Herzstillstand

Auf dem Flur der Psychiatrie sprach mich vor einiger Zeit ein junger Mann an:

„Sind Sie Pfarrer?“
„Ja.“
„Meinen Sie, dass Gott vergibt?“
„Ich meine das schon. Warum fragen Sie?“
„Ich denke, dass Gott mich bald sterben lässt. Meinen Sie, Gott kann mein Herz anhalten?“
„Was meinen Sie denn dazu?“
„Ich habe Angst, dass Gott mein Herz anhält.“
Ich hatte wenig Zeit und vereinbarte ein Gespräch für den übernächsten Tag. Seine Fragen und Aussagen im zweiten Gespräch waren dieselben wie beim ersten Mal, und auch sonst wirkte er auf mich unverändert. Auf meine Nachfragen hin erklärte er:
„Ich habe einen Deal mit Gott, dass ich mit den Drogen aufhöre und er mich dafür leben lässt. Aber ich weiß nicht, ob Gott sich daran hält.“
Ich brachte in Erfahrung, er habe Amphetamine gespritzt und gekifft, und mindestens einmal sei er in einem kritischen Zustand in eine Klinik eingeliefert worden. Seine Freunde seien alle drogenabhängig, von seinen Familienangehörigen erwarte er sich keine Hilfe.
Er erklärte, er sei in eine „große Sache hineingeraten“, in der „Gott eine wichtige Rolle“ spiele. Sein Hauptinteresse bestand darin, zu erfahren, ob Gott ihm vergebe und ihn leben lasse. Mit einem jenseitigen Leben rechnete er nicht, sondern: „Mit dem Tod ist alles aus“.
Ich versuchte, ihn darauf anzusprechen, welche Einflussmöglichkeiten er im Rahmen des Deals habe, doch wir landeten sogleich wieder bei Gottes unergründlichen Plänen. Ob Gott ihm vergibt? Ich erzählte ihm die Geschichte vom verlorenen und wiedergefundenen Sohn, und dass Jesus damit gesagt habe, dass Gott gerade Leuten wie ihm vergibt und ein neues Leben ermöglicht. Er hörte interessiert zu und kehrte dann sofort wieder zu seinem Thema zurück:
„Sterben müssen wir alle, nicht wahr?“
„Ja.“
„Kommt es oft vor, dass Gott bei Leuten in meinem Alter das Herz stehen lässt? Kennen Sie Leute in Ihrem Alter, bei denen das Herz stehen geblieben ist?“
„Nein.“
„Sie kennen niemanden? Kommt das bei jungen Leuten selten vor?“
„Ja.“
„Wie alt sind Sie?“
„Ich bin 42. Wie alt sind Sie eigentlich?“
„23.“
„23 Jahre… Stellen Sie sich die 23 einmal vor, wie eine Zahl auf einer Leinwand. Welche Farbe hat die Zahl?“
„Blau.“
„Hell- oder dunkelblau?“
„Hellblau.“
„Schön. Stellen Sie sich die hellblaue 23 einmal auf einem Grabstein vor. Welche Farbe hat der Stein.“
„Braun.“
„Schön. Eine hellblaue 23 auf einem braunen Grabstein. Stellen Sie sich einmal vor, wie die Zahlen 2 und 3 auf dem Grabstein umeinander kreisen, und schließlich bleiben sie stehen, mit der 3 vorne. Welche Zahl steht auf dem Grabstein?“
„Eine 32.“
„Wollen Sie lieber den Grabstein mit der 23 oder den mit der 32?“
„32 ist besser!“
„O.k. Jetzt lassen Sie die 3 mal vorne rund zusammenwachsen, so dass das obere und untere Ende eine Kurve nach innen machen und sich bei dem mittleren Arm treffen. Welche Zahl haben Sie jetzt?“
„82.“
„Genau. Ist das noch besser?“
„Viel besser.“
„Jetzt haben Sie einen Grabstein, da steht drauf „82“. Vielleicht schreiben wir noch Ihren Namen drauf. Wie heißen Sie?“
„Thorsten.“
„O.k. Auf dem Grabstein steht: ‘82 – Thorsten’. Vielleicht können wir noch drauf schreiben: ‘Gestorben an Herztod’. Was meinen Sie?“
„Das ist gut.“
„82 – Thorsten – gestorben an Herztod. Oder: Wir trauern um Thorsten, 82, gestorben an Herztod. Vielleicht sollen wir noch schreiben ‘Gott ist gnädig’ – oder ‘Wir danken Gott’?“
„‘Wir danken Gott’ ist gut.“
„Also, auf dem Grabstein steht in hellblau: „82 – Thorsten – Gestorben an Herztod – Wir danken Gott. Möchten Sie Blumen auf dem Grab?“
„Ja.“
„Welche Farbe?“
„Das ist egal.“
„Also, es ist ein brauner Grabstein, und darauf steht in hellblau: ‘82 – Thorsten – Gestorben an Herztod – Wir danken Gott’, und auf dem Grab sind Blumen. Ist das gut so?“
„Ja, das ist gut.“
„In Ordnung. Sie brauchen das Grab später noch. Bis dahin können Sie auf dem Friedhof spazieren gehen, oder auch außerhalb. Ist das für Sie in Ordnung?“
„Ja. Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich jetzt eine rauchen gehe?“
„Das ist in Ordnung.“
„Vielen Dank für das Gespräch!“

Erektionsstörung

In der nächsten Zeit möchte ich gerne ein paar der Situationen beschreiben, die in der Therapie auftauchen.

Ein Mann kam beispielsweise zu mir mit dem Wunsch, eine Erektionsstörung zu beheben. Das Problem sei erstmals aufgetreten, nachdem er mit seiner jetzigen Freundin zusammen sei. Er finde sie äußerst attraktiv, sie allerdings beziehe das Problem auf sich und fühle sich sehr gekränkt. Dadurch werde die Beziehung belastet.
Nachfragen nach weiteren Problemen in der Partnerschaft und nach besonderen Ereignissen, die auslösend gewirkt haben könnten, blieben ergebnislos. So erklärte ich dem Mann, es wäre möglich, dass die Schwierigkeit gewissermaßen aus dem Nichts entstanden sei, sich selbst aufrechterhalte und nur eine einmalige Unterbrechung der kreisförmigen Dynamik des Problems notwendig sei, um es zu beheben. Ich äußerte die Gewissheit, dass das Symptom, wenngleich mit ungünstigem Ergebnis, eine gute Absicht verfolge und fragte ihn:
Wenn der Persönlichkeitsanteil, der das Symptom erzeugt, etwas Gutes für ihn erreichen wolle, was wäre dies? Welche Angst oder Befürchtung drückt er aus, und wovor möchte er Sie folglich schützen?
Ich bat ihn, mir die fünf ersten Impulse zu nennen, die ihm dazu einfielen. Der Mann erklärte, das Erektionsproblem könne die Angst ausdrücken, nicht männlich genug zu sein, seine Freundin zu kränken, von ihr verlassen zu werden, dass seine Angst den Austausch von Zärtlichkeiten unmöglich mache und dass er ein sexuelles Problem habe, das er nicht lösen können werde.
Ich notierte seine Antworten und las sie ihm einzeln nochmals vor.
Nach dem Verlesen der ersten Antwort teilte ich ihm mit, ich spräche nun mit dem Persönlichkeitsanteil, der diesen Satz hervorgebracht habe und lobte diesen Anteil für sein Engagement zum Schutz des Klienten. Ich erklärte, es bestünde trotz bester Absicht von seiner Seite ein Missverständnis und seine Methode erbringe nicht das gewünschte Ergebnis und fragte ihn, ob er bereit wäre, probeweise für eine Woche still zu sein und zuzuschauen oder auch für diese Zeit zum Wohl des Klienten probeweise das Gegenteil des Bisherigen zu tun. Wenn das Verhalten sich bewährte, solle er anschließend mehr desselben tun, wenn nicht, dürfe er zum bisherigen Muster zurückkehren oder etwas Neues probieren. Er möge sich des Kopfes des Klienten bedienen und seine Antwort durch Nicken oder Kopfschütteln mitteilen. Der Persönlichkeitsanteil stimmte dem zu.
Dieselbe Vereinbarung traf ich mit den anderen vier Anteilen, von denen mir der Mann mitgeteilt hatte, dass sie seine Sexualität blockierten.
Die Erektionsstörung verschwand innerhalb der nächsten Tage.

Die Fallsituation habe ich beschrieben und weiterführend besprochen in: Stefan Hammel, Handbuch der therapeutischen Utilisation. Vom Nutzen des Unnützen in Psychotherapie, Kinder- und Familientherapie, Heilkunde und Beratung. Klett-Cotta, Stuttgart 2011, S. 102ff.

Webtipp: Prüfungsangst

Eine schöne Website zu Prüfungsangst ist www.pruefungsangst.de. Die Seite ist noch im Aufbau, ist aber jetzt schon sehenswert und sehr informativ. Neben fundierten Informationen zum Thema selbst findet sich dort eine Liste von Beratern und Therapeuten, die Hilfe bei Prüfungsangst anbieten und ein Austauschforum für Betroffene. Der Seitenautor, Nicolai Tassilo Semmler, ist Diplompsychologe, Hypnotherapeut (ausgebildet nach Milton Erickson) und NLP-Trainer in Hamburg.

Natürlich könnt ihr Prüfungsangst auch bei mir hypnotherapeutisch oder im Rahmen von systemischem Coaching bearbeiten. Anfragen per Telefon unter 06301 – 710408, über meine Institutswebsite oder per Mail unter stefan.hammel@hsb-westpfalz.de.

 

Hypnose: Sicherheit vor Übergriffen

Mancher möchte sich auf die Erfahrung „Hypnose“ einlassen – und sich gleichzeitig vor unerwünschten Suggestionen schützen, die in die Trancearbeit eingestreut sein können – oft unabsichtlich, seltener beabsichtigt.

Das Problem besteht weniger bei einem Mentaltrainer oder Hypnotherapeuten, den man kennt und zu dem man Vertrauen hat. Es besteht aber ganz konkret, wenn man sich auf jemanden Unbekanntes einlassen möchte, und wenn man sich Hypno-CDs kauft oder Trancen auf Tonträgern im Internet anhört. Wie erreiche ich also die größtmögliche Absicherung gegen Suggestionen, die mir nicht entsprechen? Hier einige meiner Methoden. Weiterlesen

Lesenswert: Therapie in Trance

Die NLP-Begründer Richard Bandler und John Grinder präsentieren mit dem Buch „Therapie in Trance“ eine ausgezeichnete Sammlung von praktischen Anleitungen zur Induktion von Hypnose für Anfänger und Fortgeschrittene. Sie geben grundlegende Hinweise, wie man in hypnotischer und selbsthypnotischer Trance Sichtweisen und Verhalten verändern kann und welche Risiken man dabei beachten sollte. Sie tragen damit zur Entmythologisierung und Erlernbarkeit von Hypnose bei. Das Buch gibt eine Gebrauchsanweisung. Es macht zugleich deutlich, dass Hypnose Respekt verdient wie ein Medikament, das sachkundig gebraucht werden muss, wenn es helfen und nicht schaden soll.

Über das Neuro-Linguistische Programmieren (NLP) ist viel diskutiert worden. Grinder und Bandler entwickelten die Methodik vor allem, indem sie die Vorgehensweisen des Hypnotherapie-Entwicklers Milton Erickson analysierten. Erickson hat sich kritisch über ihr Ergebnis geäußert: „Sie wollten mich in eine Nussschale packen. Jetzt haben sie die Schale.“ Spätere Kritiker haben betont, Weiterlesen