Eine Geschichte vom Himmel

Frohe Ostern euch allen! Also, diese Geschichte habe ich mir weder ausgedacht, noch hab ich sie erlebt. Ein Freund hat sie mir geschickt. Sie stammt von einem Autor namens Tilman Haberer. Ich mag diese Geschichte sehr, und ich dachte mir, weil heute Ostern ist, … oder vielleicht auch einfach sowieso … egal, ich möchte diese Geschichte gerne mit euch teilen. Also…

Ich stell‘ mir vor, ich bin gestorben, und ich stehe vor der Tür des Himmels. Die ist, so nehme ich an, eine ganz normale Tür an einem ganz normalen Haus. Aber ich weiß, hinter der Tür wohnt Gott. Ich habe ein ganz schön mulmiges Gefühl im Bauch, schließlich habe ich ja Gott noch nie von Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden. Trotzdem fasse ich mir ein Herz und drücke auf die Klinke.
Ich brauche nicht lange zu warten, da geht die Tür auf. Ich bin als erstes sehr überrascht, denn Gott sieht anders aus als ich erwartet habe. Er ist noch recht jung, noch keine 30, er ist ganz normal gekleidet, nicht anders als ich. Als er mich sieht, strahlt er mich an und sagt: „Mensch, Tilman, schön, dass du da bist! Komm rein!“ In demselben Moment, in dem ich Gott sehe, ist mein mulmiges Gefühl fort.
Gott sieht sehr sympathisch aus, und ich merke sofort, dass er mich mag. Ich folge ihm in die Wohnung. Sie ist ziemlich einfach eingerichtet, aber sehr gemütlich. Sofort fühle ich mich wohl. Ich fühle mich zu Hause. Hier gehöre ich hin. Gott bietet mir einen Platz an, dann stellt er zwei Weingläser auf den Tisch und macht einen guten Frankenwein auf. Meine ursprüngliche Spannung und Nervosität ist wie weggeblasen, und dann fangen wir an zu reden.
Wir reden über mein ganzes Leben, über die guten und schönen Erfahrungen, die ich gemacht habe, aber auch über das, was nicht gut war, wo ich etwas falsch gemacht habe, wo mich andere falsch behandelt haben, wo ich gelitten habe und anderen Leid zugefügt habe. Aber aus der Art und Weise, wie Gott mit mir darüber redet, merke ich: Das alles steht nicht zwischen uns, es trennt mich nicht mehr von Gott; ja, ich erkenne, was für ein miserables Leben ich teilweise geführt habe. Aber ich weiß: Gott trägt mir das nicht nach. Gott nimmt mich einfach so, wie ich bin. Diese Erkenntnis tut gut, sie tut aber auch sehr weh. Gott hat mich einfach gern mit all dem, was ich verbockt habe, und das tut wirklich weh.

Ja, und dann sagt Gott zu mir: „So, jetzt gehen wir zu den anderen.“ Und er steht auf und öffnet eine Tür. Da steht eine große Festtafel, und da sitzen alle, die mir in meinem Leben lieb waren: meine Eltern, meine Freunde, und auch die, die mir nicht lieb waren. Aber ich spüre: Auch von denen trennt mich nichts mehr. Noch einmal reißt mich ein Schmerz fast in Stücke. Ich sehe die Menschen, mit denen ich zusammen war. Und mir wird klar, wie viel Dummheit und Gemeinheit und Bosheit zwischen uns lag. Aber der Schmerz vergeht, und wir können uns in die Augen sehen. Und dann beginnt das Fest. Und das ist der Himmel.

(Quelle: Andreas Ebert, Auf Schatzsuche. 12 Expeditionen ins Innere des Christentums, Claudius Verlag 1993, S. 14f.)

Gespräche am Sterbebett

Wie spricht man mit Menschen im Koma? Und was kann man zu einem sterbenden Menschen sagen? Grundsätzlich Dinge, deren positive Ausrichtung sofort spürbar ist und die zugleich ehrlich sind. Grundsätzlich Dinge, die den Sterbenden als Lebenden respektieren. Grundsätzlich möchte ich weder so tun, als gäbe es kein Sterben, noch so, als wäre der andere schon nicht mehr da. Grundsätzlich möchte ich so reden, dass es das Mitdenken nicht schwerfällt: Ganz anschaulich, in Bildern, in Tagträumen, und möglichst in Worten, die dem anderen Menschen schon längst etwas bedeuten. Einige Gedanken aus meiner Arbeit als Pfarrer möchte ich hier anfügen.

Vor kurzem wurde ich ins Krankenhaus gerufen, zu einem schwer kranken Mann. Die Ärzte sagten, dass er in den nächsten Tagen oder Wochen sterben werde. Seine Frau, die sehr gläubig war, hatte mich gebeten, zu kommen. Als ich mit den beiden sprach, wurde bald deutlich: Er wollte kein Gebet, das Abschied bedeuten könnte. Er wollte leben. „Verstehen Sie“, sagte er, „Beten ist gut, aber jetzt geht es nicht. Jetzt ist nicht die Zeit. Vielleicht später“, sagte er. Ob ich aus der Ferne um Leben, um ein Wunder für ihn beten sollte, fragte ich. „Das ist gut“, antwortete er.
Am anderen Tag lag er im Koma. Es atmete in kurzen Stößen, und es war zu sehen, dass er im Sterben lag. Ich las ihm den Psalm vom guten Hirten vor, sprach ein Gebet, das Vaterunser und einen Segen. Wenn ich den Eindruck hatte, dass ihm eine Zeile des Psalms gut tat, las ich die Zeile zweimal oder dreimal. Ich las die Zeilen ruhig und mit Pausen vor, und wir hatten den Eindruck, dass darüber auch sein Atem immer ruhiger wurde. Sein Atem folgte meinem, und wenn ich sehr langsam sprach, setzte der Atem manchmal für eine Weile aus, um danach doch wieder ruhig weiterzufließen. Alles, was ihm Kummer oder Angst machen könnte, möge er ablegen, so bat ich ihn, wie an einer Garderobe Gottes. Was mit Schuld oder Vorwürfen zu tun hätte, alle Gedanken, die was ihm nicht gut täten und alles, was er nicht braucht, möge er wie Kleider ablegen bei Gott. Nach diesen Worten von meiner Seite sprach auch seine Frau mit ihm über das Loslassen: Davon, dass Sie ihn nicht festhalte, dass er loslassen dürfe und davon, dass er seine Liebe zu ihr auch von der anderen Seite aus ausdrücken kann. Es scheint mir ganz deutlich so, dass er das hören und für sich annehmen konnte. Etwa eine viertel Stunde später starb er ruhig, ohne Kampf.

Der Grashalm in der Wüste

Gestern war ich in der Kinderpsychiatrie und habe den Kindern eine Geschichte erzählt. Wir vergessen so oft, dass Menschen, die sich selbst und anderen Mühe bereiten, nicht nur aus ihren Problemen bestehen, sondern auch aus dem, was heil ist.Und wenn wir das Gesunde, Kraftvolle, Glückspendende im Leben der Kinder oder auch von uns selber pflegen, könnte es sein, dass wir mehr erreichen, als wenn wir immer mehr Zeit auf die Behandlung des Störenden verwenden. Natürlich muss man zuweilen bei dem, was stört, anknüpfen. Wenn man allerdings bei der Behandlung der Störung hängen bleibt, ist man wahrscheinlich schon selbst ein Teil der Störung geworden. Denn wer sagt uns, dass die Reaktionen der Menschen auf das Problem nicht zu dem Problem maßgeblich beitragen? Vielleicht kommen wir schneller zum Ziel, wenn wir das Unauffällige, Gesunde, Normale in den Vordergrund unserer Betrachtung stellen. Ich habe jedenfalls den Kindern die folgende Geschichte erzählt.

Ein Mann durchquerte eine Wüste. Rings um ihn her gab es nur Sand, Steine und Felsen, den leuchtend blauen Himmel und über ihm die glühend heiße Sonne. Auf der Hälfte seines Weges geschah es, dass er Rast machen wollte und sich nach einem geeigneten Platz umsah. Weiterlesen

Schleuderkurs

Meine Schweizer Kollegin Catherine Iseli hat in einem Forum erzählt von einer Schweizer Radiosendung mit dem Titel „Schleudern ohne ins Schleudern zu geraten“ über „Autofahren unter erschwerten Bedingungen“ (Radio DRS1, 12.4.2010, 9-11 Uhr).

Catherine berichtete:

Eine Abteilung der Zürcher Polizei musste einen Auffrischungskurs besuchen, und der Polizeiinstruktor gab dann im Interview Auskunft darüber, welches die entscheidenden Dinge seien, die man trainieren müsse, um in einer  Extremsituation mit seinem Wagen nicht ins Schleudern zu geraten. Der  Instruktor sagte sinngemäss:

„Das Wichtigste, was man trainieren muss, ist der Blick. Menschen tendieren in einer Gefahrensituation dazu, in Panik zu geraten, die Übersicht zu verlieren. Der Blick geht dann dorthin, wo das Hindernis  ist und die Gefahr droht. Die Hände lenken das Fahrzeug in die Richtung, in die der Blick geht. Das erklärt auch, weshalb viele  Schleuderfahrten an einem Baum, einem Laternenpfahl, Pfosten etc. enden,  auch wenn sonst weit und breit kein Hindernis ist.
Es gilt also, zu trainieren, den Blick und die Aufmerksamkeit in die  Richtung zu richten, wo keine Gefahr droht, wo freie Fahrt möglich ist, also in die gewünschte Richtung. Wenn der Blick dorthin geht, dann folgen die Hände automatisch und tun das Richtige, um den Wagen aus der Gefahrenzone zu bringen.“

Sie sagt:

Psychotherapie ist wie Autofahren unter erschwerten Bedingungen;  unsere Klienten brauchen einen Antischleuderkurs, und sie müssen  lernen, „den Blick“ zu trainieren…

Danke, Catherine!

Geschichten mit Langzeitwirkung

Als wir Kinder waren, hatten meine Schwester und ich eine bestimmte Gewohnheit. Wenn wir bei Großelternbesuchen morgens erwachten, meistens zwischen fünf und sechs Uhr, stiegen wir zu meinem Großvater ins Bett und drückten mit dem Finger auf einen Knopf seines Schlafanzugs. Dort befand sich nämlich der Schalter für die Geschichten. Einige dieser Geschichten hatte er gehört und einige gelesen, manche waren selbst erlebt und andere frisch erfunden. Eine Erzählung gab es, die ich wieder und wieder von ihm hören wollte. Das war die Geschichte vom verlorenen und wieder gefundenen Schaf aus dem fünfzehnten Kapitel des Lukasevangeliums. Mein Großvater mochte sich fragen, warum er mir diese Geschichte so oft erzählen musste, aber er tat es immer wieder für mich. Ich brauchte diese Geschichte. Es war meine Geschichte. Zwei wichtige Passagen gab es in seiner Erzählung, die jedes Mal wiederkehrten: Wie der Hirte nach langem Suchen und Rufen die erste Antwort seines Schafs erhielt, und sich das Rufen des Hirten und das „Mäh“ des Schafes abwechselten, bis er sein Schaf gefunden hatte –  und wie er es fand: Das Schaf war tief in einen Dornbusch verstrickt. Es konnte nicht mehr vorwärts und nicht mehr rückwärts gehen. Vorsichtig befreite der Hirte das Tier…
Diese Geschichte hat mich durch die Kindheit begleitet. Als ich erwachsen war, hat sie mir als erste deutlich gemacht, dass Geschichten eine therapeutische Kraft haben, in einem Maß, das wir vermutlich noch oft unterschätzen. Diese Geschichte ist zweitausend Jahre alt. Sie wurde aufgeschrieben, weil sie ihren Zuhörern geholfen hat und beeinflusst noch heute das Denken und Erleben von Menschen.

Ich gehe eine Straße entlang

Heute ist er mir wieder begegnet. Diesen Text liebe ich sehr.

Ich gehe eine Straße entlang.
Da ist ein tiefes Loch.
Ich falle hinein.
Ich bin verloren.
Ich bin ohne Hoffnung.
Es ist nicht meine Schuld.
Es dauert endlos, wieder hinauszukommen.

Ich gehe dieselbe Straße entlang.
Da ist ein tiefes Loch.
Ich falle wieder hinein.
Ich kann nicht glauben,
schon wieder am gleichen Ort zu sein.
Aber es ist nicht meine Schuld.
Immer noch dauert es sehr lange, herauszukommen.

Ich gehe dieselbe Straße entlang.
Da ist ein tiefes Loch.
Ich falle schon wieder hinein…
aus Gewohnheit.
Meine Augen sind offen.
Ich weiß, wo ich bin.
Es ist meine Schuld.
Ich komme auch sofort wieder heraus.

Ich gehe dieselbe Straße entlang.
Da ist ein tiefes Loch.
Ich gehe darum herum.

Ich gehe eine andere Straße.

(Sogyal Rinpoche)

Zahnbehandlung mit Spaßeffekt

Gerade habe ich eine sehr schöne Aufzählung gefunden, wie bestimmte Zahnärzte den Kindern, die sie behandeln, die Welt der Zahnarztpraxis erklären. Die Ideen entstammen den „Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für zahnärztlichen Hypnose“.

Das rotierende Bürstchen zum Zahnreinigen ist ein „Straßenreinigungsauto mit großem runden Besen“. Karies am Zahn ist eine „schmutzige Rille in der Straße“ und der Rosenbohrer ist der „Rillenputzer“. Der Luftpuster ist „Wind“.

Die Kunststoffüllung ist „Zauberknete“, die Polymerisationslampe ist das „Licht der blauen Fee“. Die Behandlungsleuchte ist eine „Zauberlampe“, der Versiegelungskunststoff „Zauberlack“.

Der Mundspiegel ist „Frau Spiegel“, die Sonde ist „Herr Fühlhäkchen“, die Pinzette ist „Frau Greifer“. Die Zange ist der „Rabe“ und der Tupfer sein „weiches Kissen“. Das Gummituch zum Trockenlegen des Zahns ist ein „Regenmantel“.

Der Rosenbohrer ist  ein Löffelbagger oder ein Hubschrauber. Die Turbine ist ein Turbojet.

Die Watterollen sind „Kuschelkissen“, die Matrize eine „Kuchenform“

Der Anästhesiespray ist „Eiscreme“, die Spritze ein „Kitzelkügelchen“.

Der große Absauger ist der „Elefantenrüssel“, der kleine Absauger der „Babyelefantenrüssel“.

Die Säure zum Anätzen ist „Orangensaft“, die Chemikalie zum Befestigen von Kunststoff „Turbokleber“. Das Gummituch zum Trockenlegen des Zahns ist ein „Regenmantel“.

(Signer-Fischer, Gysin, Stein: Der kleine Lederbeutel mit allem drin. Hypnose mit Kindern und Jugendlichen, S. 308)

So eine ähnliche Behandlung würde ich mir als Erwachsener auch wünschen. Die Frage stellt sich aber nicht nur beim Zahnarzt, sondern auch an anderen Orten und zu anderen Zeiten: Wie erklären wir den Kindern und dem Kind in uns die Welt schmackhaft, liebenswert und schön?

Schatzsuche

Ich hatte einmal erwähnt, dass beinahe alle Geschichten mit einer Pointe therapeutisch wertvoll eingesetzt werden können, allerdings auch einige ohne eine Pointe. Hier ist ein Beispiel aus der zweiten Kategorie.

In einem Land in deinem Herzen lebte einst ein Volk, das so glücklich oder unglücklich war wie viele Völker und so reich oder arm wie viele, und so satt oder sehnsüchtig wie viele. In diesem Volk aber gab es einen Jungen, der einen Traum hatte, wie ihn viele Jungen haben: Er wollte sich auf die Suche machen nach einem verborgenen Schatz. Nun wäre das an sich nichts Besonderes. Doch hatte dieser Junge das Glück – oder war das etwa keines? – nicht nur einen Traum von einem Schatz zu haben. Sondern er hatte tatsächlich in einem Versteck im Garten den Schlüssel zu einem solchen Schatz gefunden. Er hatte den Schlüssel, ihm gehörte der Schatz! Doch wie sollte er nun diesen Schatz auch finden? Er wusste ja nicht, wo er verborgen war. So setzte sich der Junge hin und begann nachzudenken.

(S. Hammel, Der Grashalm in der Wüste, S. 35)

Die Expedition (Der stille Gregor, Fortsetzung)

Ich habe euch neulich vom stillen Gregor erzählt. In der letzten Therapiestunde ließ ich ihn auch einer Spielzeugkiste einige Gegenstände heraussuchen. Er wählte sich ein Geländeauto und einen grünen Edelstein. Ich wählte ihm noch einen kleinen Vogel aus, der sang, wenn man ihn anfasste. Dann bat ich ihn, die drei Dinge vor sich hinzustellen und sie anzuschauen. Dann erzählte ich ihm das Folgende:

In Afrika lebte ein Mann, der war ein Forscher, ein Biologe. Er war beliebt bei seinen Freunden und in seiner Familie, aber er hatte etwas schlimmes erlebt, und seitdem hatte es ihm die Stimme verschlagen. Er redete fast gar nicht mehr und mit fast niemandem. Das machte den anderen Sorge, aber sie konnten nichts dagegen tun. Er war eben still. Einmal wollte er sich auf eine große Reise machen mit seinem Geländefahrzeug. Er wollte einen seltenen Vogel entdecken, die einen wunderbaren Gesang haben sollte, und er wollte dessen Sprache lernen. Dieser Vogel war den Wissenschaftlern noch fast unbekannt, kaum jemand hatte ihn je gesehen. Da besuchte ihn ein Freund, um ihm alle Gute für die Reise zu wünschen. Der Freund gab ihm einen seltsamen grünen Stein und sagte: „Dieser Stein soll dich begleiten und eine gute Kraft auf dich ausüben. Du wirst die Sprache der anderen lernen.“ Der Mann verstand nicht,was sein Freund meinte, doch fragte er nicht nach, sondern bestieg sein Fahrzeug und machte sich auf die Reise.

Immer unwegsamer wurden die Straßen, die er befuhr. Bald waren es nur noch Lehmpfade, und immer weiter führte sein Weg. Er übernachtete in afrikanischen Dörfern. Mit dunkelhäutigen Männern und Frauen saß er abends um das Lagerfeuer. Er lernte ihre Geschichten. Er lernte ihre Lieder zu singen und ihre Sprache zu sprechen.Manchmal sah er den Stein an, den sein Freund ihm gegeben hatte und fragte sich, was er wohl gemeint hatte, als er ihm sagte: „Du wirst die Sprache der anderen lernen“.

Manche gaben ihm Hinweise zu dem Vogel, den er suchte, und dessen Sprache er erlernen wollte. Doch nirgends fand er das Tier. Lange, lange suchte er. Bis er eines Abends etwas hörte, einen wunderbaren Klang, den er noch nie vernommen hatte…

Es dauerte eine Zeit, bis er die Sprache des Vogels ein wenig verstand, und noch eine Zeit, bis er sie anfing, auch selbst sprechen zu können. Nach und nach antwortete ihm der Vogel, und er antwortete ihm. Es war wie ein Gespräch, wie eine Freundschaft, die sie geschlossen hatten. Immer wieder auch fiel ihm der Stein in die Hand, den der Freund ihm gegeben hatte, und er dachte an dessen Worte: „Du wirst die Sprache der anderen lernen“.

Der Mann machte viele Notizen und Tonaufnahmen für einen wissenschaftlichen Bericht über seine Reise. Dann nahm er Abschied von dem Vogel und machte er sich wieder auf den Weg. Wieder kam er zu den Hütten der Eingeborenen, und wieder saßen sie an den Lagerfeuern. Er erzählte ihnen von dem Vogel. Er erzählte davon, wie er seine Sprache gelernt hatte. Die dunklen Männer und Frauen hörten ihm zu. Und er dachte an die Worte des Freundes, als ihm dieser den wunderbaren Stein gegeben hatte: „Du wirst die Sprache der anderen lernen“.

Weiter und weiter fuhr er über die Lehmpisten. Er dachte nach über den wissenschaftlichen Bericht, den er veröffentlichen wollte. Da bemerkte er, dass ihm dieser Bericht gar nicht mehr so wichtig war. Er war weggefahren, um einen Vogel zu entdecken, und er hatte gelernt, die Sprache von Tieren und von anderen Menschen zu sprechen. Er hatte gelernt anstatt in seiner Sprache in deren Sprache zu denken und zu reden. Ihm wurde bewusst, dass das die eigentliche Entdeckung dieser Reise war und sein Bericht nur ein Nebenergebnis.

Als er zuhause ankam, fragten ihn seine Freunde: „Hast du den Vogel gefunden? Hast du ihn singen gehört? Hast du seine Sprache gelernt?“ Und er erzählte ihnen eine lange Geschichte…

Webtipp: Roland Kachler über Trauer (Interview)

Einen eindrucksvolles Interview mit Roland Kachler hat Marco Ramadani auf seinem Blog „Doc Ramadani’s Energiebrief“ veröffentlicht. Roland Kachler ist Hypnotherapeut, Familientherapeut und Theologe, und er ist einer der bekanntesten Autoren zum Thema Trauerbewältigung und Trauertherapie.  In dem sehr persönlichen Podcast spricht er über einen guten Umgang mit Trauer in der Psychotherapie und im eigenen Erleben. Er berichtet, wie der Unfalltod seines sechzehnjährigen Sohnes sein Leben verändert hat und wie er dadurch auch seine Therapie mit Trauernden verändern musste und wollte. Nehmt euch etwas Zeit zum Zuhören! Das sehr empfehlenswerte Tondokument unter dem Titel „Trauer ist eine besondere Form von Liebe“ findet ihr hier.