen, die um ihn trauern. Sie können dieses Gute, was Sie von Ihrem Bruder erhalten haben, an die Menschen weiter geben, die er geliebt hat. Sie können es an Ihre Kinder weitergeben, an Ihre Schüler, an alle Menschen, denen Sie etwas Gutes geben möchten.

Was meinen Sie – ist es in seinem Sinne, wenn Sie das Gute, was er Ihnen geben konnte, so an die anderen weitergeben?
Dann würde er gewissermaßen durch Sie handeln und durch Sie weiter andere beschenken?
Dann handeln sie ja auch in seinem Namen, wenn Sie das Gute tun, was er sonst täte?
Dann geben Sie ihm ja auch etwas zurück, oder nicht?
Denn das, was Sie in seinem Sinne und in seinem Namen tun, das geben Sie auch ihm als Dank zurück. Kann man das so sehen?

Dann hat ihr Bruder noch nicht aufgehört, der Welt etwas zu schenken, und Sie können so noch lange Zeit Ihren Bruder beschenken.

Die Welt, eine Eschertreppe

Wir sehen den Geist als neurologische Leistung, das heißt, als Ergebnis materieller Konstellationen: Geist ist dann das Produkt der Materie und ihrer Gesetze.

Wir sehen ebenso die Materie als geistige Interpretationsleistung, als Konstrukt unseres Geistes: Unser Körper, unser Gehirn und alle Dinge sind dann das Produkt des Wahrnehmens und Interpretierens.

Unsere Gedanken deuten die Gesetze der Natur, die unsere Gedanken hervorbringen, die die Gesetze deuten, die die Gedanken hervorbringen…

Unsere Wahrnehmung bemerkt unseren Körper, der unsere Wahrnehmung hervorbringt, die unseren Körper bemerkt, der unsere Wahrnehmung hervorbringt…

Die Welt, eine Eschertreppe…