Einen Engel für den Weg

Im vorletzten Jahrhundert lebte in unserer Gegend ein Mann, der bekannt wurde, weil in seiner Umgebung oft Wunder geschehen sind. Menschen, die man für unheilbar krank erklärt hatte, wurden gesund, nachdem er für sie gebetet hatte. Dieser Mann hatte einen besonderen Brauch. Wenn er sich von jemandem verabschiedete, sagte er oft: „Ich gebe dir einen Engel mit auf den Weg.“ Darüber waren viele Leute verwundert. Zum einen gab es schon damals viele, die nicht an Engel glaubten. Und von den anderen mögen viele gesagt haben: „Wie kann er über die Engel bestimmen? Engel hören doch nur auf Gott.“ Ich weiß nicht, ob das stimmen kann. Ich bezweifle sogar, ob Leute, die so etwas sagen, überhaupt irgendetwas von Engeln verstehen. Ich weiß aber, dass viele Leute, die ihn besuchten, einen tiefen Frieden mit nach Hause nahmen und von da an wussten, dass sie behütet sind. Darum ist es mir auch egal, was andere denken, wenn ich jetzt zu dir sage: Ich gebe dir einen Engel mit auf den Weg.

Nachhaltigkeit

Eine Kollegin hat mir vorhin geschrieben:

„Hallo Herr Hammel,

am Freitag stand ein interessanter Artikel über den Designer Hartmut Esslinger (u.A. hat er stark das Design von Apple geprägt) in der Süddeutschen Zeitung. Eine Passage daraus will ich Ihnen gerne weitergeben:
Esslinger wird gefragt, wie Design in 30 Jahren aussehen wird. Und hat darauf keine Antwort. Er weiß nur, dass die Menschen vom Materiellen wegkommen müssen, denn dass könnten wir uns nicht mehr leisten.
Das perfekte Design sei für ihn ein Geschichtenerzähler, der früher auf dem Marktplatz stand. „Der brauchte nur ein bisschen Luft, Wasser und etwas zu essen – und hat trotzdem mit seinen Geschichten enorm viel ausgelöst bei seinen Zuhörern. Da müssen wir hinkommen.“

Sie sind schon da!“

Ich habe zurückgeschrieben: „Sie hätten mir kein schöneres Kompliment machen können. Danke!“

Ob ich wirklich schon da bin, daran zweifle ich. Aber das, was ich auf dem Weg bislang gelernt habe, möchte ich gern mit anderen teilen. Vielleicht kommen wir zusammen hin.

 

 

Es geht ihnen gut

Manchmal gibt es Dinge zwischen Himmel und Erden, die man rational nicht erklären kann – und auch nicht muss.

Ich sah vor mir dieses Bild, mitten am Tag. Eine kleine Hütte mit Stroh gedeckt, am Rand eines Dorfes fern, fern in der Savanne Afrikas. Vor der Hütte spielten Kinder, und im Haus machte sich ihre Mutter mit dem Säubern und Ordnen von Gegenständen des täglichen Lebens zu schaffen. Ich sah dieses Bild, und ich erkannte: Das ist die Familie meines Nachbarn aus Kenia. Und ich wusste plötzlich: „Es geht ihnen gut.“ Ein seltsamer Tagtraum – ob ich ihm davon erzählen soll? Ich vergaß das Bild und ging meinen alltäglichen Geschäften nach. Drei Tage später fiel mir die Szene wieder ein und der Satz: „Es geht ihnen gut“. Ob das wohl etwas zu bedeuten hatte? Ich ging zu meinem Nachbarn. „Ich muss Ihnen einmal etwas erzählen. Ich hatte einen merkwürdigen Traum. Ich weiß nicht, was Sie davon halten…“, so erzählte ich ihm. Der Mann aus Afrika sah mich mit großen, ernsten und glücklichen Augen an. Dann brach es aus ihm hervor: „Ich danke Ihnen von ganzem Herzen! Meine Familie schreibt mir bisher jeden Tag. Jetzt aber habe ich seit einer ganzen Woche nichts mehr von ihnen gehört. Ich bin in großer Sorge gewesen! Was Sie mir sagen, ist eine äußerst wichtige Nachricht für mich! Ich danke Ihnen…“ So wird man zum Briefboten.

Aus: Stefan Hammel, Der Grashalm in der Wüste, S. 20f.

Die Bücher des Erzählers

Diese Geschichte liebe ich sehr.

Eigentlich heißt sie „Der Geschichtenerzähler“, nur gibt es unter diesem Namen im HYPS-Blog schon eine Geschichte. So habe ich mir mit einem anderen Titel beholfen und hoffe, es ist recht. Geschrieben hat sie meine Kollegin Katharina Lamprecht. Ich freue mich, dass ich sie mit euch teilen darf!

Vor langer Zeit lebte im Oman einmal ein Gelehrter. Er besaß viele hundert Bücher, für ihn waren sie wie seine Familie und er kannte jedes einzelne gut.
Eines Tages geschah es, dass er vergaß, eine Kerze zu löschen und sein Heim ging in Flammen auf. Zum Glück konnte er sich rechtzeitig aus dem Haus retten und er nahm so viele Bücher mit, wie er tragen konnte. Da er die dicken mit den vielen Seiten besonders liebte, ergriff er vorwiegend diese.
Am nächsten Morgen durchstöberte er noch mal die Ruinen seines Hauses.  Aber er fand nichts von Wert unter den  verkohlten Brettern.  Nichts außer einem kleinen Bändchen mit Geschichten. Seufzend steckte er es in seine Tasche und begann zu überlegen, wie es nun für ihn weitergehen sollte. Er besaß nun nichts mehr außer den Kleidern, die er am Leib trug,  die paar Dinar, die er in seinen Taschen hatte und einer Handvoll Bücher. Er beschloss, die Gelegenheit, so bitter sie auch für ihn war, zu nutzen und bevor er zu alt würde, einmal in die Welt hinaus zu ziehen. Um sich anzuschauen, wovon er immer nur gelesen hatte.  Er bereitete sich so gut es ging auf seine Reise vor. Vor allem bedachte er, welche Bücher er mitnehmen sollte. Denn ganz ohne ein Buch auf eine so lange Reise zu gehen, war für ihn unvorstellbar.  Da er nur einen kleinen Handkarren hatte,  war es ihm nicht einmal möglich, alle geretteten Bücher mit zu nehmen. Die Entscheidung fiel ihm nicht leicht,  und er dachte lange darüber nach, packte welche ein, dann wieder aus, nahm andere zur Hand, bis er sich schweren Herzens für  einige entschied.  Besonders dicke, inhaltsreiche Bücher hatte er eingepackt.  Als er aufbrechen wollte sah er, dass im Karren noch ein schmaler Spalt leer geblieben war. „Ich kann noch ein kleines Buch hineinstecken“, dachte er und griff sich das dünnste Buch, das er hatte. Es war das Buch mit den Geschichten.  Dann zog er los.
Nun musste er als erstes durch eine unwirtliche und gefährliche Gegend ziehen. Nach einigen Tagen wurde er von Räubern überfallen, die ihm alles abnahmen was er besaß. Ausgenommen seinen Bücherkarren, den sie  hohnlachend in einen Graben stießen.  Noch ärmer als zuvor zog der Mann weiter. Er schätzte sich  glücklich, dass er seine geliebten Bücher hatte retten können. Am Abend fand er eine kleine Herberge und bat um ein Nachtlager. Da er kein Geld hatte, entschloss er sich schweren Herzens, eines seiner Bücher als Bezahlung anzubieten. Der Gastwirt, der keine echte Verwendung für ein Buch in seinem Gasthaus hatte, war ein gutmütiger Mann und so gewährte er dem Gelehrten Unterkunft und nahm einfach das dickste Buch, das er finden konnte.
So zog der Alte mit seinem Handkarren immer weiter. Manchmal konnte er sich mit Hilfsdiensten ein paar Dinar verdienen und die Herberge bezahlen, aber oft fand er keine Arbeit. Er konnte ja auch im Grunde nichts, was unterwegs irgendwie nützlich gewesen wäre, denn er verstand nicht viel von handwerklicher Arbeit. So wurde sein Karren immer leerer und leerer, bis außer dem  kleinsten Buch, dem mit den Geschichten, nichts mehr darin war. So steckte er es in seinen Mantel, verkaufte den Karren und ging weiter.
Als auch dieses Geld aufgebraucht war, musste er abends  oft unter freiem Himmel schlafen, da es  unter den Herbergsleuten nur wenige gab, die ihm ohne Bezahlung ein Dach über dem Kopf gegeben hätten. Eines Abends traf er, auf der Suche nach einem geeigneten Rastplatz, ein paar Beduinen, die gerade in einer Senke ihr Lager aufschlugen. Er bat sie, sich zu ihnen legen zu dürfen. Sie hießen ihn willkommen und machten Platz an ihrem Feuer.  Nachdem sie auch ihre wenige Wegzehrung mit ihm geteilt hatten, hob einer von ihnen an und erzählte eine Geschichte.  Bereits nach wenigen Worten war der alte Gelehrte ganz verzaubert von dieser Erzählung und lauschte andächtig und mit Freude. In dieser Nacht erzählten die Beduinen noch viele Geschichten und als der alte Mann am nächsten Morgen aufbrach, gingen sie ihm immer noch im Kopf herum.
Als er am Abend wieder an eine Herbergstür klopfte antwortete er  auf die Frage, ob er denn Geld habe, ganz unwillkürlich: „Nein, aber ich könnte deinen Gästen heute Abend eine Geschichte erzählen“. Der Wirt war einverstanden und so kam es, dass der alte Gelehrte, der  so viel wusste über Geologie, Philosophie, Religionskunde, fremde Länder, die Künste der Mathematik, Physik und Literatur, dass er entdeckte, dass ein kurze Geschichte, ein Märchen, ihm bessere Dienste leistete, als all sein Fachwissen.  Und plötzlich fiel ihm das dünnste seiner Bücher ein, das mit den vielen Geschichten, das er immer noch im Mantel trug. Er nahm es heraus und begann, jeden Abend  in der Herberge daraus vorzulesen. Es kamen täglich mehr Gäste ins Wirtshaus, um ihm zu zuhören, so dass der Wirt ihm anbot, für eine Weile bei ihm zu bleiben.
Manchmal, wenn der Gelehrte am Abend seine Geschichte erzählt hatte, wusste auch einer der Gäste eine zu berichten und so lernte er immer mehr Geschichten kennen. Bald schon kamen die Leute und fragten, ob denn der Geschichtenerzähler heute  wieder da sei und man lud ihn ein, in andere Dörfer zu kommen, um die Bewohner  mit seinen Worten in andere Welten zu führen.
„Warum nicht“, dachte er bei sich, denn inzwischen kannte er schon beinahe so viele Geschichten, wie er Bücher gehabt hatte. Manchmal erfand er sogar neue, sie kamen ihm einfach von ganz alleine in den Sinn. Es schien, als sprudele eine lebhafte Quelle in seinem Inneren,  wenn er nur still genug lauschte.
Es vergingen viele Jahre, in denen der Gelehrte, der inzwischen ein  Geschichtenerzähler war, durch das Land zog und seine Märchen erzählte.  Das kleine schmale Buch brauchte er schon lange nicht mehr, aber von all seinen Büchern, war es ihm das Liebste geworden und er trug es stets bei sich. Es erinnerte ihn  daran, dass ein Schatz an Wissen nicht einhergeht mit der Anzahl der  Bücher, die man gelesen hat.

Die goldenen Eselsohren

Diese Geschichte stammt von meinem Kollegen Martin Niedermann, der als Geschichtenerzähler, Coach und Heilpädagoge in Bern lebt und arbeitet. Ich freue mich sehr, dass ich sie euch weitergeben darf!

St. Nikolaus ist mit dem Esel unterwegs. Heute geht’s zu den Kindern und der Samichlaus soll nach alter Sitte Braves loben und Böses tadeln. „Das sollte kein Problem sein“, denkt der Samichlaus, „steht alles im goldenen Buch und am Schluss gibt es die Bescherung“.
Bei den Kindern angekommen war es doch nicht mehr so einfach, das goldene Buch war nicht dabei. „Schon wieder etwas vergessen! Es ist zum Bartausraufen“ dachte der Samichlaus. „Ich bin halt alt, vergesslich und zu nichts mehr nütze“.
Das blieb den Kindern nicht verborgen. „Der Samichlaus ist ein Depro!“ meint ein Kind zu den andern, „was hat der uns schon zu sagen.“ „Ein Depro, ein Depro! “ Alle Kinder sangen und tanzten um den Samichlaus.

„Ich werde wohl nie mehr Kinder besuchen, ich bin kein Vorbild, ich bin eine Gefahr und kann ihnen nicht mehr helfen, Gutes und Schlechtes zu unterscheiden, ich geh am besten nach Hause.“

Ja, die trüben Gedanken fanden allmählich den Weg zum Herzen und er tat einen tiefen Seufzer vor lauter Kummer. Gedankenverloren streichelte der Samichlaus seinen lieben Esel. „Was meinst du, treten wir ab und gehen  still und leise nach Hause?“ fragte Samichlaus seinen Esel. Er war so in sein Selbstgespräch versunken, dass er nicht wahrnahm, wie die Kinder stille wurden, und den alten Mann und seinen Esel umringten und ihm bei seinem Gespräch zuhörten.
„Was machst du da“  fragte endlich ein Kind, „du redest mit deinem Esel? Kann der den antworten? “
„Das weiss ich nicht so genau“ erwiderte der Samichlaus nachdenklich, „aber er kann zuhören! Und wie er das kann!!! Schaut doch mal seine grossen Ohren. Ich glaube, er kennt das goldene Buch in – und auswendig! So oft hat er schon hören müssen! Er weiss alles, was ich mühsam aufschreiben muss, um es den Kindern zu erzählen. Probiert’s nur aus: Macht es so wie ich: erzählt, was euch schwerfällt und was euch freut, was ihr gerne anders hättet und mit was ihr zufrieden seid. Ich bin sicher, der Esel versteht euch und lässt es in sein grosses Herz. Ihr könnt sicher sein, der Esel wird schweigen“.
Es bildete sich eine längere Warteschlange vor dem Esel und sie flüsterten ihm leise etwas in die Ohren. Und, so bestätigten hinterher alle Kinder, der Esel hat’s begriffen.
Einige meinten sogar, der Esel habe auch das verstanden, was sie nicht sagen wollten und konnten.
„Ich glaube, so eine schöne Feier habe ich noch nie erlebt. Und, das nächste mal wird das Buch sowieso zuhause blieben“ sinnierte der Samichlaus. „Nur der Esel muss unbedingt mitkommen,“ meinten die Kinder.
„Seltsam,“ dachte der Samichlaus beim Nachhauseweg, „kann es sein, dass die Ohren von meinem Esel ein klein wenig golden schimmern?“

Samichlaus = St. Nikolaus

Der neugierige Maori

Die folgende Geschichte hat meine Kollegin Katharina Lamprecht verfasst. Die Erzählung hat mir gut gefallen, für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ebenso wie als Beitrag im Gespräch mit Eltern, Lehrern und anderen erziehenden Personen. Ich freue mich, dass ich sie hier veröffentlichen darf…

Wie ihr vielleicht wisst, leben in Neuseeland auch heute noch die Maori – die Ureinwohner. Und sie versuchen, ihre alten Traditionen mit dem modernen Leben zu verknüpfen. Darin sind sie recht erfolgreich. Manchmal aber kommt es zu ungewöhnlichen Situationen und von einer solchen möchte ich euch erzählen.

Auf einem Campingplatz auf der Südinsel, der von den Maori verwaltet wird, gibt es einen Hangi, den alle Gäste des Campingplatzes benutzen dürfen. Ein Hangi  ist ein maorischer Herd und sieht in etwa so aus: in die Erde wird ein rechteckiges Loch gegraben und dann nach oben mit einer Mauer umgeben. In dieses gemauerte Rechteck werden Grillroste eingelassen, auf denen dann Fleisch, Gemüse und Kartoffeln in schönster Eintracht gemeinsam in einem Topf liegen und wunderbarer Weise auch alle zusammen gleichzeitig in dem heißen Dampf, der aus der Erde aufsteigt, gar werden. Und zwar immer genau richtig, nie zu weich oder hart. Bevor man also auf eine Wanderung aufbricht, packt man sein Abendessen in den Hangi und egal, wann man wiederkommt, das Essen ist fertig.

Eine Familie auf dem Campingplatz hatte einen 10 jährigen Sohn, der sehr wissbegierig war und schon zu Hause alles, was ihm unter die Finger gekommen war, über Neuseeland gelesen hatte. Besonders die Maoris hatten es ihm angetan.
Und nun hatte er sich mit der Maorifamilie, die den Campingplatz leitete, angefreundet und diese hatte ihm versprochen, ihn einmal wie einen echten kleinen Maori-Jungen zu kleiden und zu bemalen. Und die Körperbemalung ist bei den  Maories besonders eindrucksvoll.

An dem besagten Verkleidungstag nun wollten seine Eltern einen Ausflug auf das Meer machen, auf den sich der Junge schon lange gefreut hatte. Als sie aufbrechen wollten, konnten sie ihren Sohn aber nicht entdecken. Sie suchten ihn überall und waren schon recht besorgt und auch verärgert. In der Campingküche erfuhren sie, dass der Bengel sich – ohne ein Wort zu sagen – zu der Maori Familie gestohlen hatte. Da beschossen sie, den Ausflug alleine zu unternehmen und ihren Sohn, der sehr enttäuscht darüber sein würde, die Wale und Delfine nicht gesehen zu haben, i n der Obhut der Maoris zu lassen. Er würde schon sehen, was er davon habe.

Als sie abends zurückkamen und am Hangi vorbeigingen, um nach ihrem Essen zu sehen, saß da ein kleiner, einsamer Maori Junge vor dem Ofen. Bei genauerem Hinsehen erkannten sie in ihm ihren Sohn und gingen, ihr Ärger war inzwischen verraucht, mit dem Gedanken, ihn wegen des verpassten Ausflugs trösten zu müssen, zu ihm.
Der kleine Maori blickte auf und ein Strahlen ging über sein Gesicht. „Mama“, rief er, „Papa. Wie gut, dass ihr endlich da seid“.
Seine Mutter wollte ihn tröstend in die Arme schließen aber der Junge war viel zu aufgeregt. „Wo wart ihr denn die ganze Zeit?  Ich habe so viele tolle Sachen erlebt und wollt sie euch erzählen, aber ich habe euch nicht gefunden.  Ich habe ein echtes  Maori Gesicht, seht doch mal,  und war bei den Maories in ihrem großen Gemeindehaus und habe mit ihnen getanzt und ganz komische Lieder gesungen.  Und jetzt sitze ich hier schon eine Weile und schaue dem Hangi beim Arbeiten zu. Das ist echt spannend“.
Kurz versank der kleine Maori wieder in seine Ofenbetrachtungen, dann fragt er seine Eltern nebenbei , „wo wart ihr denn?“

„Ach“, sagten diese, „wir sind nur ein bisschen auf dem Wasser herumgepaddelt“. Über die Wale und Delfine, die sie gesehen hatten, erzählten sich nichts, denn sie fühlten, dass ihr Sohn einen ganz eigenen, wunderbaren Tag erlebt hatte.

Das falsche Englisch

Wenn ich Seminare über therapeutisches Erzählen halte, sagen manchmal Teilnehmer, sie müssten das Erzählen erst lernen, bevor sie damit anfangen könnten. Oder sie fragen, wie man dazu kommt, sich zu trauen, Klienten Geschichten zu erzählen. Manchmal erzähle ich ihnen dann von einer Reise, die wir einmal gemacht haben…

Als wir Kinder waren, fuhren meine Eltern mit uns zu Verwandten nach Amerika. Meine große Schwester wollte korrektes Englisch reden und hat geschwiegen. Ich wollte mich verständigen und habe geredet, mit Händen und Füßen, und mit unendlich vielen Fehlern. Meine Verwandten waren beeindruckt, meine Eltern waren stolz, und ich vermute, meine Schwester war neidisch. Durch falsches Englisch habe ich Englisch gelernt.Als wir Kinder waren, fuhren meine Eltern mit uns zu Verwandten nach Amerika. Meine große Schwester wollte korrektes Englisch reden und hat geschwiegen. Ich wollte mich verständigen und habe geredet, mit Händen und Füßen, und mit unendlich vielen Fehlern. Meine Verwandten waren beeindruckt, meine Eltern waren stolz, und ich vermute, meine Schwester war neidisch. Durch falsches Englisch habe ich Englisch gelernt.Als wir Kinder waren, fuhren meine Eltern mit uns zu Verwandten nach Amerika. Meine große Schwester wollte korrektes Englisch reden und hat geschwiegen. Ich wollte mich verständigen und habe geredet, mit Händen und Füßen, und mit unendlich vielen Fehlern. Meine Verwandten waren beeindruckt, meine Eltern waren stolz, und ich vermute, meine Schwester war neidisch. Durch falsches Englisch habe ich Englisch gelernt.

Die Binsenschmuckzikade

Mein Kollege Adrian Hürzeler bietet im Zürcher Raum Coaching und Achtsamkeitstraining an. Ich habe vor einigen Monaten ein Achtsamkeitstraining mit ihm mitgemacht und es hallt immer noch in mir nach und verfeinert meine Fähigkeiten des Wahrnehmens und Erlebens. Adrian hat mir vor einiger Zeit eine therapeutisch nützliche und, wie ich finde, wunderschöne, Geschichte vorgelesen, die er geschrieben hat. Ich habe ihn gefragt, ob ich die Geschichte mit euch teilen darf und – hier ist sie…

„Vor mehreren Jahren schlüpfte aus einem Ei eine hübsche, lindengrüne Binsenschmuckzikade. Da sich diese Zikade – die übrigens eine ausgezeichnete Meisterin im Sich-tarnen ist und eine wunderbare Sprungkraft besitzt – während ihrem Wachstum optimal auf das harte Leben vorbereiten wollte, stiess sie im Verlaufe der Zeit immer wieder ihre Haut ab. Wurde eine Haut zu eng – denn sie entwickelte sich prächtig und erlernte dabei viele, viele hilfreiche Fähigkeiten – dann entschloss sie sich diese abzustossen und sich wieder eine neue zuzulegen. Inzwischen vermutet die Wissenschaft, dass das Abstossen der Haut auch eine Reinigung von erlittenen Verletzungen und von Krankheiten und Parasiten bedeutet. Jeweils zu Beginn, im Dasein mit dieser neuen Haut, war sie unendlich verletzlich und den Gefahren des täglichen Lebens ausgesetzt. Auch die hübsche Zikade selbst wollte immer wieder aufs Neue lernen, wie sie mit dieser Situation umzugehen hatte; auch damit sie in dieser heilsamen Metamorphose, trotz dieser ganz natürlichen und beschützenden Angst, sich nicht noch selbst verletzte. Doch nach und nach härtete auch diese neue Haut wieder aus und übernahm die notwendige Schutzfunktion und sie gewann immer mehr Vertrauen in ihre wiedergewonnene Sicherheit. Ach ja – noch etwas: dieses, von den anderen oft etwas verkannte Tierchen hat eine ganz spezielle Fähigkeit – sie kann sich nicht nur mit ihren Beinen fortbewegen, sondern benutzt dazu auch immer wieder mal ihre elfenhaften Flügel. Und manchmal entschliesst sie sich nicht nur aus eigener Kraft zu fliegen, sondern sie breitet dazu einfach ihre Flügelchen aus und lässt sich vom heilsamen Wind tragen, der sie dann ein Stück durch ihr Leben begleitet.
Und wenn man sich mal etwas Gutes tun möchte, dann kann man dem Zirpen dieser Zikade achtsam zuhören und dabei in Gedanken auf eine mediterrane, sonnenerwärmte und würzig duftenden Wiese reisen.“ (Adrian Hürzeler)

Übrigens: Am 3.11.-4.11.2012 biete ich in Zusammenarbeit mit Adrian Hürzeler bei Luzern am Vierwaldstättersee ein zweitägiges Seminar zu therapeutischem Erzählen an (aber auch für Coaches, Pädagogen und andere Berufe einsetzbar) . Wer Interesse hat, kann hier einmal nachschauen oder bei Adrian oder bei mir einfach nachfragen. Wir freuen uns über euer Interesse!

Erektionsstörung

In der nächsten Zeit möchte ich gerne ein paar der Situationen beschreiben, die in der Therapie auftauchen.

Ein Mann kam beispielsweise zu mir mit dem Wunsch, eine Erektionsstörung zu beheben. Das Problem sei erstmals aufgetreten, nachdem er mit seiner jetzigen Freundin zusammen sei. Er finde sie äußerst attraktiv, sie allerdings beziehe das Problem auf sich und fühle sich sehr gekränkt. Dadurch werde die Beziehung belastet.
Nachfragen nach weiteren Problemen in der Partnerschaft und nach besonderen Ereignissen, die auslösend gewirkt haben könnten, blieben ergebnislos. So erklärte ich dem Mann, es wäre möglich, dass die Schwierigkeit gewissermaßen aus dem Nichts entstanden sei, sich selbst aufrechterhalte und nur eine einmalige Unterbrechung der kreisförmigen Dynamik des Problems notwendig sei, um es zu beheben. Ich äußerte die Gewissheit, dass das Symptom, wenngleich mit ungünstigem Ergebnis, eine gute Absicht verfolge und fragte ihn:
Wenn der Persönlichkeitsanteil, der das Symptom erzeugt, etwas Gutes für ihn erreichen wolle, was wäre dies? Welche Angst oder Befürchtung drückt er aus, und wovor möchte er Sie folglich schützen?
Ich bat ihn, mir die fünf ersten Impulse zu nennen, die ihm dazu einfielen. Der Mann erklärte, das Erektionsproblem könne die Angst ausdrücken, nicht männlich genug zu sein, seine Freundin zu kränken, von ihr verlassen zu werden, dass seine Angst den Austausch von Zärtlichkeiten unmöglich mache und dass er ein sexuelles Problem habe, das er nicht lösen können werde.
Ich notierte seine Antworten und las sie ihm einzeln nochmals vor.
Nach dem Verlesen der ersten Antwort teilte ich ihm mit, ich spräche nun mit dem Persönlichkeitsanteil, der diesen Satz hervorgebracht habe und lobte diesen Anteil für sein Engagement zum Schutz des Klienten. Ich erklärte, es bestünde trotz bester Absicht von seiner Seite ein Missverständnis und seine Methode erbringe nicht das gewünschte Ergebnis und fragte ihn, ob er bereit wäre, probeweise für eine Woche still zu sein und zuzuschauen oder auch für diese Zeit zum Wohl des Klienten probeweise das Gegenteil des Bisherigen zu tun. Wenn das Verhalten sich bewährte, solle er anschließend mehr desselben tun, wenn nicht, dürfe er zum bisherigen Muster zurückkehren oder etwas Neues probieren. Er möge sich des Kopfes des Klienten bedienen und seine Antwort durch Nicken oder Kopfschütteln mitteilen. Der Persönlichkeitsanteil stimmte dem zu.
Dieselbe Vereinbarung traf ich mit den anderen vier Anteilen, von denen mir der Mann mitgeteilt hatte, dass sie seine Sexualität blockierten.
Die Erektionsstörung verschwand innerhalb der nächsten Tage.

Die Fallsituation habe ich beschrieben und weiterführend besprochen in: Stefan Hammel, Handbuch der therapeutischen Utilisation. Vom Nutzen des Unnützen in Psychotherapie, Kinder- und Familientherapie, Heilkunde und Beratung. Klett-Cotta, Stuttgart 2011, S. 102ff.

Geld… regiert die Welt

Den Beginn des Jahres und das orthodoxe Weihnachtsfest am 6. und 7. Januar haben wir in Bethlehem erlebt. Ich möchte einige Gespräche wiedergeben, die mich bis jetzt immer wieder beschäftigen.

An einem der Tage kurz nach Weihnachten kam ich mit einem aramäischen Souvenirhändler ins Gespräch. Sein Großvater sei 1917 hierher gekommen. Die Aramäer seien wie die Armenier im Osmanischen Reich verfolgt gewes; hier hätte seine Familie eine Zuflucht gefunden, und so sei er hier zuhause. Auf den Frieden oder Unfrieden im Nahen Osten angesprochen sagte er:

Ich hatte hier einen amerikanischen Kunden, der sich erstaunlich gut mit den Verhältnissen hier in Palästina auskannte. „Was machen Sie beruflich?“, fragte ich ihn. „Ich bin im Ruhestand.“ „Das habe ich mir schon gedacht, aber was haben Sie früher gemacht?“ „Ich… war amerikanischer Senator.“ „Und was machen Sie jetzt hier?“ „Ich möchte versuchen, etwas für Palästina zu tun und will herausfinden wie ich hier etwas für die Bevölkerung tun kann.“ „Hätten Sie das so auch gesagt, als Sie noch Senator waren?“ „Das war schwierig.“ „Jetzt haben Sie viel weniger Einfluss als früher. Warum haben Sie damals nichts für Palästina getan?“ „Sehen Sie, wenn beispielsweise ein jüdischer Geschäftsmann Ihnen 40 Millionen Dollar für Ihren Wahlkampf bezahlt hat, dann möchten Sie im Senat nicht gegen seine Interessen arbeiten. Und wenn die Legislaturperiode dem Ende entgegen geht, dann werden Sie umso mehr bemüht sein, sich in seinem Interesse zu verhalten, damit Sie die 40 Millionen Dollar beim nächsten Mal wieder bekommen…“

„Hat der Senator das so zu Ihnen gesagt, oder enthält das eine Interpretation von Ihnen?“, fragte ich. „Er hat das so gesagt.“

„Der Konflikt zwischen Israel und Palästina ist weniger eine Frage der lokalen Interessen als eine Frage weltweiter wirtschaftlicher Interessen. Und das Gleichgewicht der Mächte in der Welt verändert sich“, sagte er auch. „Die Amerikaner haben kein Geld mehr, und China hat kein Interesse an Israel sondern am Handel mit der Arabischen Welt… Diese Mauer, die Sie hier sehen, die Israelis und Palästinenser trennt, die wird nicht so lange stehen. Sie wird fallen, wie die Mauer bei Ihnen gefallen ist. Wir werden es erleben.“