Der Seebär und der Landbär

Als ich das Grashalm-Buch geschrieben habe, habe ich viele Leute gefragt, welche Geschichten ich rausschmeißen soll – weil, es waren damals viel zu viele Geschichten – und jeder hat etwas völlig anderes gesagt. Die Lieblingsgeschichten der einen waren die Rausschmeißgeschichten der anderen. Auch wenn mir jetzt Leute ihre Lieblingsgeschichten erzählen, nennt jeder eine andere. Denkt daran, wenn ihr eine schlechte Geschichte findet: Die Schönheit von Geschichten liegt im Hirn des Hörers. Siehe die Fußnote rechts.

Einige Leute haben mich dann auch gefragt, was denn meine Lieblingsgeschichte ist. Die ist mir auf einer winterlichen Autobahnfahrt eingefallen. Bei jedem Rasthof musste ich anhalten und ein Stück aufschreiben, und als ich ankam, war sie fertig. Das ist die Geschichte vom Seebär und vom Landbär:

Der Seebär hatte einst Besuch vom Landbären. Die beiden kannten sich schon seit der Bärenschule. Dann war der Seebär weit in die Welt gereist und hatte viele Abenteuer bestanden Weiterlesen

Eine Armee für den Frieden!

Eine Armee für den Frieden!

Finden Sie auch, dass es zu viele unglückliche Menschen gibt in der Welt? Dann möchte ich Ihnen dazu gerne eine Geschichte erzählen.In London lebte im vorletzten Jahrhundert ein Mann, der hatte eine besondere Eigenschaft. Er konnte es nicht ertragen, Menschen im Elend zu sehen. Das wäre vielleicht nicht der Rede wert, denn das behaupten auch heute noch viele Menschen von sich. Aber dieser Mann hatte noch eine zweite Eigenschaft. Er hat alles getan, was er konnte, um das Elend der ärmsten Menschen zu lindern. Er hat zusammen mit seinen Freunden und späteren Mitkämpfern Hunderttausenden geholfen, ein menschenwürdiges Leben zu führen. Weiterlesen

Das rollende Klavier

Meine Schwester hat mir was erzählt. Über einen Mann, den sie kennt.

Seit vielen Jahren arbeitete er als Pianist. Unzählige Auftritte hatte er erlebt. Und meine Schwester hat ihn gefragt, was denn das unangenehmste Erlebnis auf seinen Konzertreisen gewesen sei? „Einmal“, so erzählte er, „habe ich während eines Konzertes bemerkt, dass das Klavier, auf dem ich spielte, nicht richtig befestigt war. Vielleicht war auch der Boden des Konzertsaals nicht eben. Während ich spielte, begann nun das Instrument, allmählich von mir fortzurollen. Ich rutschte mit meinem Klavierstuhl hinterher, doch es rollte weiter. Ich rutschte, es rollte. Und so ging es immer weiter, während des ganzen Stücks. – Die meisten Instrumente haben eine Bremse, und die muss festgestellt werden. Wenn nicht, dann gnade dir Gott.“

(Hammel, Der Grashalm in der Wüste, S. 65)

Der Goldwäscher

In einer Hütte am Fluss in den felsigen Bergen lebte einmal ein Goldwäscher. Jeden Morgen stand er auf, wusch sich, aß eine Scheibe Brot, zog seine Arbeitskleidung an und ging mit seinem großen Sieb zum Fluss. Viele Jahre lebte er schon hier und hatte schon so manche Tonne Sand gesiebt. An manchen Tagen fand er etwas Gold, doch selten war es mehr als er brauchte, um sich das Nötigste an Essen, Kleidung und an Werkzeug für seinen täglichen Bedarf zu kaufen. Lange hatte er davon geträumt, auf eine große Menge Gold zu stoßen. Doch dieser Traum, das ahnte er jetzt, würde sich wohl nie erfüllen. Denn meistens, wenn er in sein Sieb schaute, war darin nichts zu finden als nur die kleinen Kiesel, die in der Sonne glitzerten. Eines Tages kam ein alter Schulfreund bei ihm zu Besuch. Er war Juwelier in einer größeren Stadt und hatte es zu einem ansehnlichen Vermögen gebracht. Er interessierte sich, einmal zu sehen, wie dieser Goldwäscher lebte. „Zeig mir doch bitte einmal, wie du Gold wäscht“, bat er den alten Freund. Zögernd stand dieser auf, nahm sein Sieb von der Wand und ging mit seinem Gast zum Fluss. Er tauchte das Sieb in den Fluss, schüttelte es und ließ das Wasser herauslaufen. „Siehst du, wieder nichts“, seufzte er und blickte auf zu seinem Freund. „Das ist ja unglaublich“, sagte der und wurde blass. „Lauter Diamanten!“

Der Mistkäfer

Der Mistkäfer

Noch so eine Kindheitserinnerung:

Wenn wir als Kinder mit unseren Eltern spazieren gingen, legte unser Vater uns oft einen blauschwarz schimmernden Mistkäfer in die Hand. „Schließe einmal deine Hand um ihn, und probiere, wie lange er darin bleibt“, sagte er. Wir schlossen dann die Hand, und bald darauf begann der Käfer seiner Arbeit. Mit unwiderstehlicher Kraft drückte scharrte und presste er mit seinen Beinen und mit seinem Körper unsere Finger auseinander. Unnachgiebig arbeitete er sich voran, dem Licht entgegen. Es dauerte nicht lange, bis er der Hand entkommen war.

Ludwig

Ludwig

Es gibt Kindheitserinnerungen, an die ich gerne denke, und die ich in meinem Leben wohl nie vergessen werde. Ich glaube, manchmal hat sich so eine Erinnerung eingeprägt, weil sie auch eine übertragene Bedeutung hat. Es gibt da eine Geschichte, die ich als Kind erlebt habe, die ich depressiv oder zwanghaft reagierenden Menschen erzähle, süchtigen Leuten und solchen, die immer noch das Gleiche tun, obwohl sie schon lange etwas anderes tun möchten. Das ist die Geschichte von Ludwig:

Ich war noch ein Kind. Aber auch, wenn ich älter gewesen wäre, hätte ich nicht sagen können, wie sich der Karpfen seine merkwürdigen Reisen wohl erklärt haben mag. Einige Freunde von mir hatten sich nämlich einen Streich mit ihm erlaubt. Mit einem Netz fischten sie ihn heimlich bei Nacht aus seinem Teich. Kilometerweit trugen sie ihn in einem Eimer durch Wald und Flur. Das Schwimmbad im Garten meiner Eltern sollte sein neues Zuhause werden. Weiterlesen