Gedachte Präparate

„Manchmal kommt es vor“, erzählte ein Arzt, „dass ich einem Patienten ein Medikament, das er braucht, nicht geben kann, weil es zu teuer ist oder zu schwer zu beschaffen.  Wie, bitte, kommt man an ein homöopathisches Präparat aus Löwenmilch? In solchen Fällen lasse ich manchmal den Patienten den Namen des Mittels auf einen Zettel schreiben und verschreibe ihm, den Zettel einmal gründlich zu betrachten.  Natürlich kann ich einen solchen Vorschlag nur Patienten machen, die für etwas so „Verrücktes“ aufgeschlossen sind. Das Seltsame ist: Bei denen, die den Rat befolgen, bewirkt oft der Zettel dasselbe wie das Medikament.“

Eine Krankenschwester, die den Arzt reden hörte, lachte darüber. Sie hatte jahrelang auf einer Intensivstation gearbeitet und manchem Patienten in einer kritischen Situation durch die schnelle Gabe eines Medikamentes das Leben gerettet.  Wie wäre es wohl gewesen, ihnen einen Zettel auszuhändigen mit dem Namen ihrer Medizin?

Es geschah einige Tage nach diesem Gespräch: Am Morgen erwachte sie mit Kopfschmerzen. Sie wusste, es war nichts Ernsthaftes, nur dieser längst vertraute Schmerz, der nichts als sich selbst bedeutete. Sie wusste auch, sie hatte keine Kopfschmerztabletten im Haus. Nun stellte sie in Gedanken ein Glas Wasser neben das Bett. Sie malte sich aus, wie sie die Tablette hineinwarf und diese sich sprudelnd auflöste.  Sie stellte sich vor, wie sie das Glas in langsamen Schlücken leerte, wie das Wasser von ihrem Körper aufgenommen würde und wie das Medikament begann, seine Wirkung zu entfalten. Für ein paar Minuten schlief sie ein, dann erwachte sie wieder, stand auf und fuhr zur Arbeit. Alles verlief wie gewohnt. Als sie spät abends auf ihren Tag zurückschaute, fiel ihr auf, dass diese Schmerzen in den Minuten nach der gedachten Einnahme des Medikaments verschwunden waren und sie sie vollständig vergessen hatte.

Diese Begebenheiten haben sich in meinem Freundeskreis abgespielt. Es sei jedem überlassen, sich seinen eigenen Reim darauf zu machen.

Sterben mit 26

„Ich habe ein Problem“, hat eine Freundin zu mir gesagt. „Irgendwie habe ich mir die Vorstellung in den Kopf gesetzt, dass ich mit 26 sterben muss. Und das ist ja nicht mehr so lange. Ich weiß, dass es Quatsch ist, aber ich werde die Vorstellung nicht los, und sie macht mir Angst. Was kann ich da machen?“ „Schau dir vor deinem inneren Auge die Zahl 26 genau an“, habe ich geantwortet. „Betrachte sie genau. Jetzt lass die Zahlen umeinander rotieren, und lass sie stehen, wenn die sechs vorne ist. Was siehst du?“ „Eine 62“, sagte die Freundin. „Genau. Jetzt lass die sechs um sich selbst rotieren, und lass sie auf dem Kopf stehen bleiben. Was siehst du jetzt?“ „Eine 92.“ „Wann erwartest du also jetzt zu sterben?“. „Mit 92.“ „Ist das für dich in Ordnung?“ „Sehr in Ordnung“, sagte die Freundin. Das Problem war von da an beseitigt.

Mottenphobie

Gestern war ich bei Freunden zu Besuch. „Unsere Tochter hat eine Mottenphobie“, erzählten sie mir. „Jedesmal, wenn sie eine Motte in der Wohnung sieht, bekommt sie einen Schreianfall, und es gibt ein Riesentheater. Kannst du nicht etwas dagegen tun?“ „Ich weiß nicht, ob ich das kann“, sagte ich zur Tochter, die bei uns saß und gerade ein Glas Kakao trank. „Aber wenn du das nächste Mal eine Motte siehst, denke bitte nicht an Kakao und denke auch nicht daran, nicht an Kakao zu denken und nicht daran, wie dieser Kakao jetzt schmeckt und nicht daran, welches Gefühl in der Seele zum Kakao gehört, denn solltest du doch an Kakao und an das Gefühl in der Seele denken, das du jetzt durch das Trinken von Kakao bekommst, dann könnte es sein, dass du aus Versehen, obwohl du das vielleicht gar nicht vorhast, bei Motten Kakaogefühle bekommst. Und was wirst du dann tun, wenn du bei Motten anstatt des früheren lästigen Gefühls immer einen Anflug eines Eindrucks haben solltest, als ob du Kakao schmeckst und riechst und als ob du die Gefühle bekommen könntest, die doch eigentlich zum Kakao passen. Ja, was machst du dann?“ „Ist mir egal.“ „Oh“, sagte ich, „dann pass bitte auf! Denn wenn es dir egal ist, ob du bei Motten immer Kakaogefühle bekommst, dann musst du aufpassen, dass dir dabei nicht die Motte selbst egal wird, denn es wäre doch schade, wenn dir die Motte so egal würde, wie es dir egal ist, dass du bei Motten vielleicht Kakaogefühle bekommst…“ Eine Viertelstunde später sah das Mädchen eine Motte, ging ruhig darauf zu, schaute sie konzentriert an, schlug sie tot und setzte sich gelassen wieder hin.

Streiten und schlagen

Gestern hatte ich eine Familientherapie mit zwei Jungen (8 und 10), die sich seit Jahren viel streiten und schlagen, und mit ihren Eltern, die nicht mehr weiter wussten.

Ich habe die Jungen gefragt, warum sie hier sind, und sie haben herumgedruckst. Ich habe gefragt, ob sie nicht so gerne über Probleme reden, und dem haben sie zugestimmt. Dann habe ich gesagt: „Ich auch nicht. Mit mir wollen die Leute immer über Probleme reden, aber ich mag das gar nicht. Ich rede viel lieber über Lösungen und darüber, wie es ist, wenn alles gut ist, und wie man da hin kommt. Ich mache euch ein Angebot. Solange wir miteinander über diese Sachen reden können, reden wir nicht über Probleme. Erst wenn uns hier nichts mehr einfällt, reden wir über Probleme.“ Die Jungen waren einverstanden. Sie waren einfallsreich und kooperativ. Sie hatten gute Ideen, wie sie einander Gutes tun, sich versöhnen und gar nicht erst streiten können. Sie haben versprochen, alle Ideen auszuprobieren und alles, was sich bewährt, auszudehnen. Wir hatten ein gutes Gespräch.

Von Beten, Arbeiten, Genuss und Sünde

„Darf ich beim Beten rauchen?“,  fragte ein Mönch den Abt. „Nein“, sagte der Abt. „Darf ich beim Rauchen beten?“, fragte ein anderer den Abt. „Ja“, sagte der Abt. (Anonym überliefert)

Das Schlechte zu verbessern ist etwas anderes, als das Gute zu verschlechtern, selbst wenn es bei oberflächlicher Betrachtung das Gleiche zu sein scheint. Gleich ist die Erscheinung, ungleich die Haltung und die Auswirkung auf das weitere Denken und Verhalten.

Ein Mensch, der die Schönheit der Bäume vor seinem Büro bewundert und dabei seine Arbeit macht, erlebt etwas anderes als einer, der seine Arbeit macht und dabei (vielleicht noch) die Schönheit der Bäume sieht. Derjenige, der das offiziell Wichtige, aber nicht Lustbetonte als Begleitmusik neben dem offiziell Unwichtigen, aber Schönen laufen lässt, hat wesentlich mehr psychische Energie zur Verfügung, als der, der es umgekehrt macht. Daher wird er seine Arbeit selbst nebenbei besser machen, als der andere, für den die „hochwertige“ Arbeit absolut im Vordergrund steht. Das gilt besonders bei kundenorientierten, sozialen und burnoutgefährdeten Tätigkeiten, wo „gute Stimmung“ direkt zur Qualität der Arbeit beiträgt.

Eine Arbeit gelingt am besten, wenn sie mental, sozial und organisatorisch so arrangiert ist, dass sie Spaß macht.

Schaffe psychische Energie, und du bekommst Qualität.

Der Zufühler

Es gibt Menschen, die können gut zuhören. Und es gibt andere, die können gut zusehen. Ich kannte einen Menschen, der konnte beides recht gut. Doch besser noch konnte er etwas anderes. Mehr noch war er ein guter Zufühler. Wenn er einem anderen begegnete, so nahm er in Gedanken oder auch in Wirklichkeit dessen Haltung ein. Er schaute wie er, er atmete wie er, er bewegte sich wie der andere und nahm auch dessen Stimme an. Er fühlte, wie sich ein Mensch fühlt, der sich so ausdrückt und bewegt, wie der, dem er gerade begegnete. Dann fragte er sich oft, wie wohl eine Brücke beschaffen sein müsste, die von diesem Erleben wegführte, hin zu einem anderen, kraftvollen, freien und erlösten Leben. Weiterlesen

Weniger und weniger

Eine Frau, die vorhin bei mir war, bekam plötzlich starke Kopfschmerzen. Sie erklärte, das rühre von einem Bandscheibenvorfall. Ihr Gesicht war verzerrt, es war deutlich, dass sie sich kaum mehr auf etwas anderes konzentrieren konnte als auf den Schmerz. Ich sagte zu ihr: „Das tut weh, nicht wahr? Sauweh! Richtig sauweh tut das, und Sie wünschen sich, dass es bald weniger wird, in drei Minuten vielleicht weniger wird oder in zwei Minuten weniger wird oder dass es in einer Minute weniger wird oder in einer halben, oder vielleicht sogar noch schneller. Was meinen Sie, wann wird die Unannehmlichkeit weniger sein?“ „Es ist schon viel weniger“, antwortete sie.

Diese Methode für eine schnelle Anästhesie stammt von dem amerikanischen Hypnotherapeuten Milton Erickson. Bei starken Schmerzen ist es wichtig, zunächst bei der Wahrnehmung des Schmerzes anzuknüpfen (Pacing: Dem Symptomerleben folgen), bevor man ihn durch das Reden von „weniger und weniger“ reduziert (Leading: Zur Lösung führen).

Tagung: Die Kraft von Imaginationen und Visionen

Vom 1. bis 3. Mai 2008 findet in Heidelberg eine besondere Tagung mit besonderen Referentinnen und Referenten statt.

Das Symposium heißt „Die Kraft von Imaginationen und Visionen – Perspektiven der Neurobiologie, Psychotherapie und Beratung“. Der Untertitel der Tagung lautet: „Wie man Imaginationen in Psychotherapie, Beratung und im Leben generell als „Königsweg“ für die Entwicklung von Lösungs-Erleben nutzen kann“.

Die Referenten sind:

Prof. Gerald Hüther (Neurobiologe)
Prof. Verena Kast (Psychoanalyse)
Horst Krämer (Neuroimagination)
Prof. Luise Reddemann (PITT)
Dr. Bernd Schmid (Systemik)
Dr. Gunther Schmidt (Hypnosystemik).

Das Symposium wird veranstaltet vom Milton-Erickson-Institut Heidelberg. Die Teilnahme kostet 330,- Euro. Detaillierte Infos findet ihr hier. Anmeldung bei office @ meihei.de!

Ich wünsche allen, die dabei sind (und natürlich auch allen anderen, die aber etwas versäumen), viel Spaß und freue mich auf viele gute Begegnungen!

Struktur und Inhalt

Vor ein paar Tagen hat mir eine Kollegin entgegengeschleudert, ich hätte keine Meinung, eiere herum wie ein Weichei und sei überhaupt nicht auf Inhalte festzulegen.  Das hat mich verwundert, da ich mich im Umgang mit anderen Menschen meistens als sicher und entschlossen empfinde. So habe ich natürlich protestiert. Später fiel mir ein, dass mir vor Jahren ein anderer Kollege ganz ähnliche Vorwürfe gemacht hat.

Was beide Kollegen gemeinsam haben, ist dass sie Wert auf Fakten legen, auf „Professionalität“ und Abgrenzung vom minder professionellen Verhalten einiger Kollegen und Nicht-Fachleute. Nach einigem Nachdenken stellte ich fest, dass Weiterlesen

Die Sorgenschleuder

Als wir noch Schüler waren, spannten wir manchmal ein Gummiband zwischen zwei Fingern einer Hand, um gefaltete und geknickte Papierschnipsel auf andere Schüler zu schießen, oder auf den Lehrer, der mit dem Rücken zur Klasse an der Tafel stand. Das war zwar verboten, sorgte aber für eine ausgezeichnete Unterhaltung in der Klasse und vertrieb alle Langeweile. Mit einer zurechtgesägten Astgabel und einem Einmachgummi ließen sich sogar Steinschleudern bauen, deren Kraft wir aber lieber nicht an lebenden Wesen erprobten.
Immer wieder denke ich heute an diese Gummischleudern. Weiterlesen