Von Bienen und Blumen

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Eine Frau, um die 35 Jahre alt, die bis dahin einen nicht ganz einfachen Lebensweg gehabt hatte, kam in Therapie. In den letzten Wochen sei ihr immer klarer geworden, dass sie Kinder haben möchte, den passenden Partner habe sie allerdings bisher nicht gefunden, erklärte sie. Der Therapeut schaute sie an und sagte:

„Ein Forscherteam fragte sich vor einiger Zeit: Die Blumen kostet es doch viel Energie, zuckerhaltigen Nektar für die Bienen zu produzieren. Machen die das die ganze Zeit? Wäre es nicht sinnvoller, wenn sie den Zucker dann produzieren, wenn auch Bienen da sind? Man hat dann einer großen Zahl Nachtkerzen Tonaufnahmen von Bienen vorgespielt. Eine Blumen-Vergleichsgruppe hat elektrische Töne mit Bienensummfrequenz vorgespielt bekommen, eine dritte Gruppe einen hohen Ton. Die Blumen, die Bienenaufnahmen tiefe Töne vorgespielt bekamen, haben sofort angefangen, mehr Zucker zu produzieren. Die Forscher haben auch herausgefunden, wie die Blumen hören. Ihre Blütenblätter gehen mit dem Summton in Resonanz und geben seine Schwingung an den Blütenkelch weiter, der die Information verarbeitet. Die Blütenblätter dienen als Schalltrichter, genau wie ein Ohr. Ich weiß nicht, ob das irgendetwas für Sie bedeutet“, sinnierte ich. „Es fiel mir nur so ein.“ „Ich werde einmal darüber nachdenken“, erwiderte die Frau und lächelte…

Vielen Menschen, die belastende Vorerfahrungen aus der Kindheit oder einer früheren Partnerschaft mitbringen, fällt es schwer, sich fest an einen Partner zu binden. Manche machen sich Sorgen oder Vorwürfe beim Nachdenken über ihr Single-sein oder ihre vielen kurzen und vielleicht flüchtigen Partnerschaften. Die Geschichte kann dem Thema die Schwere nehmen und die Erwartung wecken, dass die Biologie alles vorbereitet hat, damit sie einen Partner finden, der zu ihnen passt. (Die zitierte Studie ist unter www.biorxiv.org/content/10.1101/507319v1 zu finden.)

Diese Geschichte stammt von Stefan Hammel und ist in dem Buch „Wie der Tiger lieben lernte. 120 Geschichten bei psychischem Trauma“ zu finden. Die Geschichte gehört zum Kapitel „Zugehörigkeit erleben lassen„.

Buchtipp Februar

Der heutige Buchtipp, für den Monat Februar, gilt meinem Kollegen, Andreas Steiner, mit seinem Buch „Die Kunst der Familienaufstellung. Ein Praxislehrbuch der Empirischen Psychotherapie„.

Quelle: https://shop.kohlhammer.de/die-kunst-der-familienaufstellung-35821.html#147=19

Kohlhammer, 2019. 398 Seiten mit 219 Abb., 8 Tab., kartoniert, 232mm x 155mm x 20mm, ISBN 978-3-17-035821-8

Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dieser Methode tut not, insbesondere da die Systemische Therapie die sozialrechtliche Anerkennung bekommen hat. Oft hoffen von Leid betroffene Menschen auf schnelle Hilfe, und leider wurde dieses Verfahren häufig dafür verwendet. Dabei besteht die Gefahr, dass an Symptomen herumkuriert wird, aufrechterhaltende Muster jedoch weiter bestehen. Diese zu ändern erfordert eine Veränderung des Lebensstils und der dahinterstehenden Einstellungen. Dies erfordert Zeit, Eigenaktivität, Umgewöhnung und Übung. Steiner plädiert für ein in einen therapeutischen Prozess integriertes Vorgehen, das Auswirkungen achtsam berücksichtigt. Er beschreibt die Entstehungsgeschichte des Familienstellens, wobei es vor allem um das Verändern verinnerlichter Konzepte (Lebensskript) geht, was ohne Zeit, Achtung und Empathie nicht möglich ist Steiner zeigt Lösungen, die Aussöhnung, Demut und Dankbarkeit erfordern, auf und stellt den Nutzen narrativer Interventionen dar. Weiterhin findet man Anleitungen zur Skript-Diagnostik und kreative Interviews zur Lebensgeschichte.

Die seriöse Form der Aufstellung und ihre Rahmenbedingungen werden konkret erläutert, (Setting, Raum, Teilnehmerzahl, Ablauf) Fallbeispiele zu konkreten Krankheitsbildern wie Ängste, Depression, Süchte, Zwänge, Schizophrenie, Persönlichkeitsstörungen, Essstörungen, ADHS, Autismus, Psychosomatik bis hin zu Inzest, Gewalt und Mord und praktische Anleitungen, wie Workshops konzeptionell aufgebaut werden können, geben einen tiefen Einblick in die Aufstellungsarbeit.

Besonders beachtenswert sind die Kapitel über Fallstricke und Irrwege und darüber, wie Aufstellungsarbeit seriös erlernt werden kann. Problematische Fallstricke können etwa Erschaffen „falscher“ Wirklichkeiten, episches Ausweiten der Aufstellung, Fehler einer durchgängigen Linie, Nebelhaftigkeit, Apodiktisches Dirigieren, dysfunktionale Bündnisse, egozentrisches Ausblenden sowie Mogelpackungen sein. Das seriöse Erlernen dieser Methodik erfordert mit Sicherheit Wissen, Beobachtung, Einüben und Erfahrung.

Getrennte Freunde

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Ich weiß nicht, was den Geißbock an jenem Tage geritten hat. Stundenlang hat er seinen Freund, den Tiger, gestupst und gestoßen. Vielleicht wollte er nur sagen: “So machen wir das, wir Geißböcke. Wenn wir jemanden mögen, dann kabbeln wir uns mit ihm. Wir messen ein bisschen unsere Kräfte aneinander.” Vielleicht wollte der Tiger nur sagen: “So machen wir das bei den Tigern, wenn ein Junges übermütig wird. Wir weisen ihm seinen Platz zu.” Irgendwann jedenfalls ist der Tiger aufgestanden, hat den Geißbock am Nacken gepackt, ihn ein bisschen geschüttelt und ihn auf die Seite geworfen. Der Geißbock kam in eine Tierklinik, aus der er einige Wochen später geheilt entlassen werden konnte. Und dann? Sollte man den Geißbock zum Tiger zurückbringen? Würde er ihn diesmal fressen? Oder würden die beiden wieder Freunde sein? Die Zooleitung entschied sich, dem Geißbock ein eigenes Gehege zu geben und eine Geiß an seine Seite zu stellen, mit der er noch einige Zicklein zeugte. Vielleicht hat der Geißbock ihnen öfter von seinem Freund, dem Tiger, erzählt. Ich stelle mir vor, dass der Tiger manchmal in lauen Mondnächten an seinen Geißbock dachte und sich fragte, was aus ihm geworden war. Vielleicht haben sich ihre Gedanken irgendwo zwischen den Sternen getroffen. Das Ende ihrer Freundschaft war vielleicht nicht das Ende ihrer Freundschaft.

Die Geschichte kann man Menschen erzählen, die Sehnsucht haben nach einem Partner, von dem sie sich getrennt haben oder der sich von ihnen getrennt hat, vielleicht wegen eines anderen Partners. Die Geschichte nimmt die Verletzung und Gefährdung durch eine traumatisierende Partnerschaft ernst, würdigt, was gut war, erlaubt manchmal mit Sehnsucht an früher zu denken, anerkennt die trennende Verschiedenheit der Partner und stellt bei alledem doch fest, dass die Trennung endgültig und unwiderruflich vollzogen ist (www.schweizerbauer.ch/vermischtes/allerlei/grosse-tierfreundschaft-vor-dem-aus-47296).

Diese Geschichte stammt von Stefan Hammel und ist in dem Buch „Wie der Tiger lieben lernte. 120 Geschichten bei psychischem Trauma“ zu finden. Die Geschichte gehört zum Kapitel „Aussöhnung, Güte, Selbstversöhnung“.

Vortrag, Demonstration und Gespräch – WAS DIE ANGST TRANSFORMIERT – wachhypnotische Arbeit mit dem „Therapeutischen Modellieren“

Ich bin zu Gast bei Andreas Hesch im Praxiszentrum KUEHOF, Kühbörncheshof 20, 67734 Katzweiler/ bei Kaiserslautern.

am Freitag, 24.02.2023, 18 – 21 Uhr.

Vortrag, Demonstration und Gespräch – WAS DIE ANGST TRANSFORMIERT – wachhypnotische Arbeit mit dem „Therapeutischen Modellieren“

Ich freue mich auf die gemeinsame Zeit.

Liebe Grüße, Stefan

Die neue Broschüre für 2023 ist da

Die neue Broschüre für das Institut für Hypno-Systemische Beratung (hsb westpfalz) in Kaiserslautern ist frisch aus der Druckerei gekommen und ab sofort auch online verfügbar.

Nachlesen könnt ihr alle Seminare, Workshops, Vorträge und Kongresse für 2023-25, die ich halte oder an denen ich teilnehme auf meinen Webseiten:

Deutsche Webseite Stefan Hammel: www.stefanhammel.de

Institut für Hypno-Systemische Beratung (hsb- westpfalz): www.hsb-westpfalz.de/

Deutscher Blog: www.stefanhammel.de/blog/seminare/

Englischen Blog: www.stefanhammel.com/blog/

Englische Webseite: www.stefanhammel.com

Ich freue mich, wenn sich die Lebensgeschichten verweben und wir uns – vielleicht – auf die eine oder andere Art begegnen!

Stefan Hammel

Buchtipp Januar

Im Januar möchte ich euch gerne das Buch meiner Kollegin Hanne Seemann, „Schmerzen – Notrufe aus dem Körper: Hypnosystemische Schmerztherapie„, empfehlen.

Quelle: https://www.klett-cotta.de/buch/Systemische_Therapie/Schmerzen_-_Notrufe_aus_dem_Koerper/96793

Klett-Cotta. Reihe: Leben Lernen 302, 2. Druckaufl., 2022, 280 Seiten, Broschiert
ISBN: 978-3-608-89225-3

Die Autorin beschreibt die Besonderheiten einer hypnosystemischen Schmerztherapie.

Psychosomatischer Schmerz wird in einer sich ständig optimierenden Gesellschaft störend empfunden. Gerade Kinder sind solchen Zwängen zunehmend unterworfen: von früh auf Förderung zur Steigerung der Leistungsfähigkeit. Schmerz kann jedoch auch als Notsignal des Körpers verstanden werden. So betrachtet geht es weniger darum, den Schmerz zu ergründen, als die gewohnte Lebensweise so zu ändern, dass der Körper nicht mehr mit Notsignalen reagieren muss. Dies dürfte wenig attraktiv erscheinen, denn Gewohnheiten ändern ist nicht einfach. Nicht selten gehen wir mit Maschinen achtsamer um als mit uns selbst. Der Körper erweist sich als unbestechliche Instanz, die ein unmittelbares Feedback gibt, wenn wir aus der Balance geraten. Selbstverständlich ist bei Schmerzproblematiken zuerst eine sehr sorgfältige organmedizinische Abklärung angebracht. Erst dann kann man sich damit beschäftigen, worauf der psychosomatische Schmerz hinweist.

Oft ist es eine Sehnsucht, anders zu leben: Der Körper spiegelt den Preis übertriebenen perfektionistischen Funktionierens. Wichtige andere Bedürfnisse wurden dafür geopfert. Der Körper wehrt sich gegen ständigen hohen Leistungsdruck zur Selbsterhaltung.

Grundbedürfnisse (Anerkennung, Selbstwert, Kompetenz, Zugehörigkeit, Autonomie, Sicherheit) werden über Leistung (die nie genug ist) außenabhängig befriedigt.

Die Natur kennt kein ständiges Mehr: Im Herbst fallen die Blätter, damit im Frühling neue blühen können. Es geht um achtsames Bemühen, um gesunde Balance zwischen Sein & Schaffen, Anspannung & Ruhe, Geben & Nehmen, Tun & Geschehen lassen. Dies stellt sich nicht durch Einsichten ein, sondern bedarf Training aktiver Selbstverantwortlichkeit. Es gilt, die Signale des Körpers möglichst früh zu bemerken und sich im Treiben lassen zu üben und dem Leben zu vertrauen. Im Umgang mit Patienten bedeutet dies, Schmerz nicht als Eindruck von „etwas falsch gemacht“ zu verstehen, sondern als schwere Beeinträchtigung wertschätzend ernst zu nehmen im Bemühen um mehr Balance.

Wie der Tiger lieben lernte

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„Ich bin das gefährlichste Tier überhaupt! Alle haben Angst vor mir“, sagte der Tiger. Wenn er fauchte, zitterten die Tiere ringsumher. Sie fürchteten ihn, und sie bewunderten ihn. Doch wenn er nachts in seinem Gehege lag und keinen Schlaf fand, dachte er: „Ich bin das einsamste Tier überhaupt”. Dann schweiften seine Gedanken weit in die Vergangenheit und in die Ferne. In einer mondhellen Nacht waren Männer aus dem Dorf gekommen. Sie hatten seinen Vater und seine Mutter erschossen und ihre toten Körper auf einem Lastwagen weggefahren. Am anderen Tag kamen zwei Wildhüter, untersuchten die Spuren des Lastwagens und die Stelle, wo die toten Körper gelegen hatten. Sie redeten aufgebracht, und schließlich fanden sie in einem Gebüsch – ihn. Klein, wie er war, packten sie ihn, schoben ihn auf die Ladefläche des Wagens, schlossen die Heckklappe und fuhren davon.

Das Quietschen der Gehege Tür ließ den Tiger aus seinem Traum erwachen. Endlich Essen? Tatsächlich, durch die geöffnete Tür stolperte ein großer Geißbock in sein Gehege. „Du solltest dich fürchten“, sagte der Tiger. „Ich bin das gefährlichste Tier überhaupt.“ Der Geißbock aber senkte stumm seine Hörner und spannte seine Muskeln, als wollte er den Tiger aufspießen, wenn er näherkam. „Sehr dramatisch. Ich bin beeindruckt“, grinste der Tiger. Er schwieg eine Weile, bis er bemerkte, dass er tatsächlich beeindruckt war, nicht von der Gefährlichkeit des Geißbocks, aber von seinem Willen, auch in der aussichtslosesten Lage alles zu tun, was er konnte, um sein Leben zu verteidigen. „Du bist mutig. Respekt“, murmelte der Tiger, und dieses Mal meinte er, was er sagte. Er legte sich auf den Boden und betrachteten den Geißbock, der immer noch in Angriffsstellung vor ihm stand. Irgendwann war der Tiger eingeschlafen. Als er wieder erwachte, sah er, dass der Geißbock inzwischen ebenfalls dalag und schlief. „Du bist sehr unvorsichtig“, sagte der Tiger. „Der Tiger ist das gefährlichste Tier überhaupt.“ „Der Tiger ist das einsamste Tier überhaupt“ antwortete der Geißbock, die Augen nur einen spaltweit geöffnet. „Was hast du da gesagt?“ „Du bist das unglücklichste, einsamste Tier, das ich mir vorstellen kann.“ „Das sagst du nicht noch einmal!“ „Die anderen haben Angst vor dir, aber ich erkenne dich. Du bist so allein. Ich bin ein Stern in deiner Nacht, und wenn du mich gefressen hast, ist es wieder dunkel“ Dem Tiger war nun vollends der Appetit vergangen. Er schaute auf den Boden, wo sich unter seinen Augen kleine Pfützen bildeten.

Die Geschichte nimmt Bezug auf eine Freundschaft, die ein Tiger und ein Geißbock in einem Zoo in Sibirien schlossen (www.tierwelt.ch/news/zoo/tiger-und-geissbock-schliessen-freundschaft).

Diese Geschichte stammt von Stefan Hammel und ist in dem Buch „Wie der Tiger lieben lernte. 120 Geschichten bei psychischem Trauma“ zu finden. Die Geschichte gehört zum Kapitel „Aussöhnung, Güte, Selbstversöhnung„.

Schenken bis der Arzt kommt

© Andreas Steiner 2012, http://mastersofpsychotherapy.de/examples.html

Ich möchte euch gerne auf das Kartenspiel des Kölner Grafikers, Autor und Psychotherapeuten Andres Steiner aufmerksam machen.

Die Karten zeigen 60 Karikaturen der großen Pioniere der Psychotherapie und damit die wichtigsten Vertreter verschiedener Therapieschulen!

„Egal, welche Art von Psychotherapie Sie kennen, lieben, oder zutiefst verachten: Dieses Spiel beinhaltet alle wichtigen Schulen der Psychotherapie: Psychoanalyse (Kreuz), Verhaltenstherapie (Karo), humanistische Verfahren (Pik) und Hypnotherapie/systemische
Therapie (Herz).
Spielen Sie Rommé mit Sigmund Freud, Canasta mit Albert Ellis, Bridge mit Milton Erickson, Poker mit Carl Rogers!“, Andreas Steiner.

Spielen bis der Arzt, Therapeut oder Psychiater kommt.

Hier geht es zur Homepage von Andreas Steiner: http://mastersofpsychotherapy.de/german.html

Liebe Grüße,

Stefan

Entenküken

Quelle: Pixabay

Wenn man einer Henne ein Entenei unterlegt, brütet sie es zusammen mit den eigenen Eiern aus, und wenn die Küken geschlüpft und ein paar Tage alt sind, dann geht sie mit ihnen spazieren. Sie picken hier ein paar Körner auf und dort einen Käfer und lassen es sich gutgehen. Wenn sie an den Bach kommen, bleibt die Glucke mit ihren Jungen stehen. Das Entenküken stürzt sich ins kühle Nass. Die kleine Ente ist begeistert, die Glucke gackert und flattert in hellem Entsetzen. Die anderen Küken wackeln umher und wissen nicht so recht, was sie von der Situation halten sollen.

Eine Glucke, die hat Lebenserfahrung und hält nichts davon, wenn eines ihrer Küken ins Wasser geht. Eine Ente vertraut dem Wasser und weiß, dass es sie trägt. Hab Verständnis, liebe Ente, wenn die Glucke sich um dich fürchtet. Sie will dich beschützen. Hab auch Verständnis, liebe Ente, dass du eine Ente bist und baden willst. Wenn du ein Huhn wärst, dann solltest du nicht schwimmen gehen. Weil du eine Ente bist, folgst du deiner Natur.

Die Geschichte verwende ich, um Menschen zu ermutigen, ihren eigenen Weg abseits der Vorgaben ihrer Herkunftsfamilie zu gehen und um Eltern einzuladen, ihren Kindern eigene, in der Familie noch nie gegangene Wege offenzulassen. Dazu kann es auch gehören, Verbote zu übertreten, die – mindestens gefühlt – mit dem Ausschluss aus der Familiengemeinschaft belegt waren. Solche Verbote können sich auf Überzeugungen zur eigenen Identität, auf berufliche Wege oder die Partnerwahl beziehen. Manchmal lade ich Menschen ein, in Gedanken zu ihren Eltern zu sagen: “Ich nehme beides: Ich gehöre zu euch, und ich mache es anders”, oder auch: “Ich gehöre auf meine Art zu euch und mache es anders, als ihr es gemacht habt, als ihr wolltet, dass ich es mache und als ihr dachtet, dass man es überhaupt machen kann.” Die Geschichte kann auch im Gespräch mit Pflege- und Adoptivkindern und deren Eltern verwendet werden.

Diese Geschichte stammt von Stefan Hammel und ist in dem Buch „Wie der Tiger lieben lernte. 120 Geschichten bei psychischem Trauma“ zu finden. Die Geschichte gehört zum Kapitel „Aussöhnung, Güte, Selbstversöhnung“.

Seelenwäsche

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Stell dir vor, es gibt eine jenseitige Welt, wo sich die Verstorbenen aufhalten. Irgendwann werden wir alle da drüben sein, auch deine Schwester, die dir einerseits viel bedeutet und die dich andererseits so verletzt hat, dass es schwer ist, ihr zu begegnen. Ich weiß nicht, was sie erlitten oder versäumt hat, dass sie zu einer geworden ist, die dir so weh getan hat, wie es Geschwister niemals miteinander tun dürften. Aber stell dir vor, in dieser jenseitigen Welt gibt es eine Art Seelenwaschmaschine, durch die sie durch muss – oder darf, wenn man so will – um sich von allem Seelendreck zu reinigen, mit dem sie sich im Leben beschmutzt hat. Ist es in Ordnung, sich das einmal so vorzustellen? Wie sieht diese Seelenwaschmaschine aus? Sind es verschiedene Becken mit Flüssigkeiten? Sind es Bürsten wie bei einer Autowäsche? Ist es eine große Wäschetrommel oder sind da Heilige, die die Leute abreiben wie in einem orientalischen Bad? Wenn deine Schwester da so lange drin ist, bis aller Erdendreck von ihrer Seele entfernt ist und sie sauber ist. Wie sieht das aus? Wenn du dir vorstellst, dass sie danach noch einmal zu dir kommt, wie sieht sie aus? Was sagt sie zu dir? Wie fühlt sich das an?

Die Geschichte nimmt beides ernst, das Schlimme, was ein Klient von einem Familienmitglied erlitten hat und den Wunsch oder die Notwendigkeit, zumindest den Seelenfrieden zu finden, der bedeutet dass die inneren Bilder der Familienmitglieder im Heute keinen Schaden mehr im Klienten anrichten.

Diese Geschichte stammt von Stefan Hammel und ist in dem Buch „Wie der Tiger lieben lernte. 120 Geschichten bei psychischem Trauma“ zu finden. Die Geschichte gehört zum Kapitel „Aussöhnung, Güte, Selbstversöhnung„.