Erickson-Geschichten XI (Tinnitus und Stille)

Erickson erzählt: Ich gebe dir eine Geschichte, damit du es besser verstehst… wir lernen nämlich Dinge auf eine sehr ungewöhnliche Art, auf eine Art, von der wir nichts wissen. In meinem ersten Collegejahr kam ich an einer Kesselfabrik vorbei. Die Arbeiter waren an zwölf Kesseln gleichzeitig beschäftigt, und sie waren in drei Schichten eingeteilt. Und diese pneumatischen Hämmer schlugen unablässig auf das Metall und trieben Nieten in die Kessel. Ich hörte den Lärm und wollte herausfinden, was es war. Nachdem ich erfuhr, dass es eine Kesselfabrik war, ging ich hinein und konnte darin niemanden reden hören. Ich konnte sehen, wie die verschiedenen Angestellten Gespräche führten. Ich konnte sehen, wie sich die Lippen des Vorarbeiters bewegten, aber ich konnte nicht hören, was er zu mir sagte. Er hörte, was ich sagte. Ich bat ihn nach draußen, damit ich mit ihm reden könnte. Und ich bat ihn um Erlaubnis, meine Decke mitzubringen und dort für eine Nacht auf dem Boden zu schlafen. Er dachte, mit mir stimmt etwas nicht. Ich erklärte, Weiterlesen

Zwei Wege

Ganz plötzlich war es gekommen. Taub und pelzig fühlte sich die rechte Hälfte ihres Körpers an. Anna ging zum Arzt. Der runzelte zunächst die Stirn und sagte gar nichts. „Verdacht auf MS“ war sein Ergebnis, als er die Untersuchungen abgeschlossen hatte. Im Krankenhaus erhielt sie Cortison. Einige Wochen später traten Schwindelanfälle auf. Nochmals einige Monate darauf wurde ihre linke Körperhälfte taub, wie zuvor schon die rechte. Wieder einige Monate später begann sie verschwommen zu sehen. Als blickte sie durch eine Milchglasscheibe, sah sie Menschen und Gegenstände. Der Arzt sah die Diagnose bestätigt. Wie in einem Traum nahm sie ihren Behindertenausweis in Empfang. „50 %“ stand darauf. Fürs erste, dachte sie. „Die Kraft der Gedanken“ hieß der Vortrag, von dem Anna später erzählte. Um Krankheit ging es darin nicht. Es ging vielmehr darum, sich seine Wünsche für die Zukunft bildlich und anschaulich vorzustellen, und zwar als einen schon erreichten Endzustand. Intensiv sollte sie spüren, wie sich dieser Zustand anfühlte. Sie sah sich auf einer Wiese, unbeschwert und glücklich. Sie bewegte sich frei und fühlte sich leicht. Sie spürte eine ungeheure Energie. Sie war davon so aufgewühlt, dass sie heftig weinte – und doch war für sie das Erlebnis befreiend. Jeden Tag stellte sie sich nun vor, wie sie dann aussähe, was sie tun würde und wie sie sich selbst spüren würde. Sie richtete ihre Aufmerksamkeit auf diese glückliche Zukunft. Sie trennte sich von allem, wovon sie fand, dass es nicht dazu passte. Viel genauer als früher nahm sie wahr, was sie stärkte und was ihrer Seele die Kraft rauben wollte. Sie richtete ihr ganzes Leben nach dem aus, was sie stärkte. Nach einiger Zeit konnte sie die Medikamente absetzen. Neun Jahre ist dies her. Die Symptome sind verschwunden und nicht wiedergekehrt.
Thomas lebt in der Schweiz. „Diagnose MS“ haben die Ärzte gesagt. Mit Mentaltraining und Selbsthypnose hat er sich länger befasst. Er hat sich anschaulich vorgestellt, wie es wäre, gesund zu sein und hat es, so gut es ging, gefühlt. Weitere Schübe kamen und immer wieder weitere. Er sieht vor sich einen einzigen Weg. Es ist sein Weg. Er lernt, seine Seele stark zu machen für das, was kommt. Er lernt, einen Alltag zu bestehen, der härter ist als der aller Menschen, die er kennt. Er lernt, aufrecht zu sein, obwohl er liegt. Er lernt Würde zu leben, obwohl ihn andere bemitleiden. Er lernt Kraft zu spüren, obwohl sein Körper schwach ist. Er lernt aus einer Energie zu leben, die viele Gesunde nicht kennen.

Aus: S.Hammel, Der Grashalm in der Wüste, S. 58f.

Anna ist mir persönlich bekannt, Thomas ein Freund einer Freundin.

Heuschnupfen auflösen

Eine schöne Suggestivmethode bei Heuschnupfen beschreibt Hans A. Abraham aus Palm Beach, Florida, in Hammonds „Handbook of Hypnotic Suggestions and Metaphors“. Methodisch handelt es sich um die imaginative Nutzung eines Placeboeffektes zur Systematischen Desensibilisierung allergischer Reaktionen. Bei der hypnotischen Allergietherapie ist es besonders wichtig, das Vorgehen nicht abzubrechen, sondern zu intensivieren, wenn ein (vermuteter) Teilerfolg eintritt. Hilfreich ist es, das Vorgehen auf angrenzende Allergien auszudehnen, um Verwechlungen auszuschließen (z.B. wird eine noch vorhandene Gräserallergie für eine Haselallergie gehalten, die bereits aufgelöst ist). Abraham suggeriert Folgendes:

„Die globale Mobilität in unserer Welt bringt es mit sich, dass Menschen in unserem Zeitalter jederzeit in alle Kontinente und wieder zurück reisen. Auch wird zu jeder Zeit auf vielen Wegen Frachtgut zwischen den Ländern und Kontinenten hin und her transportiert. Dadurch ist auch bei uns zu jeder Zeit mit einem gewissen Maß an Pollen in der Luft zu rechnen, wenn auch zu wenige, als dass sie irgendwelche Symptome produzieren könnten. Weiterlesen

Kopfschmerzen auflösen

Zwei schöne Methoden bei psychogenem Kopfschmerz habe ich gefunden.

Louise L. Hay schreibt: „Kopfschmerzen entstehen durch Selbstverletzung. Wenn Sie das nächste Mal Kopfschmerzen bekommen, halten Sie ein, und fragen Sie sich, wo und wie Sie sich gerade unrecht getan haben. Vergeben Sie sich, lassen Sie davon ab, und der Kopfschmerz wird sich in das Nichts auflösen, aus dem er gekommen ist. Migräne bekommen Leute, die vollkommen sein wollen und sich selbst unter Druck setzen. Migräne bedeutet eine Menge unterdrückten Ärger zu haben. Interessanterweise kann man Migräne durch Masturbation lindern, wenn Sie damit beginnen, sobald Sie die Migräne spüren. Die sexuelle Entspanntheit löst die Anspannung und den Schmerz. Sie mögen es nicht als Masturbation empfinden, aber es ist sicher einen Versuch wert. Sie können nichts dabei verlieren.“ (L.L.Hay, Gesundheit für Körper und Seele, 170)

Es ist sicher unnötig, zu erwähnen, dass es auch zahlreiche organische Ursachen für Kopfschmerzen gibt, die man gegebenenfalls ärztlich abklären sollte. Weitere hypnotische Interventionen bei Kopfweh und anderen Schmerzen finden Sie hier.

Eine Sammlung mit vielfältigen Hausmitteln und Methoden zum Nachmachen findet ihr in einem Video von Home & Relax.

Nägel machen Leute

Ein Mädchen, 13 Jahre alt, hat mir gestern erzählt: „Es gibt an meiner Schule eine ganze Menge Leute, die meinen, sie müssten mich jeden Tag absichtlich nerven. Das sind vor allem einige Knirpse aus der fünften Klasse und eine Anzahl Leute aus meiner Klasse. Letzte Woche habe ich mit einer Freundin nachmittags Nagellack ausprobiert. Am Schluss ging sie weg und nahm den Nagellackentferner mit. Ich hatte noch zwei Nägel schwarz lackiert und ging halt so in die Schule. An diesem Tag ärgerte mich keiner von den Fünftklässern, die mir sonst ständig auf die Nerven gehen. Also lackierte ich am folgenden Tag alle Nägel schwarz, zog mich ganz schwarz an und schnallte mir einen Nietengürtel um. An diesem Tag ärgerte mich keiner der Fünftklässler und überhaupt keiner aus meiner Klasse. Das war völlig unglaublich! Nico, der immer nervt, machte nur den Mund verächtlich auf, schaute an mir hoch, klappte den Mund wieder zu, drehte sich um und ging. Heute trug ich nur noch eine schwarze Jacke, die ich auch sonst manchmal anhatte. Keiner hat mich mehr geärgert. Die Wirkung hält an.“

Erickson-Geschichten V

Erickson erzählt: In Worcester hatte ich einen Patienten, der jeden Gruß erwiderte. Wenn man ihm eine Frage stellte, blickte er einen freundlich an. Er war sanft, leicht lenkbar, sehr ruhig. Er ging in die Kantine, ins Bett, war ordentlich, hatte nichts zu sagen. Er sagte lediglich „Hallo!“ oder „Auf Wiedersehen!“. Ich gab den Versuch auf, ihn zu befragen. Ich wollte seine Geschichte hören, und er war ganz offensichtlich in einer Welt, die nicht existierte. Ich brauchte eine ganze Weile, um herauszufinden, wie ich in seine Welt eindringen konnte. Eines Tages ging ich auf ihn zu und sagte „Hallo!“ Er sagte: „Hallo.“ Dann zog ich meine Jacke aus, kehrte das Innere nach außen und zog sie wieder an, mit der Rückseite nach vorn. Dann nahm ich seine Jacke, kehrte das Innere nach außen und zog sie ihm wieder an, mit der Rückseite nach vorn. Ich sagte: „Ich möchte gern, dass du mir deine Geschichte erzählst.“ Ich bekam seine Geschichte. Schließ dich dem Patienten an.

Lautstärkeregler

Sie liebte es, in die Disco zu gehen. Wenn ihre Eltern sie abholten, wunderten sie sich jedes Mal: „Wie kannst du es aushalten bei dem Krach?“ Doch sie wusste: Laut ist die Musik nur am Anfang. Schon bald ist das Laute nicht mehr laut. Das Ohr stellt die Lautstärke nach.
Sie liebte es, abends im Bett noch leise Radio zu hören. Zwar hatten ihr die Eltern das verboten, wenn sie am nächsten Tag Schule hatte, doch stellte sie das Radio so leise ein, dass sie fast nichts mehr hörte. Sie wusste: Leise ist die Musik nur am Anfang. Schon bald ist das Leise nicht mehr leise. Noch mehrere Male kann sie das Radio noch leiser stellen, und immer noch hört sie alles genau. Denn das Ohr stellt die Lautstärke nach.

Erickson-Geschichten IV

Erickson erzählt: Als meine Tochter Kristi Medizin studierte, las sie einen Aufsatz von Ernest Rossi und mir über Doppelbindung. Sie kam zu uns und sagte: „Also, so mache ich es!“ Rossi fragte: „Was machst du so?“ Sie sagte: „Jeder Patient hat das Recht, Bruchuntersuchungen und vaginale oder rektale Untersuchungen durch einen Medizinstudenten zu verweigern. Keine von den anderen Studentinnen hat solche Untersuchungen gemacht, aber ich habe bei jedem meiner Patienten eine Bruchuntersuchung sowie eine vaginale oder rektale Untersuchung durchgeführt.“ Ich fragte sie, wie sie das mache, da doch alle Patienten das Recht hätten, diese Untersuchungen zu verweigern. Sie sagte: „Wenn ich zu diesem Teil der Untersuchung kamm, lächelte ich freundlich und sagte sehr mitfühlend: ‚Ich weiß, Sie haben es satt, dass ich Ihnen in die Augen sehe und in die Ohren und in die Nase und in den Hals, Sie hier betaste und dort abklopfe. Sobald ich jetzt die rektale Untersuchung und die Bruchuntersuchung durchgeführt habe, können Sie mir Auf Wiedersehen sagen.‘ “ Und alle warteten geduldig, bis sie ihr Auf Wiedersehen sagen konnten. (Rosen, 107f.)

Erickson-Geschichten III

Erickson erzählt: In dem Dorf Lowell, in Wisconsin, schneite es in jenem Winter zum ersten Mal am 12. November, kurz vor 4 Uhr nachmittags. Und das Kind auf dem dritten Platz in der dritten Reihe, direkt neben dem Fenster, fragte sich: „Wie lange werde ich mich hieran erinnern?“ Ich grübelte einfach… Ich wusste genau… Ich wusste, es war der 12. November im Jahre 1912. Es war sehr leichter Schnee. (Rosen, S. 68)

Seminar Metaphernschmiede

Inzwischen stehen die Details für das zweitägige hypno-systemische Geschichten-Seminar „Metaphernschmiede“ fest, das ich vom 25.7. – 26.7.2008 beim Milton-Erickson-Institut Heidelberg (Gunther Schmidt) halte. Den Ausschreibungstext und eine Anmeldemöglichkeit für das Seminar finden Sie hier.

Ziel des Seminars ist es, zu lernen, wie man…

* therapeutische Geschichten für Klientinnen und Klienten findet
* jederzeit Beispielgeschichten für einzigartige Situationen erfindet
* Erzählungen therapeutisch wirksam formuliert und einbettet
* Problemmetaphern in Lösungsmetaphern transformiert
* wegweisende, warnende und aktivierende Geschichten aufbaut.