Geschichten in der Kindertherapie

Gestern hat mich eine Kollegin in einem Forum mit Blick auf Geschichten in der Therapie mit Kindern gefragt: „Wie gehen Sie vor? Die Geschichten werden einfach erzählt, resp. vorgelesen und nicht kommentiert?“ Ich hab das mal so beantwortet:

Wenn die Geschichte gut zur Situation passt, kann sie einfach unkommentiert erzählt oder vorgelesen werden. Die Geschichte sollte analog zum Problem des Kindes strukturiert sein und metaphorisch oder beispielhaft eine erfolgreiche Lösung (Lösungsart, Lösungsstruktur) anbieten. Die Analogie zum Problem und das bereits bestehende Beratungssetting (das Kind weiß: wir sind hier zur Beratung wegen Problem XY) sorgen dafür, dass die Geschichte vom Unbewussten als Lösung identifiziert wird. Darum ist kein Kommentar nötig, der Kontext ist der Kommentar.

Weiterlesen

Der Geschichtenerzähler (III)

Weiter geht’s mit Folge drei…

„In einem Land in deinem Herzen lebte einst ein Volk, das so glücklich oder unglücklich war wie viele Völker und so reich oder arm wie viele, und so satt oder sehnsüchtig wie viele. In diesem Volk aber gab es einen Jungen, der einen Traum hatte, wie ihn viele Jungen haben: Er wollte sich auf die Suche machen nach einem verborgenen Schatz. Nun wäre das an sich nichts Besonderes. Doch hatte dieser Junge das Glück – oder war das etwa keines? – nicht nur einen Traum von einem Schatz zu haben. Sondern er hatte tatsächlich in einem Versteck im Garten Weiterlesen

Lesenswert: Anleitung zum Unglücklichsein

Die „Anleitung zum Unglücklichsein“ von Paul Watzlawick ist ein Klassiker, und ich bin mir nicht sicher, ob ich das Buch wirklich vorstellen muss. Aber sollte es unter den Lesern jemanden geben, der es noch nicht gelesen hat, so wäre ich dazu moralisch verpflichtet. Will sagen, wer als Berater, Coach, Therapeut oder Mensch die „Anleitung zum Unglücklichsein“ noch nicht gelesen hat, ist im Grunde unvollständig ausgebildet. Die Erzählungen sind längst legendär: Die Geschichte mit dem Hammer, die von den verscheuchten Elefanten und – weniger häufig tradiert, aber von grundsätzlicher Bedeutung – Watzlawicks Überlegungen über das Leben als Spiel. Paul Watzlawick sagt, es gibt zwei Arten von Spielen: Es gibt Spiele mit Gewinnern und Verlierern, wie Schach oder Mühle; Sie heißen Nullsummenspiele, weil das Glück des Gewinners verrechnet mit dem Unglück des Verlierers Null ergibt. Und es gibt Spiele mit nur Gewinnern, wie Puzzle spielen, Theater spielen, gemeinsam einen Hang herunter rollen; Sie heißen Nicht-Nullsummenspiele, weil die Glücksbilanz ungleich Null, und meistens positiv ist. Offenbar das allermeiste, was Menschen unternehmen, gleicht einem Nullsummenspiel. Das folgt den Regeln von Wettbewerb und Kampf: Dein Glück ist mein Unglück, dein Unglück mein Glück. Um das Glück auf der Welt zu vermehren, sind allerdings Nicht-Nullsummenspiele nötig. Deren Logik ist die von Freundschaft und Kooperation: Dein Glück ist mein Glück, dein Unglück mein Unglück.
Paul Watzlawick und ich meinen: Wenn ihr gerne richtig schön unglücklich werden wollt, und anderen dabei noch helfen wollt – dann spielt mehr Nullsummenspiele! Auf geht’s!

Paul Watzlawick, Anleitung zum Unglücklichsein
München, Zürich (Piper) 1983

Afrika

Afrika hat bekanntlich die Form eines Kopfes… und im Inneren eines Kopfes befindet sich… genau! Die folgende Geschichte habe ich für die Schlaganfallpatientin entwickelt, von der ich am 9. Mai erzählt habe. Die Geschichte zielt darauf ab, Erinnerungen und Fähigkeiten zu finden oder wiederzufinden. Die Geschichte kann wohl auch in manchen Fällen von Demenz nützlich sein, und auch von Multipler Skerose. Viel naheliegender noch kann sie zur Prüfungsvorbereitung verwendet werden, und euch werden wahrscheinlich noch viele andere Einsatzmöglichkeiten einfallen…

Seit Jahrtausenden gibt es Landkarten. Doch zwischen den Karten aus früheren Jahrhunderten und denen aus heutiger Zeit gibt es große Unterschiede. Wenn zum Beispiel dreihundert Jahren ein Verlag eine Karte von Afrika druckte, dann gab es darauf große, weiße Flecken. „Terra incognita“ schrieb man darauf, „ein unbekanntes Land“. Die Küsten waren damals weitgehend Weiterlesen

Ein heiliger Vertrag

Noch eine Geschichte zu Prüfungsdingen…

In der Vorbereitung auf sein Examen sagte ein junger Mann immer wieder zu sich Dinge wie diese: „Wenn du bis heute Abend um 18.00 Uhr diese hundert Seiten durchgearbeitet hast, dann darfst du dir den Abend frei nehmen.“ Wenn er dann schon um 17.00 Uhr sein Pensum geschafft hatte, dann arbeitete er noch eine Stunde weiter und schaffte in dieser Zeit hundertzwanzig Seiten. Und weil es an jenem Tag so ungewöhnlich gut voranging, arbeitete er nochmals eine Stunde bis um 19.00 Uhr und hatte am Ende einhundertdreißig Seiten bearbeitet. Einige Wochen später bemerkte er, Weiterlesen

Prüfungsvorbereitung

Hier ist eine Geschichte für Leute, die eine Prüfung vor sich haben.

Um sich auf eine wichtige Examensprüfung vorzubereiten, hatte ein Mensch fünf Monate Zeit. Er wusste, dass die meisten anderen Studenten sich für die selbe Arbeit ein bis anderthalb Jahre vorbereiteten. Ein großer Teil der Studenten fiel dennoch immer wieder durch und musste die Prüfung wiederholen. Wie sollte er diese Arbeit in so kurzer Zeit bewältigen? Weiterlesen

Wie finde ich eine passende Geschichte II

Noch eine E-mail, die mich beschäftigt hat. Letzte Woche hat mir eine Kollegin geschrieben:

Könnten Sie mir vielleicht mit einer Geschichte persönlich auf die Sprünge helfen, meine Scheu zu überwinden, Geschichten in die Therapie mit einzubauen? Als meine Tochter klein war, hat sie mir drei Dinge genannt, aus denen ich dann ad hoc (im Erzählen) Geschichten erfand: langweilige, interessante, lustige, traurige… Als Therapeutin habe ich da irgendwie eine Blockade.

Woran hängt’s? Ich glaube ja, wir erzählen den ganzen Tag Geschichten, langweilige, interessante, lustige, traurige, und wir merken es gar nicht. Weiterlesen