Hier ist eine Geschichte, die ich Kindern aus Patchwork-, Adoptiv- und Pflegefamilien erzähle. Entwickelt habe ich sie zuerst für eine sehr introvertierte Jugendliche, die im gemeinsamen Urlaub – heimlich, auf eigene Initiative und ohne Erlaubnis ihrer Adoptiveltern – begonnen hat, Paragliding zu lernen.
Vielleicht hast du auch schon einmal an einem Möwenfelsen gestanden und horchtest auf das vielfältige Rufen dieser Vögel. Es ist ein beeindruckender Klang, wenn Tausende von Möwen um einen Felsen fliegen und die Luft mit ihren Schreien erfüllen. Aber du hörst dort nicht nur Schreie. Du hörst auch etwas anderes. Du hörst dort auch die zarten Töne, wenn die Möwen balzen, wenn sie werben. Du hörst die rauen, krächzenden Töne der Jungen, wenn sie frisch geschlüpft sind und nach Futter rufen. Ihr Ruf ist deutlich, sie fordern, was sie brauchen! Sie rufen, als ob sie Gerechtigkeit fordern: „Hier bin ich, ich will wachsen und stark werden.“
Du kannst dort sehen, wie liebevoll die Möweneltern für ihre Kinder sorgen. Wieder und wieder fliegen sie weg und kehren zurück mit einem Fisch im Schnabel für ihre Jungen. Warum tun sie das tagein, tagaus? „Instinkt“, nennen es manche Forscher. Ich nenne es Liebe. Denn wieder und wieder sind sie auf der Suche nach dem, was ihre Kinder stärkt. Sie fragen nicht, ob es regnet oder stürmt oder schneit. Sie suchen Futter für die Möwenjungen. Auch habe ich gehört: Wenn eine Möwe nicht für ihre Jungen sorgen kann, dann springt oft eine andere für sie ein. Sie behandelt sie wie ihre eigenen Kinder. Sie fragt nicht nach Regen oder Sturm oder Schnee. Sie fliegt für diese Küken, die bald schon keine Küken mehr sein werden. Ja, bald schon werden diese Vögel selbst sicher fliegen und bewusst ihre eigenen Bahnen durch die Luft ziehen. Es ist gut, wenn man auf einem Felsen wohnt, wo viele andere Möwen leben…