Peter Schneider, ein Freund und Kollege an der Heidelberger Neurologischen Klinik, der an Tinnitus geforscht hat, hat einmal erzählt, dass Robert Schumann seinen Tinnitus als „Musik, von Engeln vorgesungen“ bezeichnet hat. Warum mir das einfällt? Heute Nachmittag hat mir eine Hörgeräteakustikerin die folgende E-Mail geschickt.
Hallo Herr Hammel,
Zum Thema Tinnitus ist mir vorhin etwas eingefallen:
Als ich noch in der Ausbildung war, versorgten wir einen jungen Mann mit Hörgeräten. Er muss Mitte Zwanzig gewesen sein, war jedoch in seiner geistigen Entwicklung etwas zurück. Eines Tages erzählte er uns während einer Anpasssitzung mit vor Begeisterung glänzenden Augen, er sei ein ganz besonderer Mensch, denn ein Engel sei vor langer Zeit, als er noch ein ganz kleiner Junge war, zu ihm gekommen und habe seine Ohren derart verzaubert, dass er von diesem Augenblick an den für fast alle Menschen unhörbaren Gesang der Sterne zu hören vermochte. Er erzählte uns ausführlich über die verschiedenen Klänge der unterschiedlichsten Sterne und dass sie an manchen Tagen lauter und deutlicher und an anderen tagen leiser, fast unhörbar seien. Sonst war er eher introvertiert und sprach sehr wenig, bei diesem Thema jedoch ging er vollkommen auf und begeisterte sich dermaßen, dass diese Begeisterung förmlich aus ihm heraussprühte. Ich war zunächst ein wenig irritiert, begriff dann aber schnell, dass er über seinen Tinnitus sprach.
Als er weg war, sprach ich meine Meisterin darauf an, denn meine Erfahrung mit Tinnitus war bis dahin eher theoretischer Natur gewesen, dennoch fand ich die Einstellung des Mannes spontan bewundernswert und es interessierte mich sehr, was ihn auf diese Geschichte gebracht haben könnte. Meine Meisterin entgegnete mir ziemlich barsch, diesen „Müll“ habe die Mutter des Mannes dem „armen“ Jungen eingeredet und sie verstehe nicht, weshalb die Mutter ihm nicht klar und deutlich erklären würde, um was es sich bei den Geräuschen in seinem Kopf in Wirklichkeit handle. Ich war vollständig anderer Meinung, wagte mich aber nicht, diese ihr gegenüber zu äußern. Ich dachte noch oft über diese Geschichte nach, dabei fiel mir auch wieder ein Lehrer von mir ein, der uns in einer Unterrichtsstunde einmal eine Komposition vorspielte in welcher die Planeten unseres Sonnensystems und die Sonne vertont worden waren‚“. Irgendwann begann ich die Geschichte meinen Kunden zu erzählen, wenn sie über Tinnitus klagen, und vielleicht konnte ich dem ein oder andern damit auch zumindest ein bisschen helfen … und manchmal denke ich: „Wer von uns kann eigentlich mit Bestimmtheit sagen, den Gesang der Sterne könne niemand von uns hören?“
(Tamara Peter)