Tagung: Die Kraft von Imaginationen und Visionen

Vom 1. bis 3. Mai 2008 findet in Heidelberg eine besondere Tagung mit besonderen Referentinnen und Referenten statt.

Das Symposium heißt „Die Kraft von Imaginationen und Visionen – Perspektiven der Neurobiologie, Psychotherapie und Beratung“. Der Untertitel der Tagung lautet: „Wie man Imaginationen in Psychotherapie, Beratung und im Leben generell als „Königsweg“ für die Entwicklung von Lösungs-Erleben nutzen kann“.

Die Referenten sind:

Prof. Gerald Hüther (Neurobiologe)
Prof. Verena Kast (Psychoanalyse)
Horst Krämer (Neuroimagination)
Prof. Luise Reddemann (PITT)
Dr. Bernd Schmid (Systemik)
Dr. Gunther Schmidt (Hypnosystemik).

Das Symposium wird veranstaltet vom Milton-Erickson-Institut Heidelberg. Die Teilnahme kostet 330,- Euro. Detaillierte Infos findet ihr hier. Anmeldung bei office @ meihei.de!

Ich wünsche allen, die dabei sind (und natürlich auch allen anderen, die aber etwas versäumen), viel Spaß und freue mich auf viele gute Begegnungen!

Der Feldherr und der Prophet

Mit einem befreundeten Arzt habe ich mich über Kurzzeittherapie unterhalten. Viele Menschen haben Jahre alte chronische Probleme – körperliche Krankheiten, psychische Störungen, soziale Schwierigkeiten. Manchmal gibt es Möglichkeiten, solche Leiden innerhalb von Stunden oder Tagen ganz aufzulösen – unabhängig davon, wie alt und leidvoll das Problem bereits ist. Nun werden viele Leute dem Therapeuten kein Vertrauen schenken, wenn er ihnen eine einfach klingende Lösung nennt. Und wenn sie die Lösung ausprobieren und sie schnell wirkt, dann werden sie die Gründe oft woanders suchen als in der Therapie. Der Freund erzählte mir dazu eine Geschichte, die vor 1500 Jahren aufgeschrieben wurde.

Damals war der Feldherr Naaman an Lepra erkrankt. Eine ansteckende und unheilbare Krankheit, die seinen baldigen Ausschluss aus der Gesellschaft zur Folge haben würde. Eine Magd erwähnte, dass der Prophet Elisa im Lande Juda durch seine göttliche Kraft solche Krankheiten heilen könnte. Und der Feldherr machte sich auf den Weg. Weiterlesen

Struktur und Inhalt

Vor ein paar Tagen hat mir eine Kollegin entgegengeschleudert, ich hätte keine Meinung, eiere herum wie ein Weichei und sei überhaupt nicht auf Inhalte festzulegen.  Das hat mich verwundert, da ich mich im Umgang mit anderen Menschen meistens als sicher und entschlossen empfinde. So habe ich natürlich protestiert. Später fiel mir ein, dass mir vor Jahren ein anderer Kollege ganz ähnliche Vorwürfe gemacht hat.

Was beide Kollegen gemeinsam haben, ist dass sie Wert auf Fakten legen, auf „Professionalität“ und Abgrenzung vom minder professionellen Verhalten einiger Kollegen und Nicht-Fachleute. Nach einigem Nachdenken stellte ich fest, dass Weiterlesen

Eine Frage der Einstellung

Heute bekam ich eine E-Mail mit einer Geschichte, die die Technik oder Haltung des Reframing illustriert. Reframing ist eine Methode aus der Systemischen Beratung und Hypnotherapie. Etwas zu reframen bedeutet, einen neuen Blickwinkel einzunehmen, unter dem man Probleme probeweise – und vielleicht dann auf Dauer – als Lösungen betrachtet:

Es war einmal eine Frau, die wachte eines Morgens auf, schaute in den Spiegel und bemerkte, dass sie nur drei Haare auf dem Kopf hatte. „Na“, sagte sie, „ich glaube, ich flechte mir heute einen Zopf“. Das tat sie und hatte einen wunderschönen Tag.

Am nächsten Tag wachte sie auf, Weiterlesen

Interessenverschiebung

Nach einer langen Zeit im Koma kehrte mein Onkel Dennis mit einer geistigen Behinderung ins Leben der Menschen zurück. Vieles hatte er vergessen und vieles war ihm gleichgültig geworden. Oft deutete er mit dem Finger zum Himmel: „Schau, eine F-14 Tomcat Maschine! Sieh mal, ein Apache-Helicopter!“ Und er beschrieb die Triebwerkstypen, Leistung, Traglast, Cockpitausstattung, Besatzung und Bewaffnung der vorbei fliegenden Maschinen. „Er war im Koreakrieg“, sagte seine Frau. „Aber ich wusste nicht, dass etwas darüber weiß. Wir sind seit 30 Jahren verheiratet, und er hat sich nie dafür interessiert.“

Die Geschichte kann in der Beratung dazu dienen, um deutlich zu machen, dass die Menschen in unserer Umgebung verborgene Fähigkeiten haben, von der die Umgebung nichts weiß – manchmal über Jahrzehnte hinweg. Wir können nicht beurteilen, was ein anderer nicht kann bzw. nicht weiß, und wir haben nur bruchstückhafte Information darüber, was er kann und weiß. Dies gilt besonders bei der Arbeit mit verhaltensauffälligen Kindern, mit „psychisch Kranken“ und „Behinderten“.

Die therapeutische Landkarte „Insel der Liebe“

Landkarte “Insel der Liebe��?

Immer wieder bestellen Paartherapeuten bei mir eine Landkarte der „Insel der Liebe“. Ich erkläre einmal, worum es sich dabei handelt…

Die Karte der „Insel der Liebe“ ist für paartherapeutische Gesprächen konzipiert. Mit Hilfe direkter oder zirkulärer Fragen („Was meinen Sie, wenn ich Ihren Partner fragen würde…, was würde er antworten?“) werden die Partner gebeten, sich selbst oder einander auf der Insel zu verorten, gemeinsame und getrennte Wege zu überlegen, Wohnorte und Zeltplätze auszuhandeln, etc. Es empfiehlt sich, dazu aus selbst haftenden Notizzetteln verschiedenfarbige Häuser, Zelte, Wohnwagen u. ä. anzufertigen. In gleicher Weise können auf dem kopierten Blatt die Korrekturen und Ergänzungen der Partner eingezeichnet werden. Natürlich können Klientinnen und Klienten auch angeregt werden, ihre eigene „Insel der Liebe“ zu zeichnen – einzeln, gemeinsam oder zuerst einzeln und dann gemeinsam.

Die „Insel der Liebe“ ist geeignet, um aus Konfliktgesprächen mit Paaren das Erbitterte und die Härte herauszunehmen und auf einer anderen Ebene ins Gespräch zu kommen.

Man fragt die beiden Partner jeweils nach Zielen und Wünschen in ihrer Partnerschaft bzw. einer bestimmten Situation und lässt sie ein Hauptziel mittels Post-it-Streifen oder Spielfigur auf der Karte verorten. (Zusätzlich kann man auch die momentane reale Verortung markieren.) Man spricht darüber als den Ort, wo die Partner stehen. Dann schaut man, wie nah oder weit die Ziele auseinander liegen, diskutiert darüber, ob beide Ziele wertvoll und berechtigt sind (natürlich sind sie es) und überlegt, wie beide Ziele bzw. Wünsche erreicht werden können: Einzeln, gemeinsam? Abwechselnd? Welches wann, welches zuerst, welches dafür öfter oder länger (oder sicherer)?

Man kann nach Felsbrocken fragen, die weggeräumt werden müssen, nach sumpfigen Stellen, nach notwendigen Straßenbauprojekten oder Telefonleitungen.

Man kann zirkulär fragen, also den Mann z.B. betreffend einer Streitsituation fragen, wo („wenn ich Ihre Frau fragen würde…“) seine Frau sich verorten würde, und dasselbe auch umgekehrt, und dann auflösen lassen, was die Partner wirklich dazu denken. Weiterlesen

Theaterfahrt

Die Rammelsbacher Landfrauen machten einen Ausflug ins Theater. Der Bus, in dem sie fuhren, hatte auf dem Hinweg eine Panne. Als sie ankamen, hatte das Stück längst begonnen hatte. Die Gruppe traf im Theatersaal ein. Gerade rief einer der Schauspieler: „Wer seid ihr? Woher kommt ihr zu so später Stund’?“ Eine Frau erwiderte: „Mer sin die Rammelsbacher Landfraue, unser Bus ist verreckt!“

Die Geschichte kann in der Beratung verwendet werden, wo jemand sich von anderen in Frage gestellt fühlt, weil er eine innere Diskussion mit seinem Gewissen, seinem Perfektionismus oder einer Person aus der Vergangenheit führt.

Faktum

Sie war außer sich vor Wut: „Kannst du dich nicht mal ein bisschen bewegen? Mal ein paar Gewohnheiten verändern? Warum machst du das denn immer wieder?“ „Ich bin halt so“, antwortete er.

„Ich bin halt so“ ist ein Argument, das sparsam eingesetzt werden sollte. Wer störende Kleinigkeiten herzhaft verändert, kann oft Großes erreichen. Gesten des liebevollen Umgangs neu zu entdecken, kann viel bedeuten. Aber die Mühsal, die eigene Persönlichkeit ändern zu wollen, um dem Partner zu gefallen, lohnt sich oft nicht.  Hat der eine Partner große Anstrengungen zu leisten, um kleine Schritte zu gehen, erscheint dem anderen seine Leistung auf dem Weg der Veränderung noch eher dürftig. Zorn, Verzagtheit, Groll und Härte halten Einzug in den Alltag mancher Paare, von denen einer „sich ändert“, um den anderen zu behalten. Besser ist es oft, mit dem Vorfindlichen auf neue Arten umgehen zu lernen, ohne es im Kern zu verändern. Besser ist es, dem störenden Verhalten einen neuen Kontext, neue Deutungen und neue Reaktionen zu schenken. Und gelten zu lassen:

„Ich bin halt so.“

Lass dich nicht verbaren…

„Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt“, sagte der Philosoph Ludwig Wittgenstein. Sprache schafft Wirklichkeit, und eine begrenzende Sprache schafft Grenzen für die Wirklichkeit. Sprachgrenzen schaffen Grenzen der Möglichkeiten.

Ein Beispiel ist die Nachsilbe -bar, wie sie in Worten wie „haltbar“, „genießbar“, „versteuerbar“ vorkommt. Die Silbe wird auch gerne auf Menschen angewendet: „Unbelehrbar“, „unheilbar“, nicht therapierbar“, „manipulierbar“, „korrumpierbar“, „nicht beschulbar“, „schwer erziehbar“, „untragbar“, „schwer vermittelbar“.

Das Eigenartige an der Silbe -bar ist, dass sie uns irrtümlich den Eindruck vermittelt, sie sage etwas aus über die Person, von der die Rede ist, also: Wer unbelehrbar sei, lasse sich nicht belehren, wer manipulierbar sei, lasse sich manipulieren, wer schwer erziehbar sei, lasse sich schwer erziehen – es scheint geradezu so, als ob die bar-Worte Eigenschaften der Menschen bezeichneten, von denen sie reden. Dabei bezeichnen sie die Fähigkeiten dessen, der da redet und die Möglichkeiten des Kontextes, in dem er arbeitet.

Wenn ich also sage: „Er ist unbelehrbar“, sage ich in Wirklichkeit nur: „Ich konnte ihn nicht belehren“, und allenfalls: „in diesem Kontext lernt er meiner Ansicht nach nichts“. Sage ich: „Er ist nicht therapierbar“, heißt das: „ich kann ihn nicht therapieren“. Sage ich, jemand sei untragbar, erkläre ich, dass ich oder mein Arbeitskontext ihn nicht mehr ertragen mag. Sage ich, jemand sei schwer vermittelbar, spreche ich wieder nicht über seine, sondern über meine Möglichkeiten. Und sage ich, jemand sei unheilbar krank, so sage ich nur, dass ich oder seine Umgebung den Menschen nicht heilen kann. Ob ein anderer Mensch oder die Heilkunst einer anderen Kultur etwas für denjenigen tun kann, darüber steht mir kein Urteil zu.

Wenn allerdings jemand mir Glauben schenkt, er sei -bar oder nicht -bar, obwohl das bar-sein in Wirklichkeit nicht seine, sondern meine Möglichkeiten beschreibt, dann werden durch seinen Glauben meine Möglichkeiten leicht zu seinen. Das heißt auch, meine Unmöglichkeiten werden zu seinen, und meine Grenzen werden zu den seinen.

Wenn dir also jemand sagen will, du seiest -bar, dann kannst du ihn reden lassen, nur glauben brauchst du ihm nicht. Du weißt, er redet über sich und seine Grenzen, und das sind Angelegenheiten, die gehen dich nichts an.